Karoline Herfurth über Liebe, Loslassen und Yoga

Wir kennen sie aus Filmen wie “Das Parfum”, “Vincent will Meer” und “Fuck Ju Göhte”: Die Schauspielerin Karoline Herfurth. Im vergangenen Herbst gab sie mit “SMS für Dich” ihr Regiedebut in Spielfilmlänge. Mit dem YOGAJOURNAL sprach die Neu-Regisseurin über ihren Film, Yoga, Liebe, das Leben und alles Mögilche.

YJ: Wieso haben Sie sich bei Ihrem Regiedebüt für dieses ­Genre entschieden?
KH: Ich liebe dieses Genre persönlich sehr. Ich glaube, um uns wirklich anzupieksen, zum Lachen und zum ­Weinen zu bringen, braucht ein Film ein Grundthema, das uns alle beschäftigt und umtreibt. Und das Weiterleben­müssen, -können und -wollen, nachdem wir einen ­geliebten ­Menschen verloren haben, werden wir alle in irgendeiner Form erleben. Allerdings war es mir sehr wichtig, diese Geschichte mit Leichtigkeit zu erzählen. Ich gehe einfach gerne mit Hoffnung aus dem Kino. „SMS für dich“ hatte für mich all das: Tiefe, Romantik, Komödie, Herzschmerz.

YJ: Was verstehen Sie persönlich unter Romantik?
KH: Puh. Wenn ich mir diesen Film so anschaue, bin ich ­offensichtlich sehr viel romantischer, als ich dachte … Allerdings kann ich mit Dingen, die allgemein in diese Kategorie fallen, nicht so wahnsinnig viel anfangen: ­Rosenblätter auf dem Hotelbett oder in Champagner baden … ich hasse baden. Ich finde, dass sich Romantik aus der gemeinsamen Geschichte ergibt. Alte Städte ­finde ich romantisch. Kopfsteinpflaster in der Nacht, Sommernächte mit Pizza auf dem Brunnenrand. Alles kann ­romantisch sein, wenn der Richtige dabei ist.

YJ: Ist sie Ihrer Meinung nach ein idealistisches oder realistisches Konzept – und wo liegen die Grenzen?
KH: Wieso denn idealistisch? Entweder ist etwas romantisch oder nicht. Für mich hat das nichts mit Idealisieren zu tun, sondern mit Träumen, Phantasie, Hingebung, Sehnsucht, Liebe und allem Möglichen, das sowohl zu sehr realistischen Beziehungsanfängen führt als auch dazu, lange Beziehungen aufrechtzuerhalten. Ich glaube nicht, dass Realismus das ist, was Liebe am Leben hält. Oder besser gesagt: Oft wird Realismus in diesem Zusammenhang mit Zynismus verwechselt.

YJ: Von zufällig fallengelassenen Taschentüchern und ­parfümierten Liebesbriefen zu Dating-Portalen und Kurznachrichten: Ohne zu viel von „SMS für dich“ zu verraten – welche Chance hat Romantik in unserer Zeit?
KH: Ich glaube, dass all diese Dinge romantisch sein können. Es gibt ja keine vorgeschriebene Form, ab wann etwas romantisch ist oder nicht. Das ist meiner Meinung nach ein sehr individuelles Empfinden. Romantik wird heiß und hoch gehandelt, und das wird auch so bleiben.

Manchmal ist das Leben klüger als man selbst

YJ: Als Idee gilt sie vielen Menschen zu „weich“, gefolgt wird eher dem Leistungsprinzip. Brauchen wir mehr Vertrauen ins Leben und in vermeintliche „Zufälle“?
KH: Ich bin überzeugt davon, dass das Leben manchmal ­klüger ist als man selbst. Manchmal passieren mir ­Dinge, die ich nicht erwartet hätte, die mich wütend machen oder verzweifeln lassen. Wenn ich dem Ganzen etwas Zeit gebe, stellt sich meistens heraus, wofür es gut war. Oder dass etwas anderes, Gutes kommt. Ich glaube nicht, dass man die Zügel abgeben sollte. Aber ich glaube, dass es gut ist, manchmal „in den Himmel“ zu hören, um die Richtung zu entscheiden, die man einschlägt.

YJ: Die Sehnsucht nach etwas, das über die Planbarkeit des Lebens und seine reine Funktionalität hinausgeht, kann Menschen zum Yoga bringen. Haben Sie ähnliche Erfahrungen mit der Praxis gemacht?
KH: In dieser Form habe ich Yoga noch nicht kennengelernt. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass es Menschen ­helfen kann, ein Gespür für sich selbst zu entwickeln und dadurch sicherer zu werden.

YJ: Ein etwas weniger philosophischer Grund ist für viele, beweglicher zu werden. Das scheint bei Ihnen nicht zuzutreffen: „Früher habe ich im Spagat Bücher gelesen“, war von Ihnen zu lesen. Was motiviert Sie zum Yoga?
KH: Ich probiere gerne immer wieder neue Sachen aus. Dadurch habe ich mir einige Yoga-Formen angeschaut. Jivamukti Yoga war bisher das, was mich am meisten angesprochen hat, als Nächstes würde ich gerne mal Anti-Gravity ausprobieren. Grundsätzlich ist es bei mir bisher allerdings eher die sportliche als die meditative Motivation.

An allem was Yoga mit sich bringt, kann nichts schlecht sein

YJ: Ihre Hauptfigur Clara und deren Mitbewohnerin ­Katja gehen in „SMS für dich“ gerne auf die Matte, was Sie sehr cool und spielerisch inszenieren. Tatsächlich ­gehört Yoga inzwischen fest zum Alltag eines ­kreativen, meist urbanen Umfelds. Wie nehmen Sie diese „Yogaszene“ wahr?
KH: Solange man nichts übertreibt, ist das ein wunderbarer Trend. An allem, was Yoga mit sich bringt, kann nichts schlecht sein.

YJ: Ganz gegensätzlich ist im Film die Schlagersängerin „Henriette Boot“, verkörpert von Katja Riemann, angelegt: eine Esoterikerin, wie sie im Buche steht, aber entscheidend für die Entwicklung der ­Liebesgeschichte. Wie stehen Sie zu Edelsteinmystik, Schamanismus und Aura-Energien?
KH: Hm. Ich kenne mich nicht genug aus, um dazu fundiert etwas sagen zu können. Ich glaube daran, dass Dinge unterschiedliche Energien haben und somit etwas mit uns machen. Ich denke, die Dinge, von denen Henriette Boot spricht, gibt es in allen möglichen ­Glaubensrichtungen, nur unter verschiedenen Namen.

YJ: Im Yoga spricht man bei gewissen Übungen von „Herz­öffnern“. Sind wir eine verschlossene Gesellschaft, die Sensation sucht, aber (Be-)Rührung verlernt hat? In „SMS für dich“ heißt es: „Wer berühren will, muss sich auch berühren lassen.“
KH: Dabei ging es um den männlichen Protagonisten, Mark Zimmermann, der lernen muss, sein Herz zu öffnen, um „sein“ Leben zu finden, statt ein Leben einfach „mitzuleben“. Ich weiß nicht, ob wir eine verschlossene Gesellschaft sind. Eher sind wir stark davon geprägt, was wir glauben, sein und wollen zu müssen. Dabei übersehen wir häufig, wer wir eigentlich wirklich sind.

YJ: Umgekehrt ist Berührung elementar mit Loslassen ­verbunden. Dafür steht Clara, die nicht über den Tod ihres Verlobten hinwegkommt und weiterhin mit ihm kommunizieren möchte. Welche Art von Verbundenheit kann nach radikaler Trennung immer noch möglich sein?
KH: Loslassen gehört bestimmt zu den schwierigsten Aufgaben im Leben, besonders im Falle eines ­Todes. Während der Arbeit an diesem Film habe ich mir ­immer gedacht, dass man für „seinen Toten“ einen Platz braucht. Ein solches Erlebnis bewirkt wahrscheinlich ein starkes Vorher und Nachher. Um weiterzuleben, braucht man wahrscheinlich einen Ort, wo dieser Tote sein ­kann – weil er sonst überall ist. Was das für ein Ort ist – eine Bilderwand, eine Kette mit einem Amulett oder eben ein einseitiges Zwiegespräch über SMS –, ist vermutlich sehr individuell.

YJ: Beruflich haben Sie mit Ihrer ersten Regiearbeit einen Schritt in Richtung mehr „Kontrolle“ getan. Wie war das Gefühl, mehr Gestaltungsspielraum, aber auch für andere verantwortlich zu sein?
KH: Das war großartig. Überwältigend, manchmal beängstigend, sehr erfüllend, sehr herausfordernd, sehr intensiv. Ich habe es geliebt. Ich hatte Schauspieler, die ­eisern an meiner Seite standen, und ein absolutes Luxusteam hinter der Kamera. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als auf diese Weise und mit diesen Leuten zu arbeiten.

YJ: Wie leicht oder schwer empfanden Sie es, sich selbst zu inszenieren? Ist auch das eventuell – wie Yoga – ein Spiel zwischen Kontrolle und Loslassen?
KH: Es war nicht immer einfach, in den Funktionen zu wechseln, besonders in sehr emotionalen Szenen. Aber auch beim Anspielen meiner Filmpartner musste ich mich manchmal daran erinnern, mitzuspielen und nicht nur zuzusehen. Ehrlich gesagt ist alles irgendwie eine ­Balance zwischen Kontrolle und Loslassen, oder?

YJ: Allerdings. Und wie Ihr Film berührend erzählt, bedeutet loszulassen keineswegs aufzugeben …
KH: Das könnte man so sagen, ja.

 

Karoline Herfurth: Zu ihren ersten Filmauftritten gehören „Crazy“ (2000) und „Mädchen, Mädchen“ (2001). International bekannt wurde sie 2006 durch die Rolle des Mirabellenmädchens in Tom Tykwers Großproduktion „Das Parfum“. 2008 war sie an der Seite von Kate Winslet und ­Ralph ­Fiennes in der Bernhard-Schlink-Verfilmung „Der Vorleser“ zu sehen. Für ihre Rolle in Caroline Links Drama „Im Winter ein Jahr“ erhielt sie 2009 den Bayerischen Filmpreis. Zu ihren weiteren Arbeiten gehören „Vincent will Meer“ (2010), die sensationell erfolgreichen „Fack Ju Göhte“-Filme (2013, 2015) sowie die Familienfilme rund um „Rico und Oscar“ (2015/2016).  „SMS für dich“ ist nach dem Kurzfilm „Mittelkleiner Mensch“ (2012) ihre zweite Regiearbeit.


Foto: Warner Bros.

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