Dynamische Körpermitte-Praxis

Wenn du um Fitness-Übungen wie den “Crunch” bisher einen eleganten yogischen Bogen gemacht hast, solltest du umdenken. Präzise und schonend ausgeführt ist er ein Schlüssel zu einer kraftvollen Mitte und einer stabileren Yogapraxis. Du aktivierst mit dieser Körpermitte-Praxis ganz bewusst die Muskeln, die deine Lendenwirbelsäule schützen. 

Yogi*nis wissen, wie wichtig eine Körpermitte-Praxis ist. Auf körperlicher Ebene gibt sie uns Stabilität und Gleichgewicht, sie lässt uns harmonisch fließen und sie hält die Wirbelsäule gesund. Emotional gesehen ist die Mitte ein wichtiger Teil des Körpers. Denn von hier aus zeigen wir uns der Welt, so wie wir auf spiritueller und ethischer Ebene sind. Wenn wir uns im Yoga mit unserem wahrsten und tiefsten Selbst verbinden, dann ist die Körpermitte-Praxis ein guter Weg, um ein besseres Bewusstsein für dieses Selbst zu entwickeln.

Vorteile der Körpermitte-Praxis

Nichtsdestotrotz absolvieren viele Yogi*nis die klassischen Bauch- und Rumpfmuskelübungen nur mal nebenher und empfinden sie als notwendiges Übel. Ich weiß, dass dieser Teil der Yogastunde vielen meiner Schüler*innen lästig ist. Aber man kann es auch anders betrachten. Indem man ganz bewusst seine Rumpfmuskeln arbeiten lässt, kann man sie während der gesamten Praxis besser einsetzen. Das hilft zum Beispiel bei Vorwärtsbeugen, die Körperrückseite zu aktivieren, damit sich der Rücken nicht rundet und die Lendenwirbelsäule nicht überdehnt wird. Umgekehrt schenkt die Körpervorderseite bei Rückbeugen ausreichend Stabilität, damit man die eigene Grenzen nicht überschreitet.

Eine der wichtigsten Lektionen aus meiner Praxis und dem Unterrichten lautet. Viel wichtiger als die Asana selbst ist, wie man an und in der Haltung arbeitet. Der Yoga-Crunch aktiviert die Rumpfmuskulatur so gezielt, dass du die gleiche Aktivität auch in der folgenden Sequenz leicht wiederfindest und vertiefst. Das sorgt nicht nur für eine starke Mitte, es hilft dir auch, jede Haltung so zu entwickeln, dass sie sicher, ganzheitlich und für dich stimmig zum Ausdruck kommt.

Vorbereitung der Körpermitte-Praxis

Zu Beginn übst du aus dem Vierfüßlerstand heraus Katze-Kuh im dynamischen Wechsel. Einatmend bewegst du die unteren Spitzen der Schulterflügel nach innen Richtung Körpervorderseite und weitest die Brust. Ausatmend schiebst du die Hände gegen den Boden und ziehst den Nabel Richtung Wirbelsäule. Erinnere dich während dem Wechsel zwischen spinaler Extension und Flexion daran, wie sich beim Crunch Schambein und Brustbein zueinander hinbewegt haben. Anschließend wechselst du aus dem Vierfüßler ins Brett. Strecke die Arme und halte die Schultern senkrecht über den Handgelenken, während du die Füße nach hinten versetzt, die Beine streckst und sich von den Fersen bis zum Scheitel in die Länge ziehst. Zur besseren Ausrichtung hebst du die oberen Enden der Oberschenkel und ziehst das Schambein Richtung Brustbein.

1. Shalabhasana Heuschrecke

Shalabasana Heuschrecke Yogaworld

Erde in der Bauchlage bewusst Hüftknochen und Schambein, um eine stabile Basis für die Haltung zu schaffen. Strecke die Beine gerade nach hinten und verwurzel die Füße fest am Boden. Die Oberschenkelinnenseiten ziehen nach oben und das Steißbein zugleich Richtung Füße. Strecke die Arme gerade nach hinten und verschränke die Finger. Aus dieser Position hebst du etwa 8 Atemkreisläufe lang die Brust, ziehst die Hände Richtung Füße und lässt die Füße vom Boden abheben.

2. Parshva Utkatasana gedrehte Stehhocke

Stuhl Twist Yogaworld

Aus Shalabhasana wechselst du in Adho Mukha Shvanasana (herabschauender Hund), wanderst mit den Füßen zu den Händen und richtest dich auf in Tadasana (Berghaltung). Mit einer Einatmung hebst du die Arme, ausatmend bringst du mehr Gewicht auf die Fersen, beugst die Knie, schiebst die Oberschenkel zurück und nimmst Utkatasana (Stehhocke) ein. Lege die Hände vor der Brust in Anjali Mudra aneinander und ziehe mit einer Einatmung die Wirbelsäule lang. Ausatmend legst du den linken Ellenbogen an die Außenseite des rechten (oder leichter: die Innenseite des linken) Oberschenkels. Halte das Gewicht gleichmäßig auf beiden Füßen. Dazu ziehst du den linken Oberschenkel etwas nach hinten und lastest etwas tiefer auf dem rechten Bein. Lass die Oberschenkelinnenseiten nach unten sinken und ziehe auch hier das Schambein leicht Richtung Brustbein. Nach etwa 5 Atemzügen wechselst du die Seiten.

3. Anjaneyasana, tiefer Ausfallschritt, Variation

Ausfallschritt Strand YogaworldAus Tadasana setzt du den linken Fuß zurück und legst Knie und Fuß ab. Schiebe den vorderen Fuß und das hintere Schienbein fest gegen die Unterlage und ziehe die Oberschenkelinnenseite des hinteren Beins nach hinten. Dann bewegst du das Steißbein Richtung Boden und hebst den unteren Bauch weg von den Hüftknochen. Ziehe den unteren Bereich deines Brustbeins sanft Richtung Schambein, um die Mitte nicht zu verlieren, wenn du nun die Arme senkrecht nach oben streckst. Nach etwa 5 Atemzügen hebst du das hintere Knie zum Halbmond-Ausfallschritt. Dabei stabilisierst du den Rumpf weiter. Nach nochmals 5 Atemzügen wechselst du über den herabschauenden Hund die Seiten.

4. Ushtrasana Kamel

Kamel Strand YogaworldRichte im Kniestand die Knie unter den Hüften aus und drücke die Schienbeine fest gegen die Unterlage. Rolle die Oberschenkelinnenseiten nach hinten und ziehe das Steißbein Richtung Kniekehlen. Lege die Hände ans Kreuzbein und schiebe es nach unten, so dass der untere Rücken mehr Länge bekommt. Dann schmiegst du mit einer Einatmung die Schulterblätter fester gegen den Brustkorb, um die Brust zu heben. Ausatmend ziehst du die Rippen an der Körperrückseite weg vom Becken. Wähle eine angenehme Haltung für Kopf und Nacken. Nur wenn diese Vorstufe völlig mühelos möglich ist, senkst du nun die Hände an die Fersen. Bleibe etwa 5 Atemzüge im Kamel und erinnere dich an die Aktivität durch die Körpermitte-Praxis. Um dich aus der Position zu lösen, drücke nochmals die Schienbeine nach unten und hebe die Brust, dann setzt du dich auf die Fersen. Lege die Hände aufs Herz und spüre deinen Atem.

5. Navasana Boot

Navasana Boot Stand Yogaworld

Du beginnst in Dandasana (Stabhaltung). Dazu sitzt du aufrecht mit nach vorne ausgestreckten Beinen und richtest die Wirbelsäule neutral aus. Beuge die Knie und lege die Hände knapp oberhalb der Sitzknochen an die Rückseite der Oberschenkel. Schiebe die Oberschenkelmuskeln gegen die Hände, wenn du dich nun nach hinten lehnst und die Arme streckst. Dabei drückst du die Schulterblätter gegen den Rumpf, um die Brust weit und gehoben zu halten. Mit weiterhin gebeugten Knien hebst du die Schienbeine in die Waagerechte, dann löst du die Hände von den Beinen und streckst die Arme auf Schulterhöhe nach vorn. Wenn möglich, streckst du auch die Beine und bleibst 5 Atemzüge lang in der Haltung.

6. Purvottanasana, umgedrehtes BrettBrett rückwärts Stand Yogaworld

Aus der Stabhaltung setzt du die Hände ungefähr 15 Zentimeter weiter nach hinten und streckst die Arme, um dich vom Boden abzudrücken. Beuge die Beine etwas, so dass du die Füße in Verlängerung der Hüften aufsetzen kannst. Mit einer Einatmung hebst du Sitzfläche und Rumpf in das umgedrehte Brett. Das ist eine besonders wirkungsvolle Übung für die Körpermitte-Praxis. Strecke die Beine dabei noch nicht ganz durch. Dabei zeigen die Füße gerade nach vorn, sie schieben alle vier Ecken der Füße fest gegen den Boden und rollen die Oberschenkelinnenseiten Richtung Boden. Ziehe die Hüftknochen aktiv nach oben Richtung Nabel und strecke das Steißbein Richtung Kniekehlen. Dann senkst du die Sitzfläche wieder und ruhst dich kurz aus. Wiederhole die Übung wie beschrieben oder strecke beim zweiten Mal die Beine zum umgedrehten Brett. Wenn möglich, wechselst du alle 5 Atemzüge zwischen Boot und nach oben zeigendes Brett hin und her, insgesamt 3 bis 5 Mal.

7. Marichyasana III Drehsitz des Weisen Marichi III

Drehsitz Strand YogaworldAus der Stabhaltung beugst du das rechte Bein und stellst den rechten Fuß möglichst dicht vor den rechten Sitzknochen, ohne dass sich dabei die Position von linkem Bein und Becken verändert. Schiebe die oberen Oberschenkelansätze Richtung Boden. Mit einer Einatmung hebst du den linken Arm, ausatmend legst du ihn um das rechte Bein oder an dessen Außenseite. Während der nächsten Einatmung streckst du den Rumpf von den Sitzknochen bis durch den Scheitel in die Länge, mit der nächsten Ausatmung leitest du die Drehung nach rechts ein und setzt die rechte Hand hinter sich auf dem Boden oder einem Block auf. Mit jeder weiteren Einatmung bringst du wieder Länge in den gesamten Rumpf, während du dich ausatmend tiefer in die Drehung schmiegst. Nach etwa 8 Atemzügen wechselst du die Seiten.

8. Pashchimottanasana, Vorwärtsbeuge im Sitzen

sitzende Vorwärtsbeuge Strand Yogaworld

Hebe in der Stabhaltung beide Arme senkrecht nach oben. Halte die Arme neben den Ohren, wenn du den Oberkörper nun aus den Hüftgelenken heraus etwas nach vorn kippst. Drücke beide Oberschenkelansätze dicht bei den Leisten Richtung Boden und hebe den Nabel Richtung Wirbelsäule. Strecke den Rumpf lang nach vorn und halte dabei die Körpervorderseite so lang wie möglich, wenn du nun tiefer in die Vorwärtsbeuge gehst und die Hände um die Fußsohlen legst. (Falls das nicht möglich ist, verwende einen Gurt. Wenn der untere Rücken in dieser Haltung spannt, lege dich auf den Rücken und strecke die Beine nach oben, auch hier verwendest du einen um die Füße gelegten Gurt.) Achte in beiden Varianten darauf, den unteren Rücken in seiner natürlichen Wölbung zu halten. Nach etwa 8 Atemzügen legst du dich auf den Rücken und ziehst die Knie locker zur Brust.

Ausklang der Körpermitte-Praxis

Lockere zum Ausklang der Körpermitte-Praxis die gesamte Rumpfmuskulatur einige Minuten lang in der Rückenlage mit einem entspannt geübten Krokodil (Drehung in Rückenlage) nach beiden Seiten. Anschließend beendest du die Praxis mit 5 oder mehr Minuten in Savasana (Totenstellung).


Tiffany Russo hat diesen Artikel nicht nur verfasst, sie ließ sich für ihn auch am Strand von Los Angeles ablichten. Dort lebt und arbeitet sie als Yogalehrerin und -ausbilderin von Smart Flow Yoga.  

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