Mann bleiben, Mutter werden, Mensch sein
Yoga und Weiblichkeit ist eines der zentralen Themen der YOGA JOURNAL Ausgabe Januar + Februar 2011. Ist Yoga also eine Frauenbewegung? Früher war Yoga für Frauen unzugänglich, heute existiert eine „weibliche Übermacht im Yoga“. Ein schönes und deutliches Gegengewicht zu verschworenen Männerkollektiven in Wirtschaft, Politik und in der katholischen Kirche – so provokativ sieht das jedenfalls unsere Autorin Diana Krebs (S. 30).
Das sah im Prinzip Krishnamacharya (1888-1989) genauso: Er schaffte ein für allemal den Jahrhunderte alten Männerbund im Yoga Kraft seiner Autorität als Lehrer ab. Sein Argument war denkbar einfach: Frauen haben die gleichen Rechte wie Männer. Ein Tabubruch! Die heiligen Männer aller Couleur lehnten damals (und heute?) das Weibliche als Bedrohung und unrein ab. Er dagegen wollte seine Schülerinnen stark machen. Nicht nur auf körperlicher Ebene für Schwangerschaft und Geburt, sondern durch Gleichberechtigung im Yoga und als authentische und selbst bestimmte Menschen. Daran erinnert Gabriela Bozic im Interview (S. 34).
Das Kundalini Yoga von Gurmukh Kaur Khalsa steht in besonderer Weise in dieser Tradition. Sie ist als Lehrerin ein Beispiel für weibliche Spiritualität. Ihr Pränatal Yoga will physische, emotionale und mentale Kräfte für die Geburt wecken, wie Catharine Guthrie in „Verbindung schaffen“ beschreibt (S. 64). Diesen Artikel möchte ich allen Männern empfehlen, die – wie ich – eigentlich nie richtig verstanden haben, was außer einem dicken Bauch am Schwangeren-Yoga anders sein könnte. Zusammenfassend und stellvertretend für das weibliche Geschlecht erklärt Autorin Ulrike Reiche, dass es für Frauen vor allem nicht darum geht, „wie ein Mann zu werden“, wenn sie fordert „Frauen an die Macht“ (S. 36).
Vielleicht ist das alles auch einfach Punk… Für Joachim Hiller und Uschi Herzer, die Macher des Punk-Fanzines „Ox“ heißt das nämlich: „Was immer provoziert, ohne in erster Linie provozierend gemeint zu sein ist Punk.“ (S. 92). Die beiden stellen vegane alltags- und Punk-taugliche Rezepte aus ihren Kochbüchern „Kochen ohne Knochen“ vor. Ihre Sprache und ihre Ideen sind authentisch – und beruhen auf Erfahrung.
Von der leicht provokativen Haltung der Autoren lebt dieses Heft heute und in Zukunft – bei aller Bereitschaft zur Auseinandersetzung und Reflexion heben sie nicht ab, sondern bleiben fest auf dem Boden. Das passt zum roten Faden und zur Leitidee des Yoga Journal generell: Wir gehen nicht in die Höhle, sondern bleiben mitten im Leben. Dazu gehört „Feiern auf der Matte“ (S. 52) ebenso wie Eltern werden, Naturverbundenheit – über die Ana Forrest im Interview spricht (S. 48) – und „Yoga für den Hausgebrauch“ von Berlinale-Chef Dieter Kosslick (S. 22).
Am Ende geht es immer darum, nicht vor dem Leben zu fliehen, um die eigene Seele zu finden. Aadil Palkhivala, der Seelensucher (Seite 80), weiß: Yoga kennt drei Stadien – Entdecken, Finden, Erfüllung. Also: Asana, Pranayama und Meditation. Und ich finde: Damit ist Yoga vollkommen unabhängig davon, ob ein Mann oder eine Frau übt!
Viel Spaß beim Lesen!
Michi Kern, Herausgeber