Yoga-Weisheiten für einen gelungenen Lebenswandel

Das neue Jahr hat gerade erst begonnen und du stehst gerade am Anfang von großen oder kleinen Veränderungen, die du in dein Leben einladen möchtest. Vielleicht hast du auch gerade erst mit einer regelmäßigen Yoga- und Meditations-Praxis begonnen. Wo du auch auf deinem Yogaweg bist, wenn du dir einen Lebenswandel wünscht oder vor einer großen Entscheidung stehst, helfen diese Yoga-Weisheiten.

Wie Yoga von innen nach außen kommt

Übst du regelmäßig Yoga, wirst du nach einer Weile bemerken, dass sich innere Verschiebungen auch Außen zeigen. Sie regen zum Nachdenken darüber an, wie du bestimmte Dinge in deinem Leben angehst. Vielleicht motivieren sie dich, dein Leben künftig anders zu gestalten. Regelmäßiges Yoga beschleunigt tendenziell die Art und Weise, wie sich deine Beziehungen und dein Lebensplan entwickeln. Anstatt also zehn Jahre lang in einem unbefriedigenden Job oder einer unglücklichen Beziehung festzuhängen, kann es sein, dass du das ganze Szenario nun innerhalb von zwei Jahren hinter dich bringst. Früher oder später stehen wir vor Entscheidungen stehen, die im Inneren ausgelöst werden und die unser Leben radikal umkrempeln können. Hast du dir eine regelmäßige Praxis geschaffen, lernst du an diesem Punkt, Yoga über den Matten-Rand hinweg und mitten ins Leben zu bringen. Die Lehre unterstützt dich dabei, diese Veränderungen zu nutzen um dein wahres Selbst zu enthüllen. Zudem hilft sie, die Angst und Verwirrung durchzustehen, die ein Lebenswandel meist mit sich bringt.

Mein treuer Freund, die Angst

Große Lebensveränderungen sind angsteinflößend. Besonders, wenn auch das Leben anderer Personen betroffen ist. Oder, wenn man nicht weiß, was einen hinterher erwartet. Allein wenn wir über eine Scheidung, einen Berufswechsel oder einen Umzug an das andere Ende des Landes nachdenken, können Existenzängste aufkommen. Diese zeigen sich oft ganz verschieden: als gesundheitliche Probleme, Albträume, Fluchtreaktionen, in übermäßigem Essen, anhaltender Unentschlossenheit oder in fluchthaften, unüberlegtem Handeln. Tatsächlich tauchen diese Ängste auch dann auf, wenn der Lebenswandel positiv ist. Studien zum Thema Stress zeigen: lebensbejahende Ereignisse wie Heirat, ein neuer Job oder eine langersehnte Chance sind ebenso stressig wie negative Veränderungen. Denk nur mal an eine Braut, die kurz vor der Zeremonie in Tränen aufgelöst zusammenbricht. Oder an einen jungen Mann, der ein vielversprechendes Stipendium in einer anderen Stadt sausen lässt, weil er seine Freunde zu Hause vermisst. Ob positive oder negative Veränderungen – sie sind mit Ängsten verbunden: Was, wenn ich andere Menschen damit verletze? Was, wenn ich die Entscheidung bereue? Diese Fragen schränken ein und lassen uns an schmerzhaften Situationen festhalten. So lange bis eine Kraft im Außen die Entscheidung für uns trifft. Yoga schenkt uns die Stärke und Einsicht, die wir bei einem entscheidenden Lebenswandel brauchen.

Ebenso wichtig wie die Yoga-Praxis sind hierfür einige yogische Grundsätze:

Das Wissen, dass wir die äußere Welt durch unsere innere Einstellung beeinflussen, dass hinter der Vielfalt des Lebens eine fundamentale Einheit liegt, dass große Kraft aus der Stille entspringt, und dass unser wahres Selbst nicht diese wandelbare, ängstliche, egobezogene Person ist, die wir manchmal zu sein scheinen.

Wende dich nach innen

An diesem Punkt wird deine Yoga-Praxis auf die Probe gestellt. Jetzt zeigt sich, wie sie dir in Zeiten des Lebenswandels dienen kann. Nicht falsch verstehen.. Die Yoga-Lehre wird dich nicht davor bewahren, dass du dich ängstlich, überfordert oder verwirrt fühlst. Aber du kannst sie nach Innen einladen, sie wie einen weisen Freund willkommen heißen, der dich durch diese Gefühle hindurch begleitet. So verlierst du dich nicht in ihnen. Vielleicht helfen dir die Weisheiten auch dabei, dass du dir mit Entscheidungen nicht so schwer tust. Im Laufe der Jahre habe ich die Angewohnheit entwickelt, mich in Zeiten des Umschwungs und der Verwirrung nach innen zu wenden und um Hilfe zu bitten. Meistens kommen dabei folgende Weisheiten ans Licht.


1. Wandel ist unvermeidbar

Die buddhistische Lehre der Vergänglichkeit, Anicca, vermittelt uns, dass alles im Wandel ist. Ständig. Wenn du das verinnerlichst, bewahrt dich das davor, in die Opferrolle zu schlüpen. Das, was die Buddhisten als Vergänglichkeit bezeichnen, ist bei den tantrischen Yogis die sich immer verändernden Natur von Shakti. Shakti ist die dynamische Kraft und weibliche Energie. Sie manifestiert Dinge, bewahrt sie für eine Weile auf und löst sie schließlich wieder auf. Alles um uns herum ist Teil dieses natürlichen Flusses von der Entstehung über die Erhaltung bis hin zur Auflösung. Dieser Fluss findet auf makrokosmischer Ebene statt: als Wechsel zwischen den Jahreszeiten, zwischen Ebbe und Flut oder den Tageszeiten. Ebenso gibt es ihn aber auch auf mikrokosmischer Ebene: als Veränderungen in unserem körperlichen Befinden, als gute und schlechte Zeiten in unserem Leben und als wechselnde Gedanken und Emotionen. Sobald du den Lebenswandel als selbstverständlich erkennst, wird es dir leichter fallen, der Veränderung zu begegnen, vielleicht sogar mit ihr zusammenzuarbeiten.

2. Sehe die Veränderung als Prozess der Initiierung

Früher war es Tradition, jede Lebensphase als Initiierung zu verstehen. Oft wurde das mit einer Zeremonie besiegelt. Es war sozusagen der Schritt ins Unbekannte. Auch heute gibt es noch Initiierungs-Erlebnisse. Vielleicht sogar noch häufiger, als damals: der Berufs-Wechsel, der Umzug in eine neue Stadt oder die Entscheidung, nochmal zu studieren. Sie fordern uns auf, alte Gewohnheiten aufzugeben, die eigenen Fähigkeiten zu prüfen und uns für einige Zeit ins Ungewisse zu begeben. Begleitet wirst du dabei von der Veränderung. Schreitest du von einer Situation in die nächste, wirst du danach nicht mehr dieselbe Person sein. Erlebe den Übergang bewusst und sehe ihn als Chance zu wachsen. Somit schaffst du eine tiefere Beziehung zu dir selbst und zu der Welt. Dass das alles andere als leicht ist, weiß ich. Und doch birgst es die Möglichkeit, dass du dich von einem überholten Selbstbild befreien kannst und einen neuen Weg findest, du selbst zu sein. Also: Sei offen für den Lebenswandel und erlaube ihm, deinen Horizont zu erweitern. Lerne mehr über dich selbst und verschiebe deine Grenzen. Je mehr du die Veränderung als Initiierungs-Prozess akzeptierst, desto eher erkennst du darin verborgene Geschenke.

3. Meditation hilft bei Ungewissheit

Die Ungewissheit ist wohl der erschreckendste Aspekt des Wandels. Veränderung können auch Überraschungen, Rückschläge, Fehlstarts und Einbahnstraßen mit sich bringen. Das wiederum führt zu Angst, Ärger, Reizbarkeit oder Trauer. Und oft gesellt sich hier noch Ungewissheit dazu. Der Bauch verkrampft sich. Der Geist verfängt sich in einer Opfer-Rolle und malt dir schon das Worst-Case-Szenario aus. Vielleicht befürchtest du, für etwas nicht gewachsen zu sein. Was folgt ist oft die Flucht aus der Situation: Handy raus, Fernseher an, die beste Freundin anrufen und jammern. Dabei führst der wahre Weg gegen die unangenehme Ungewissheit mittendurch. Lasse das Gefühl zu und akzeptiere das Unbehagen zunächst. Kein Widerstand. Keine Erwartungen. Je länger du in der Ungewissheit verweilst, desto natürlicher und effektiver lässt du den Wandel geschehen. Meditation kommt dir hier zur Hilfe. Du hast dir schon eine regelmäßige Praxis geschaffen? Super! Denn diese führt dich zu deiner inneren Mitte. Welche Meditations-Technik du übst, entscheidest du. Das kann auch eine Atem–Übung sein oder ein Mantra, das du mehrmals wiederholst. Wichtig ist nur, dass sie dir hilft, im Moment zu bleiben.

4. Finde deine tiefsten Sehnsüchte

Die Erforschung des Selbst, Atma Vichara, ist das Kernstück im yogischen Umgang mit Veränderungen. Dabei stellst du dir Fragen wie: „Was wünsche ich mir von dieser Situation?“ Oder: „Welches Ergebnis wäre für alle Beteiligten am besten?“ Immer, wenn dir eine Antwort kommt, schreibe sie auf. Sitze anschließend eine Weile, meditiere und beobachte deinen Atem. Lausche dem Lehrer in deinem Inneren. Welchen Rat gibt er dir? Vertraue darauf, dass er dir mitteilt was du tun sollst. Komme zu deinen Fragen zurück und schreibe auch diese Antwort auf – selbst wenn sie dir seltsam vorkommen. Lese dir dann alle Antworten durch und versuche, einen roten Faden zu erkennen. Findest du deine tiefste Sehnsucht, ist es einfacher, den ersten Schritt Richtung Lebenswandel zu gehen.

5. Setze starke Intentionen

Der nächste Schritt im Lebenswandel ist, sich ein Sankalpa zu überlegen. Das ist eine klar formulierte Aussage darüber, wie du handeln willst. Wenn du ein klares Sankalpa formulierst, sprichst du die Kraft hinter deinem eigenen Willen an und richtest deinen persönlichen Willen mit dem universellen aus. Hast du ein Gefühl dafür bekommen, wie du auf deine tiefste Sehnsucht zugreifst? Dann kannst du auch ein Sankalpa finden, das im Einklang mit deinen wahren Wünschen steht. Je mehr du damit auf deinen Herzenswunsch eingehst, desto wahrscheinlicher ist eine erfolgreiche Veränderung. Zu bedenken gilt: Das Sankalpa wird sich mit der Zeit und deinen verschiedenen Lebensphasen verändern. Egal zu welchen Zeitpunkt, deine Sankalpas sollten immer in der Gegenwartsform formuliert werden. Das klare Artikulieren deiner Aussage bringt das Ziel direkt in den gegenwärtigen Augenblick. Das verleiht dem Sankalpa die überzeugende Macht, dass dein erwünschtes Ergebnis nicht erst eintreffen muss, sondern bereits existiert.

6. Gehe jeden Schritt zu seiner Zeit aber bleib nicht stehen

Das Herz der Yoga-Praxis ist Abhyasa – das Bemühen, das zu erreichen, was du dir vorgenommen hast. Du bist entschlossen, etwas in deinem Leben zu verändern? Dann überlege dir, welche einzelnen Schritte du dafür gehen musst. Wende hier nochmal die Technik zur „Ergründung des Selbst“ an. Schmiede einen Plan. Denke nochmal alle Aspekte durch und finde mögliche Alternativen. Das nimmt dir die Ängste. Und nun kommen wir zum Handeln. Effektives Abhyasa im Lebenswandel bedeutet, einen Schritt nach dem anderen zu machen, um sich nicht überwältigt zu fühlen. Schnell wirst du merken, dass die ersten kleinen Schritte unweigerlich zu den nächsten führen. Daraus ergeben sich neue Möglichkeiten. Wichtig ist nur, nie stehen zu bleiben.

7. Übe das Loslassen

Eine positive Nebenerscheinungen an einer Veränderung ist aus yogischer Sicht die Möglichkeit, Vairagya zu praktizieren – das Loslassen. Loslassen der Vergangenheit. Das Aufgeben der Gewohnheiten. Es geht darum, Ängste, Schmerz, eine Beziehung oder einen Job loszulassen. Das heißt nicht, dass du Dinge auf eine brutale Weise aufgeben musst nur um den Wandel zu erzwingen. Erlaube dir, den Schmerz zu erleben oder die Angst zu fühlen. Atmen dann aus und stelle dir vor, dass du das, an dem du bisher festgehalten hast, zusammen mit dem Atem gehen lässt. Oder schicke es mit einem Mantra hinaus ins Universum. Mache das zu einem kleinen Ritual, bis du das Gefühl von Befreiung spürst. Denn genau das bringt Vairagya mit sich. Meiner Erfahrung nach kann alleine die Erinnerung daran loszulassen – Augenblick für Augenblick – der Schlüssel zu einem positiven und tiefen Wandel sein.


Titelbild: Elijah Hiett via Unsplash

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