Heute beantwortet Dr. Moon Hee Fischer die Frage: “Wie kann ich als Vorgesetzter die Verantwortung für alles tragen und gleichzeitig mehr Selbständigkeit von den Mitarbeiter*innen fordern?”
Jan: Ich leite ein Team in einem Labor mit 8 Mitarbeiter*innen und werde ständig um Rat gefragt. Wenn ich mich nicht auskenne, dann gebe ich das offen zu. Die Mitarbeiter*innen meiden aber jegliche Verantwortung und möchten, dass ich alle Entscheidungen treffe, und kommen immer wieder mit denselben Fragen auf mich zu. Wie kann ich als Vorgesetzter die Verantwortung für alles tragen und gleichzeitig zu mehr Selbständigkeit bei den Mitarbeiter*innen fordern?
Menschen lernen durch Wiederholung und Nachahmung. Deshalb sind Vorbilder so
wichtig. Menschen zu führen oder anzuleiten ist gleichermaßen bereichernd wie
herausfordernd. Diese Erfahrung machen wir alle und meines Erachtens besonders die
Eltern. Firmen oder Teams verhalten sich wie Familien. Es gibt gute Familien und
schlechte. Mal herrscht eitler Sonnenschein, mal gibt es Unstimmigkeiten und
Reibereien. Dort wo Menschen sind, geschieht gern Unerwartetes. Und das ist gut so, weil wir uns allzu gerne in starren Konzepten und Systemen bewegen. Menschen sind keine geschlossenen Systeme und möchten auch nicht als solche betrachtet oder behandelt werden. Eine Familie oder ein Verbund funktioniert am besten, wenn man als “Familienoberhaupt” nicht außerhalb bzw. über ihr steht, sondern als gleichwertiger Part mit ihr gemeinsam wächst. Dabei zahlen sich Geduld und Offenheit früher oder später aus.
Verantwortung und Selbständigkeit sind korrelativ. Verantwortung ohne
Selbständigkeit kann es nicht geben, wie umgekehrt. Menschen meiden Verantwortung und Selbständigkeit aus Angst, Fehler zu machen und zu versagen. Kurz: Sie fühlen sich dem nicht gewachsen. Bequemlichkeit oder Sturheit ist eine Haltung sich dieser Belastung erst gar nicht auszusetzen. Was dann tun als Chef? Wie motiviere ich? In einer Familie gibt man dem ängstlichen oder bockigen Kind Raum und Sicherheit zur Entfaltung. Aber wir können es auch nicht jedem recht machen; manche sind unbelehrbar oder verschlossen. Es wird immer Menschen geben, die wir nicht erreichen. In der Arbeitswelt muss man diese einfach weiterziehen lassen.
Sicherlich würden Führungskräfte sich mit ihrer Arbeit etwas leichter tun, wenn sie ihre
Angestellten und Mitarbeiter als Schutzbefohlene und Familienmitglieder ansehen. Und
wenn man mit Familie nichts am Hut an, dann greift ein allgemein abgeleitetes ethisches
Prinzip ganz gut: Handle so, wie du selbst behandelt werden möchtest und zwar immer neu, gemäß der Situation und der Problemstellung.
Wenn auch du eine Frage loswerden willst, schreibe einfach eine Email an redaktion@yogaworld.de.
Ich freue mich auf eure Fragen, die ich sehr gerne – so weit es mir möglich ist – beantworten werde. Meine Antworten haben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Mir ist es durchaus bewusst, dass manche Fragen eine ausführlichere Beantwortung verdient hätten, vor allem die persönlicheren. Ich bitte euch um Verständnis, dass das hier in diesem Rahmen nur bedingt möglich ist. Sollten Fragen offen bleiben, dann einfach noch einmal fragen oder mich persönlichen kontaktieren.
Dr. Moon Hee Fischer ist promovierte Religionsphilosophin und arbeitet im Bereich der alternativen Heilung. Ihre Schwerpunkte sind mediale Supervision und „Der Weg des Friedens„. Ihre Verknüpfung „spirituelle Medialität und wissenschaftlicher Anspruch“ eröffnet nicht nur neue, interessante Ansätze für ein ganzheitliches Bewusstsein, sondern betont vor allem die Fähigkeit der Offenheit und das Mit- und Füreinander – “denn nichts existiert unabhängig voneinander”. // Titelbild: Brooke Lark via unsplash