In der Yogapraxis auf Gelenkgesundheit zu achten, ist nicht dasselbe
wie Yogatherapie. Mit den hier gezeigten Übungen trägst du dazu bei, deinen unteren Rücken gesund zu erhalten und seine Anatomie besser zu verstehen. Bei Verletzungen und Schmerzen solltest du sie aber nur sehr vorsichtig einsetzen.
Text und Sequenz: Kristin Rübesamen / Fotos: Nela König / Outfit: Kismet Yogastyle
Der Beckengürtel
Das aus Darmbein, Sitzbein und Schambein bestehende Hüftbein bildet zusammen mit dem Kreuzbein einen knöchernen Ring, verbunden durch drei wenig bewegliche Gelenke: die beiden Kreuz-Darmbeingelenke (auch: Iliosakralgelenke oder kurz ISG) und die Schambeinfuge (Symphose). Das Kreuzbein sitzt wie ein Keil zwischen den Hüftbeinen, zusätzlich stabilisiert durch straffe Bänder. Es bildet das untere Ende der Wirbelsäule und bestimmt deren Aus- und Aufrichtung. Schon winzige Verschiebungen des Kreuzbeins im Becken können starke Schmerzen auslösen. Zu deren Ursachen zählen: Instabilität, Überbeanspruchung, Fehlhaltung oder Fehlbelastung, Verschleißerscheinungen, Lockerung der Schambeinfuge während Schwangerschaft und Morbus Bechterew.
1. Künstliche Dysbalance

Häufige Ursache für Schmerzen im unteren Rücken sind Blockaden in einem oder beiden Iliosakralgelenken, die von einem Beckenschiefstand begleitet werden. Ist das tatsächlich der Fall, kannst du mit dieser Übung einen „Reset“ anstoßen.
Hebe in Rückenlage die Beine in einen doppelten 90-Grad-Winkel und lege die Hände an die Knie. Ziehe beziehungsweise schiebe nun die angewinkelten Beine mit den Händen in gegensätzliche Richtung, also ein Bein zu dir heran und das andere von dir weg. Baue dabei Spannung auf, indem du mit den Beinen dem Impuls der Hände standhältst. Die Knie bewegen sich dadurch nur ein paar Zentimeter weit, aber du kannst spüren, wie du eine subtile Dysbalance in den beiden Iliosakralgelenken provozierst, die Blockaden lösen und einen Reset einleiten kann. Übe beide Seiten im Wechsel, jeweils einige Sekunden lang.
2. Aktivierung der vorderen diagonalen Muskeln

Bandscheiben und Iliosakralgelenke erfahren eine Entlastung, wenn die diagonal verlaufenden (obliquen) Muskeln auf der Körpervorderseite kräftig und ihren Faszien straff sind – das baut Druck ab und stellt einen gesunden Zug her.
Strecke in der Rückenlage die Beine und Arme senkrecht nach oben. Hebe nun gleichzeitig langsam (nicht ruckartig) die rechte Gesäßhälfte und die linke Schulter. Ziehe beide wieder aktiv zurück und lege sie behutsam ab, bevor du nun die linke Gesäßhälfte und die rechte Schulter hebst und wieder senkst. Achtung: Widerstehe bei dieser Bewegung der Versuchung, Füße und Hände zueinander zu führen, der Abstand zwischen Armen und Beinen bleibt gleich. Wiederhole die Bewegung langsam noch mehrmals im Wechsel der Diagonalen. Wenn du dabei den Kopf mit anhebst, wird sie deutlich intensiver.
3. Setu Bandha Sarvangasana

Bei dieser Rückbeuge mobilisierst du die Körpervorderseite und dehnst vor allem die Hüftbeuger, die schrägen und geraden Bauchmuskeln. Gleichzeitig arbeiten deine Muskeln aber so zusammen, dass du Stabilität und Länge in der Lendenwirbelsäule wahren kannst.
Stelle in der Rückenlage deine Füße hüftschmal auf und lege die Arme längs neben deinem Körper ab. Drücke die Füße gegen die Matte und hebe das Becken sanft, ohne den Rücken durchzudrücken. Schiebe deine Füße, Hände und Schultern weiterhin gegen den Boden und lass das Becken wieder minimal absinken. Wichtig: Entspanne bewusst dein Gesäß und lass den Nacken lang. Falls der Zug über die Vorderseite der Oberschenkel zu straff ist, drehst du die Füße leicht nach außen.
4. Dehnung der Beinrückseite

Ein Klassiker, um die Muskulatur der Beinrückseite zu dehnen. Da sie am Sitzbein, also am Beckenring, ansetzt, bestimmt sie mit darüber, wie das Becken steht. Verkürzte, verspannte Beinrückseiten ziehen das Becken nach hinten und können Schmerzen im unteren Rücken bedingen.
Stelle in Rückenlage ein Bein auf, falte die Hände hinter dem Oberschenkel des anderen Beines und strecke es nach oben. Achte dabei darauf, dass du den Nacken nicht überstreckst und das Bein nicht zu dir heranziehst, sodass dein unterer Rücken schön lang bleibt und sich nicht abflacht. Im Zweifelsfall verwendest du statt der Hände einen Gurt. Lass dir 5–10 Atemzüge Zeit für die Dehnung, danach wechselst du zur zweiten Seite.
5. Alanasana

In dieser Variante halten wir den hohen Ausfallschritt statisch, um durch die Aktivierung der Beininnenseiten Balance ins Becken zu bekommen: Sie hilft, mehr Geschmeidigkeit in die gerne mal angespannten Waden und Oberschenkel zu bringen, außerdem dehnt sie die Gesäßmuskeln und durch die minimale Rückbeuge deine Hüftstrecker und -flexoren.
Beginne im herabschauenden Hund und ziehe den linken Fuß nach vorn zwischen deine Hände. Erde deinen vorderen Fuß und richte das Knie über dem Knöchel aus, bevor du den Oberkörper aufrichtest. Die Ferse deines hinteren Fußes bleibt gehoben. Das hintere Bein ist nicht ganz, aber fast gestreckt. Ziehe die hintere Kniescheibe ein bisschen nach oben, sodass der Oberschenkelmuskel aktiviert ist. Stell dir vor, dass du deine Füße zueinander ziehst, ohne sie tatsächlich zu bewegen. Die Hüften sollten parallel zueinander ausgerichtet sein. Nach 5–10 Atemzügen wechselst du über den Hund zur zweiten Seite.
6. Liegender Twist

Diese ausgleichende, mobilisierende Asana dehnt Bauchmuskulatur, Hüften, Psoas und Oberschenkel. Sie ist eine Wohltat für einen verspannten Rücken, kann bei Problemen mit dem ISG aber kontraproduktiv sein.
Stelle in der Rückenlage die Füße auf und versetze dein Becken ein gutes Stück nach rechts, bevor du die Knie locker nach links sinken lässt. Achte dabei darauf, dass deine Wirbelsäule lang und nicht gerundet ist. Nutze die Atmung, um nach und nach tiefer in die Drehung zu sinken. Sofern deine Iliosakralgelenke stabil sind, kannst du auch die hier gezeigte, intensivere Variante mit dem Klotz üben, bei dem die Beine in einem sauberen 90-Grad-Winkel gehalten werden. Nach 5–10 Atemzügen wechselst du behutsam zur zweiten Seite.
Kristin Rübesamen hat sich als Yogalehrerin, Autorin und Podcasterin in der Yogaszene und weit darüber hinaus einen Namen gemacht. Ihre Bücher (“Alle sind erleuchtet”, “Das Yoga-ABC” und zuletzt “Außer Atem“) überzeugen mit Ernsthaftigkeit, Tiefe und dem für sie typischen lakonischen Humor.
Mehr zu Kristin und ihrer Arbeit auf yogahikes.de und auf Instagram @yogahikes__
Hier geht’s zum Intro-Artikel von Kristin Rübesamen über Gelenkgesundheit: