Deva Premal & Miten im Interview

Als sich die aus Nürnberg stammende Deva Premal und der britische Rockmusiker Miten Anfang der 1990er-Jahre in Oshos Ashram trafen, begann eine der größten Erfolgsgeschichten der spirituellen Musik. Der Sehnsucht ihrer Anhänger nach einer heilen Welt begegnen die Weltstars mit der Kraft der Mantras – und mit Visionen, die bis in die Weltpolitik reichen. 

“Wir wollen Botschafter sein, keine Künstler.”

Deva und Miten, ihr seid gerade aus Nürnberg zurückgekehrt, wo Deva geboren und aufgewachsen ist. Was bedeutet euch der Begriff “Heimat”?

Deva: Unter “Heimat” verstehen wir nicht wirklich einen geografischen Ort. In den letzten 25 Jahren waren wir fast ununterbrochen auf Reisen, der längste Aufenthalt an einem Ort waren 1992 sechs Monate in der Toskana. Daher haben wir gelernt, den ganzen Planeten als unsere Heimat zu betrachten.

In eurem neuen Buch “Mantra” gebt ihr einige biografische Anekdoten preis. Wenn ihr zurückblickt: Was waren die prägendsten Momente eures Lebens?

Miten: Für mich eindeutig unsere erste Umarmung, kurz nachdem wir uns im Ashram kennenlernten – in einem Umfeld, das Liebe und Respekt über alles stellt. Wir beide waren in Pune, um Meditation zu lernen und uns vom gesellschaftlichen Konkurrenzkampf zurückzuziehen, hin zu einer entspannteren, von Mitgefühl geprägten Haltung. Das galt auch für unsere wachsende Beziehung: In ihr sollten sich gegenseitiger Respekt und individuelles spirituelles Wachstum entfalten können, entgegen den Besitzansprüchen konventioneller Paarideen. Außerdem inspirierte uns Osho zu der Musik, wie wir sie bis heute spielen.

Deva: Der zweite wichtige Moment war für mich, als ich das Gayatri-Mantra wiederentdeckte. Als Kind habe ich es jeden Abend als Gute-Nacht-Lied gehört und mitgesungen, es als Teenager jedoch aufgegeben. Mit 27, sieben Jahre, nachdem ich Miten getroffen hatte, begann ich, es wieder zu chanten. Als wir es erstmals gemeinsam sangen, änderte sich unser Leben.

Miten: Devas Interpretation der Mantras zog dann immer mehr Menschen an. Besonders fasziniert waren sie von der ekstatischen Stille, die den Mantras folgte.

Was ist seither vor allem anders geworden?

Miten: Im Grunde nichts. Obwohl wir bereits 21 Alben veröffentlicht haben, empfinden wir unsere Kreativität als stark und gesund. Wir leben immer noch von Moment zu Moment und versuchen, nicht zu weit in die Zukunft zu blicken. Natürlich haben wir heute ein großes Team von Unterstützern, die sich um unseren Tourplan und die Plattenaufnahmen kümmern. Das gibt uns die Freiheit, uns auf unser Anliegen zu konzentrieren: Die Schönheit und Weisheit der Mantras mit der Welt zu teilen.

Welche Rolle spielt euer Commitment an Osho heute?

Miten: Ich würde nicht von “Commitment” sprechen, weil er das selbst nie von seinen Schülern verlangte. Er stellte immer klar, dass wir uns nicht als “Jünger” in seiner Gegenwart aufhielten, sondern als Individuen, die freiwillig an allem teilnahmen – oder auch nicht. Er stellte sich eine Gesellschaft vor, die sich für Freiheit, Kreativität und Lebensfreude interessiert und dies durch Meditation erreichen will. Dementsprechend sehen wir unsere Musik und unser Leben als durchgehende Meditation. Für unsere eigene spirituelle Reise tragen wir selbst die Verantwortung. Ich denke, dass die Menschen, die zu unseren Konzerten kommen, ähnlich denken und fühlen. Wir unterstützen und inspirieren uns, in Freude zusammen zu kommen – gerade in aufgewühlten Zeiten wie diesen.

Deva Premal: Wir haben in Gefängnissen wie dem San Quentin Prison in Kalifornien Mantras gesungen, auch nach den Anschlägen in Kiew, Brüssel und Paris. Wir spüren, dass sie Frieden bringen können. Das ist der Grund, warum wir trotz der vielen Reisen nicht ausbrennen. Die Mantras und die zugehörige
Gemeinschaft nähren unsere Seele.

Bevor ihr euch im Ashram kennengelernt habt, hast du, Miten, als Musiker und Tourbegleiter von Künstlern wie Fleetwood Mac, Lou Reed und Ry Cooder, ein exzessives Leben geführt. Wie gelang es dir, mit den im Buch beschriebenen Ereignissen – zum Beispiel der Trennung von deiner Frau und deinem Sohn –
Frieden zu schließen?

Miten: Ich kann nicht bestreiten, dass ich sie damals im Stich gelassen habe. Obwohl ich überzeugt war, dass es das Beste für uns alle war, war es eine schlimme Zeit. Die Traurigkeit ließ uns jedoch spirituell wachsen. Gerettet hat mich die Meditation. Sie half mir, meine Dämonen zu konfrontieren und mit den Schuldgefühlen klar zu kommen. Auch die Gemeinschaft in Oshos Ashram und die intensive tägliche Selbstreflektion funktionierte als eine Art Heilbalsam. Heute sind mein Sohn und ich beste Freunde. Auch wenn wir nicht die Vater-Sohn-Beziehung hatten, die ich mir für uns gewünscht hätte, gibt es eine Verbindung zwischen uns, die auf Freundschaft, Respekt und Liebe basiert. Einen seiner Söhne, Mylo Miten, hat er nach mir benannt, und bei seiner Hochzeit durfte ich sein Trauzeuge sein. Eine große Ehre. Seine Mutter und ich konnten ebenfalls unsere Wunden heilen. Gemeinsam sind wir glückliche Großeltern.

Als Künstler steht ihr für Musik und Stimme. Im Buch vermittelt ihr Mantras diesmal mit geschriebenen Worten: Ein neues Medium für euch.

Deva Premal: Die Idee entstand, als wir ein 21-tägiges Online-Meditationsprogramm starteten, für das sich 200 000 Menschen registrierten. Aufgrund dieses Interesses und da wir unser Anliegen über so viele Kanäle wie möglich verbreiten möchten, haben wir nun auch ein Buch geschrieben. Wir glauben, dass die Welt eine Atempause von der allgegenwärtigen Gewalt und Negativität braucht. Zusammenkünfte wie Mantra-Konzerte und Kirtans beruhigen das Herz und senken den Stresslevel. Sie helfen uns, unser Leben neu zu gestalten und bieten sehr spezifische Werk-zeuge, um eine destruktive Haltung loszulassen.

Klang und geschriebene Sprache richten sich auf unterschiedliche Weise an Herz und Intellekt. Versucht ihr, die beiden auf spezielle Weise zu verbinden?

Miten: Eigentlich ist das gar nicht so kompliziert. Die Rishis des alten Indien, die die Mantras schufen, experimentierten bereits damals mit der Wirkung von Klang auf Geist und Organismus. Als hoch verfeinerte Sound-Einheiten tragen sie konzentrierte Energie. Wie jeder spirituelle Weg müssen sie jedoch vor allem erfahren und nicht intellektualisiert werden. Unsere Musik kommt aus der Tiefe unseres Wesens – dem Herz. Für uns ist der Gegensatz zwischen Herz und Intellekt also nur ein scheinbarer, den wir ganz natürlich zusammenbringen können. Zusammen bilden sie eine Einheit, wie die zwei Flügel eines Vogels.

Welche Kraft können Mantras in unserer Gesellschaft entwickeln? Und warum scheint im Westen das Interesse an Musik aus der eigenen spirituellen Tradition zu schwinden?

Miten: Zunächst können Mantras keiner Organisation zugeschrieben werden – keine Religion hat Ansprucht auf ihre Kraft. Als eigenständige, uralte Heilsysteme gab es sie lange vor der Religion des Hinduismus. Das Gayatri zum Beispiel ist ein Gebet ans Licht. Wie auf jedem spirituellen Weg muss man ihre Kraft vollständig erfahren haben und damit eine neue Welt entdecken, in der Hingabe, Ekstase und wissenschaftliche Forschung Hand in Hand gehen. Eine Gemeinschaft, die heilende Mantras singt, erfährt Transzendenz. Dazu sind kein bestimmter Glaube und keine bestimmte Kultur notwendig. Es geht einzig um die persönliche Erfahrung und die Chance, das Tempo des Lebens eine Weile zu verlangsamen.

Deva Premal: Stress kommt daher, dass wir mit der Geschwindigkeit, die die Welt uns vorgibt, nicht mithalten können. Ohne nachhaltige Entspannungspraxis wenden wir uns Drogen, exzessiver Internetnutzung oder anderen Zerstreuungen zu, die an das Unbewusste appellieren. Das erzeugt nur noch mehr Stress. Wir laufen quasi auf Dauerbetrieb, und die Mantras bieten einen Rückzugsort.

Allerdings sind auch viele Menschen skeptisch, ihre eigene Stimme zu erheben. Sie finden, dass sie nicht singen können, und wollen zum Teil nicht zum Yoga, weil sie Angst haben, es dort zu “müssen”.

Miten: Traurig, aber wahr. Wir haben uns damit von einem ganz einfachen Ausdruck von Lebensfreude entfernt. Wenn wir singen, sind wir “nackt”, können uns nicht verstecken und fühlen uns der Bewertung anderer ausgesetzt. Ziemlich Angst einflößend! Was wir aber auf unseren Retreats und Konzerten beobachten, ist, dass wir durch das Singen beginnen, unsere Verletzlichkeit zu genießen und uns eins mit den anderen zu fühlen. Das schafft ein liebendes, harmonisches Umfeld.

Meditiert ihr persönlich lieber im Stillen oder mit Musikbegleitung?

Miten: Bei uns kann sich die Meditation zu jeder Zeit und in jeder Situation einstellen, egal, was wir gerade tun. Nonstop Bhakti Yoga! Es geht nicht nur um die Dauer einer Yogastunde oder eine Praxis, die mit einem Gongschlag beginnt und endet: Meditation ist eine Vollzeitaktivität und, wenn man seinen Weg gefunden hat, eine sehr leichte und heilsame Art zu leben. Mantra und Singen öffnen die Tür zu einer inneren Welt, in der wir Frieden mit uns selbst schließen können. Der Geist kann sich eine Weile zurückziehen und wir fühlen den Raum zwischen den Zeilen. Genau dort liegt die Magie.

Wir berichteten im YOGA JOURNAL bereits über “Black Yoga”, einen Stil, der zu Heavy Metal Musik praktiziert wird. Die Schüler erzählten, dass sie durch die Ansprache ihrer dunklen Seiten Katharsis erlebten. Was glaubt ihr, was Menschen in eurer Musik suchen und finden?

Miten: Wir hören oft, dass Menschen in Devas Stimme Trost finden, was nicht mit jeder Musik leicht ist. Im Mainstream will Musik meistens Gefühle ausdrücken und damit das Herz bewegen. Deva singt jedoch ohne jeden emotionalen Input, ihre Absicht ist nicht, jemanden aufzuwühlen. Sie greift von einer tieferen Ebene aus auf ihre Stimme zu, jenseits von Herz und Gefühlen. Die Musik kommt aus der Stille und kehrt dorthin zurück. Menschen erzählen uns, dass sie entscheidende Momente ihres Lebens mit unserer Musik begleiten: Geburt, Tod, Sex. In diese Intimität eingeladen zu werden, lässt uns sehr demütig werden.

Haltet ihr Mantra-Singen für eine Kunst?

Deva Premal: Nein, in der Mantra-Praxis hat Kunst keinen Platz. Es geht uns nicht darum, mit außergewöhnlichen Fähigkeiten zu beeindrucken. Wir wollen Botschafter sein, keine Künstler. Gott ist der Künstler. 

Welches ist euer Lieblingsmantra?

Miten: Das Gayatri-Mantra ist unsere Basis und bildet die Tragflügel, auf denen wir durch die Welt reisen. Es fließt quasi durch Devas Adern, und obwohl ich sie es über die Jahre unzählige Male habe singen hören, gab es keine Gelegenheit, an dem es mich nicht tief berührt hätte.   

Letzte Frage: Braucht die Welt mehr Mantra?

Deva Premal und Miten (gleichzeitig): Absolut!

Miten: Mantras fördern Mitgefühl, Vergebung und Verständnis. Lasst die ganze Welt Mantras singen! Wir brauchen sie mehr denn je. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät. Wir persönlich sind sehr von der globalen Krise und dem Schaden betroffen, den wir Mutter Erde und unserer eigenen Umwelt angetan haben. Die Menschheit scheint verrückt geworden zu sein. Aber lasst Putin, Trump und Merkel gemeinsam das Gayatri-Mantra rezitieren – dann würde etwas völlig Neues passieren!


Deva Premal und MitenDie Welt braucht mehr Mantra: Davon sind Deva Premal und Miten überzeugt – und mit ihnen Millionen von Anhängern auf der ganzen Welt. Mehr Info auf: devapremalmiten.com

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