Dies.Das.Asanas. – Freier Kopfstand

Als unsere Asana-Kolumnistin Jelena Lieberberg diese Yogahaltung das erste Mal auf einem Foto sah, war sie sprachlos. Kann man so eine verrückte Position mehrere Atemzüge lang halten, noch dazu auf einer harten Unterlage? Für uns hat sie das Rätsel gelöst – und rät davon ab, diese Asana daheim  auszuprobieren!

Das Foto, auf dem ich diese mysteriöse Haltung zum ersten Mal sah, zeigt einen kleinen
Mann in wallenden Leinenhosen: Dharma Mittra. Viele werden ihn kennen, ohne es zu wissen: Dharma Mittra ist der unglaublich starke und gleichzeitig flexible Mann auf dem grauen Poster mit den 908 Asanavariationen. Es entstand 1975 und hängt bis heute in Yogastudios rings um den Globus. Bevor der gebürtige Brasilianer Schüler von Yogi Gupta wurde, war er Bodybuilder und Powerlifter. Heute praktiziert der 76-Jährige schon seit über 50 Jahren Yoga, er hat eine Schule in New York und begeistert immer noch mit seiner „Signature Pose“, dem freien Kopfstand.

Dass er den so besonders gut kann, hat vermutlich einen einfachen Grund: Ich nehme an, dass Dharma Mittra einen sehr flachen Schädel hat. Nur so kann er wie auf dem berühmten Foto mit dem Kopf auf einem Gullideckel balancieren. Die Form des Schädeldachs ist beim Kopfstand generell ausschlaggebend: Je spitzer es nach oben hin zuläuft, desto unwahrscheinlicher ist ein schmerzfreier Kopfstand. Zum Glück gibt es ja zahlreiche Varianten, die Druck von Schädel und Halswirbeln nehmen, allen voran den Klassiker mit V-förmig aufgestützten Unterarmen und verschränkten Händen. Aber reicht ein flaches Schädeldach, um womöglich minutenlang frei auf dem Kopf zu balancieren? Natürlich nicht. Durch Zufall habe ich Sri Dharma Mittra vor einigen Jahren in Berlin bei einem Workshop beobachten können, als er die Asana für ein Foto einnahm. Und siehe da: Selbst er konnte sich nur einen kurzen Augenblick lang in der Balance halten! Aber immerhin so lange, dass er die Hände vor dem Herzen falten und der Fotograf das Bild scharf stellen konnte. Und: er lächelt dabei. Ich habe mich für unser Foto so darauf konzentriert, schnell beide Arme und Beine zu strecken, dass ich etwas ernst dreinschaue.

Muss ich das können? Nein! Überhaupt nicht. Iyengar hat sehr richtig gesagt, dass Schulterstand und Kopfstand König und Königin des Yoga seien. Die heilsamen Effekte der Umkehrhaltungen entstehen ganz unabhängig davon, ob man sich abstützt oder nicht – und sie entstehen erst dann, wenn man die Positionen längere Zeit, also über einige
Minuten, hält. Da das beim freien Kopfstand nie der Fall ist, kann man auch nicht von einer nährenden Position sprechen.

Ist das gefährlich? Ja. Der Druck auf Schädeldach und Halswirbel ist erheblich, außerdem besteht die Gefahr, zu stürzen. Kurzum: Die Haltung ist alles andere als eine nette Spielerei, deswegen verzichte ich hier auch ausnahmsweise auf eine Anleitung.


Foto: Richard Pilnick Location: Hotel Catalonia Berlin Mitte

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