Wie schaffe ich es, in Kontakt zu gehen und trotzdem bei mir zu bleiben?

Heute beantwortet Dr. Moon Hee Fischer die Frage: “Wie schaffe ich es, in Kontakt zu gehen und trotzdem bei mir zu bleiben?

“What hurts you, blesses you. Darkness is your candle.”

Rumi

Leider sind wir viel unfreier im Umgang mit anderen, als wir annehmen. Es liegt in der Natur des Menschen, eher misstrauisch, vorsichtig und verschlossen als vertrauensvoll und offen zu sein. Und schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit und die Schnelllebigkeit der heutigen Gesellschaft tun ihr übriges.

Egal wie offen wir erscheinen, laufen wir mit einem eingebauten Schutzmechanismus durch das Leben. Wir alle haben Angst verletzt, nicht verstanden oder sogar abgelehnt zu werden. Das führt dazu, dass wir uns kleiner machen, als wir sind und uns ungewollt zurücknehmen, und zugleich befürchten wir, zu kurz zukommen, und fühlen uns schnell ausgenutzt. Selbstzweifel gepaart mit Perfektionsdruck: “Bin ich gut genug? Wie kann ich all dem gerecht werden?” und die Haltung: “Mit mir nicht!” oder “Am Arsch vorbei ist auch ein Weg” verursachen ein Wechselbad der Gefühle. Dort wo Nähe sein soll, herrscht Distanz – zu sich selbst und zu anderen.

In Kontakt gehen bedeutet, Distanzen zu überwinden, und das ist nur möglich, wenn wir ganz bei uns selbst sind. Sind wir ganz bei uns selbst, sind wir zugleich auch beim Anderen. Denn wer er Selbst ist, ist wahrhaftig. Und was wahrhaftig ist, kann nicht verloren gehen. Ohne Angst – um uns selbst – können wir Nähe zulassen. Das reine Sein rechnet nicht auf und vergleicht nicht. Es ist einfach. Mal gibt es und verliert; mal gibt es und gewinnt.

Ist und Sein, kurz das Selbst, gewinnen – im Gegensatz zum Ich – durch Mut zum Verlust. Lest diesen Satz ruhig nochmal. Alle Verlustängste hängen am Ich. Es ist das Ich, welches glaubt, sich abgrenzen und behaupten zu müssen, um zu sein. In der Aufgabe des Ichs fängt wahrer Kontakt an bzw. ist Begegnung erst möglich. Begegnung geschieht immer dort, wo ein ausgeliefert sein – ein Sich-selbst-verschenken – stattfindet. Indem wir uns selbst verschenken und uns nicht zurückhalten, begegnen wir einander.

Obwohl wir uns alle nach aufrichtigen und wahren Begegnungen sehnen, halten wir unnachgiebig an unseren Schutzmauern fest. Aber Schutzmauern schützen nicht, sondern trennen! Und alles, was trennt, macht einsam. Werden wir uns bewusst, dass wir uns dadurch selbst verletzen. Die eigentliche Gefahr kommt nicht von Außen, sondern lauert im Inneren. Wir haben unsere Herzen weggesperrt und eingemauert. Das Resultat ist Kopflastigkeit. Die moderne Welt leidet an Herzlosigkeit. Seien wir mal ehrlich: Wie weit sind wir mit unseren Schutzmauern in dieser Welt gekommen? Herzlos leben wir ein innerlich einsames, von uns selbst und der Welt getrenntes Leben, voller Ängste und Misstrauen.

Es ist essentiell und existentiell, dass wir eine ganz wichtige Sache verstehen: Das Einzige, was uns wirklich schützt, ist unser Herz! Nicht wir müssen unser Herz beschützen – es ist unser Herz, das uns beschützt! Denn es ist das Herz, das uns sagt, was richtig oder falsch ist; was wir fühlen sollen oder nicht; wie wir handeln sollen oder nicht; und wem wir vertrauen können oder nicht. Alle Stärke und Weisheit kommt aus dem Herzen und nicht aus unserem Verstand. Was nützt uns ein Herz im Safe liegend, wie ein schönes Schmuckstück, das wir aus Angst vor Schaden uns zu tragen und zu zeigen nicht trauen? Begegnungen sind Herzensangelegenheit und dafür braucht es Entfaltung und Austausch mit anderen. Indem ich mein Herz verschenke, bleibe ich stets bei mir selbst. Der Weg des Herzens und des Miteinanders liegt im Gewinn durch Verlust.

Noch mehr Satsang-Fragen und Antworten von Moon Hee findest du hier.


Satsang

Dr. Moon Hee Fischer ist promovierte Religionsphilosophin und arbeitet im Bereich der alternativen Heilung.

Ihre Schwerpunkte sind mediale Supervision und “Der Weg des Friedens.” Ihre Verknüpfung “spirituelle Medialität und wissenschaftlicher Anspruch” eröffnet nicht nur neue, interessante Ansätze für ein ganzheitliches Bewusstsein, sondern betont vor allem die Fähigkeit der Offenheit und das Mit- und Füreinander – “denn nichts existiert unabhängig voneinander.”


Titelbild: Bence Halmosi via unsplash

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