Yogabekenntnisse einer Insiderin

Dieses Buch will mein Leben nicht verändern. Was schon mal wahnsinnig angenehm ist für ein Yogabuch. Eine irre Entspannung. Der Text ist eher wie die viel beschworene Nackenmassage nach einer Jivamukti-Stunde. Fühlt sich toll an, geht vorüber und hinterlässt ein angenehmes Gefühl. Man könnte auch sagen, „Alle sind erleuchtet“ gleicht einer der rasanten Fahrradfahrten der Autorin durch diverse Großstadt-Parks. Wir spüren den Fahrtwind, die pure Geschwindigkeit macht riesig Spaß. Bei der Reise durch die aktuelle Yogaszene und die der letzten 15 Jahre in mindestens drei Ländern fliegen die Haare. Wir legen uns in die Kurve in New York, in London geht es mitunter bergauf, in Berlin geht es dann vor allem leicht voran. Dieser Spaß an der Schnelligkeit der Sprache, an der Spontanität der Einfälle, an der eigenen Schlagfertigkeit steht im allerschönsten Kontrast zu manch anderen Auskünften über Yoga. Den einen oder anderen Artikel in Yogazeitschriften durchaus mit eingeschlossen. Bei Kristin Rübesamen ist nichts betulich, esoterisch, peinlich. Keine Bekehrung, keine Belehrung in Sicht, keine Erweckung gefordert, keine aufdringliche Sinnsuche bei der Sinnsuche. Hier hat jemand eine erfrischende und neue Sprache zur Beschreibung der Yogawelt gefunden. Natürlich ist „Alle sind erleuchtet“ ein Entwicklungsroman und irgendwie ein Bilanzbuch. Auch spürt der Leser deutlich das „time of my life“-Gefühl am Anfang in New York. Aber es geht eben immer flott weiter.Die Szene wird sich wieder erkennen. Alle Stars sind dabei. Alle wichtigen Spielorte kommen vor. Das Milieu wird wunderbar genau beschrieben, nichts ist erfunden. Wir befinden uns mitsamt unserer Yogafamilie im Wohnzimmer und im Studio. Wir können also mitreden. Das Besondere ist jedoch weder eine nachträgliche kritische Distanziertheit noch die Analyse dieser Verhältnisse, die tatsächlich oft nervt weil sie so gewollt daher kommt. Vielmehr ist es der Humor und das Bekenntnis, immer wieder unbedingt mitmachen zu wollen. Kristin Rübesamen ist eben ein Familienmensch.

Es ist außerdem die Sympathie mit den großen und kleinen Fehlern im System und mit den Menschen, die das Buch bestimmt. Manchmal wäre ich viel, viel deutlicher geworden mit einer Ablehnung, mit Kritik und sogar mit dem Verdammen bestimmter Entwicklungen im Yoga. An einigen Stellen dachte ich fast ungeduldig, da müsste man doch jetzt einmal endlich diesen Leuten… die Meinung…! Ob das fruchtbarer wäre für den Leser? Man ist der Autorin dankbar für die pointierte Beschreibung und nicht für ständige Aufklärung. Viele Lehrer und Schüler werden die Kritik und Selbstkritik trotzdem verstehen und auch über sich lachen können.

Das heißt nicht, dass das Buch nicht ausreichend ernste Absätze bietet. Jeder darf überlegen wie asozial oder wie egoistisch er durch Yoga wird; oder auch nur wie langweilig. „Wer durch Yoga gerettet werden will, wird bitter enttäuscht werden. Yoga kann viel, aber nicht alles“, schreibt die Autorin. Und deswegen will uns auch dieses Buch nicht retten. Iyengar wird zitiert, damit wir nicht vergessen: „Der Verstand muss schwitzen, und zwar zu 100 Prozent.“ Sich weder das eigene Denken vor lauter Ehrfurcht oder aus Bequemlichkeit, noch das Lachen vor lauter Ernsthaftigkeit im Yoga abgewöhnen lassen – Das ist die Botschaft.

 

 Michi Kern

„Alle sind erleuchtet“ von Kristin Rübesamen (Berlin Verlag, 19,95 Euro)

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