Asana im Fokus: Bakasana

Herleitung: Bakasana → Baka = Kranich,  Asana = Haltung

Häufig ist es die Angst vor Versagen, die einen daran hindert, etwas zu wagen. Im Kranich könnte Versagen bedeuten, im wahrsten Sinne des Wortes auf die Nase zu fallen. Allzu sicher mit den Füßen am Boden üben oder sich kopflos ins Risiko stürzen? Es gibt auch einen guten Mittelweg: Wenn man achtsam, aber entschlossen vorgeht und Schritt für Schritt Kraft und Selbstvertrauen aufbaut, kann man früher oder später erleben, wie toll es sich anfühlt, wenn man seine bisherigen Grenzen verschiebt. Verlässt man nämlich erst einmal die vertraute Komfortzone, wird man sehr häufig erkennen, dass man mehr Potenzial hat als gedacht. Spielerisch an der Kippe zwischen Bewegungslosigkeit und freiem Fall balancierend kann man sich womöglich auch etwas besser kennenlernen. Das kann nicht nur eine Inspiration für mehr Mut zu Veränderungen im Leben sein, es motiviert auch andere, Ängste und selbst verordnete Beschränkungen zu überwinden.

Bakasana_Kranich_Yoga_Journal
Der untere Bauch ist nach oben und innen gezogen. Die Knie sind dicht an die Achseln geschoben. Die Arme sind gestreckt.

Der Kranich gilt in Asien als ein Symbol für Jugend und Glück. In China steht er zudem für ein langes Leben. Bakasana, die Kranichhaltung, verkörpert diese drei Begriffe gleichermaßen: Die Haltung einzunehmen, erfordert spielerischen, jugendlichen Schwung und Selbstvertrauen. Wenn man dann erst einmal sicher im Gleichgewicht auf den Händen balanciert, wird man ein Gefühl von glücklicher Leichtigkeit empfinden. Und der außergewöhnliche Spaßfaktor der Haltung erhält Sie sicher noch lange jung.
Die klassische Variante des Kranich wird mit gestreckten Armen und an die Achseln geschobenen Knien geübt, dabei steht das Gesäß möglichst weit oben. Verbreiteter ist eine etwas einfachere Variante, Kakasana, die Krähe, bei der die Arme gebeugt bleiben und die Knie an der Außenseite der Oberarme liegen. Wir werden uns hier dem Kranich widmen.

Der erste Trick, um diese dynamische armgestützte Gleich­gewichtshaltung zu meistern, ist der Atem: Mit ihm begegnet man der unwillkürlichen Angst, aufs Gesicht zu fallen – und überwindet sie. Zweitens muss man eine kräftige und verlässliche Bauchmuskulatur aufbauen. Sie ermöglicht es, die Knie bis hoch zu den Achseln zu ziehen, sie erzeugt Auftrieb, nimmt Druck von den Handgelenken und macht die Haltung schwerelos. Dazu übt man regelmäßig entspre­chende Asanas wie die Bretthaltung, das seitliche Brett und Navasana (Boot). Der dritte Faktor sind starke Schultern, Arme und Hände, denn sie tragen hier das gesamte Körpergewicht. Kraft in Armen und Schultern baut man auf mit Übungen wie Virabhadrasana I und II (Kriegerhaltung I und II), wo man die Arme statisch halten muss, oder mit Chaturanga Dandasana (Vier-Glieder-Haltung).

Während Sie daran arbeiten, diese Kraft aufzubauen, können Sie schon mit den in Schritt 1 und 2 gezeigten vorbereitenden Haltungen beginnen. Sie mobilisieren die Hüftgelenke und gewöhnen Sie körperlich und mental allmählich daran, sich kontrolliert nach vorne und oben in Bakasana abzustoßen.

Malasana_Variation_Yoga_Journal Die erste vorbereitende Haltung ist eine Variation von Malasana (Girlande), eine tiefe Hocke, die die Gesäßmuskeln dehnt und mit der Zeit eine vollständige Beugung in den Hüftgelenken erzeugt. Denn um die Knie bis an die Achseln ziehen zu können, braucht man nicht nur einen starken Bauch, sondern auch bewegliche Hüftgelenke.

 

Bakasana_Variation_Yoga_JournalSobald Sie sich mit den Knien nahe der Achseln wohlfühlen, beginnen Sie mit dem zweiten Schritt, einer Variante des Kranichs, bei der die Füße noch am Boden bleiben. Hier gewöhnen Sie sich an die Vorstellung, nach vorne zu kippen und auf Händen und Armen zu balancieren. Ein auf die breite oder schmale Seite gestellter Block stützt den Kopf, während Sie sich vorsichtig nach vorne lehnen und abwechselnd die Füße vom Boden lösen. Mit etwas Übung brauchen Sie den Block dann immer weniger und können sich aus der Kraft von Bauch und Armen selbst im Kranich halten.

Nicht vergessen: Achtsame, kontrollierte Bewegung ist der Schlüssel. Man kann sich nicht einfach nach vorne werfen und hoffen, in der Haltung dann irgendwie ins Gleichgewicht zu finden. Statt dessen muss auch der gesamte Übergang schon in der Balance gehalten sein. Der Block hilft dabei, diesen Übergang einzuüben, ohne dem Impuls nachzugeben, mit Schwung zu arbeiten und dann womöglich vornüber zu kippen.

Wenn Sie dann mit dem klassischen Kranich beginnen, sollten Sie sich vergegenwärtigen, dass Fallen nicht schlimm ist. Der Boden ist nicht weit und fast niemand schafft die volle Haltung gleich beim ersten Anlauf. Geben Sie einfach Ihr Bestes und üben Sie weiter.


Die Autorin Beryl Bender-Birch hat verschiedene Yogabücher verfasst. Auf Deutsch erhältlich sind „Power Yoga“ (Knaur 1999) und „Power Yoga. Fit für das Leben von heute“ (Scherz 1996). Sie unterrichtet seit fast 40 Jahren Yoga und Meditation.

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