Das Leben ist kein Wettkampf. Es ist eine Reise, genau wie Yoga.
Obwohl sie durch die von Yoga unterstützte Umstellung ihrer Ernährung 14 Kilo verlor, hat Dayna Macy keine neue „Yoga-Diät“ erfunden. In Ihrem Buch “Ravenouse”erzählt sie fern von Selbstoptimierung und Anpassung an körperliche Standards eine Geschichte von größerem Genuss durch Selbst-Erkenntnis.
Dayna, du bist eine vielfach publizierte Autorin, leidenschaftliche Köchin und Feinschmeckerin, außerdem eine erfahrene Yogini. Was hat dich motiviert, diese Erfahrungen in deinem Buch zusammen zu fassen?
Dieses Buch ist meine Lebensgeschichte. Ich schreibe über Dinge, die mir persönlich wichtig sind, mit denen ich kämpfe und die ich liebe. Ich habe jahrelang mit meinem Gewicht gekämpft und liebe Essen und Yoga. Diese Leitlinien in meinem Leben habe ich verknüpft, um die Geschichte einer Heilung zu erzählen.
Kann „Ravenous“ als Vorschlag für eine „Yoga-Diät“ verstanden werden?
Das Wort „Diät“ kommt an keiner Stelle vor. Für mich bedeutet es etwas zu Temporäres: Man beginnt eine Diät und hört wieder damit auf – als ob man einen Schalter drückt. Dieses „Alles oder Nichts“-Konzept hat nichts mit dem richtigen Leben zu tun. Es basiert auf einer irreführenden Vorstellung von Perfektion: Wenn ich mich so oder so ernähre, werde ich gewinnen. Aber worin soll dieser Gewinn bestehen? Erst als ich begann, die sehr amerikanischen Auffassungen von „Diät“ und „Willenskraft“ mit der Idee von Essen als „Praxis“ zu ersetzten, hat sich meine Situation verändert. Das Leben ist kein Wettkampf. Es ist eine Reise, genau wie Yoga. Ein Weg, den man beschreitet, um herauszufinden wer man ist – in dem Körper, in dem man sich nun mal befindet.
Welche persönliche Praxis hat sich daraus für dich entwickelt?
Ich wiege meine Mahlzeiten ab und dokumentiere sie in einem Tagebuch. Die Methode habe ich nicht erfunden, sie ist Bestandteile vieler Programme zur Gewichtsreduzierung. Für mich besteht der Unterschied darin, dass sich daraus grundlegende Fragen ergeben haben: „Wie viel ist genug?“ „Kann ich lernen, mit weniger zufrieden zu sein?“ Und schließlich: „Was bedeutet es wirklich, genährt zu sein?“
Hingabe an die sinnliche Wahrnehmung ist ein Teil des Yogawegs und umfasst sicher auch die Wertschätzung von Nahrungsmitteln. Der Grat zwischen Genuss und dem Schaden von Körper und Geist kann allerdings sehr schmal sein. Wo und wie hast du deine persönliche Grenze gefunden?
Eine interessante und schwierige Frage. Ich bin von Natur aus eine Genießerin, also musste ich das mit einbeziehen. Die Lösung für mich bestand darin, meine Auffassung einer „Portion“ neu zu definieren. Aber innerhalb dieser Grenzen, die ich mir selbst gesetzt habe, erlaube ich mir, jeden Bissen zu genießen, auch das gelegentliche Stück Schokoladenkuchen. Es wirkt paradox, aber um mich zu befreien, musste ich erst die entsprechenden Grenzen ausloten.
In „Ravenous“ (deutsch: ausgehungert) spielst du mit mehreren Bedeutungen des Begriffs „Hunger“. In welcher Beziehung stehen für dich Hunger und Befriedigung – in körperlicher wie auch in spiritueller Hinsicht?
Als ich endlich bereit war, körperlich richtig hungrig zu werden, erkannte ich, dass es kein physischer Hunger war, der mir Angst machte, sondern emotionaler und spiritueller Mangel. Den kann keine noch so große Menge Essen befriedigen. Für uns Menschen ist es lebenswichtig, unseren Platz in der Welt zu erkennen und wahrgenommen zu werden. Mein Weg dorthin geht über das Schreiben und die Musik. Interessanterweise habe ich während des Verfassens von „Ravenous“ weniger Hunger als üblich gehabt.
Warum kann Essen überhaupt so viel Erinnerung, Prägung, Leidenschaft, Besessenheit und Trost hervorrufen? Und warum kann es so viel von unserem Innenleben verdecken? Nahrungsmittel wie Schokolade, Oliven und Käse, denen ich seit meiner Kindheit verfallen bin, fühlten sich für mich seit jeher wie eine Umarmung, wie Liebe an. Sie gaben mir in meiner chaotischen Kindheit Stabilität. Ich habe jedoch gelernt, dass sie keine emotionale Größe sind – sie sind einfach Essen. Das eine kann nicht mit dem anderen ersetzt werden. Heute kann ich sie gelegentlich genießen – als wohlschmeckenden Snack, nicht als Geliebten, Mutter oder einen verlorenen Freund.
Wäre dieser Weg zu mehr Balance im Leben ohne Yoga möglich gewesen?
Vielleicht schon, aber Yoga ist mein persönlicher spiritueller Weg. Wenn man ihn eine Weile lang übt, erkennt man, dass der Körper seine wahren Bedürfnisse sehr direkt ausdrücken kann. Yoga zwingt uns regelrecht, inne zu halten und lehrt uns Aufmerksamkeit für den Körper und den Atem. Für andere Menschen kann es aber auch Meditation, Kochen oder Gartenarbeit sein. Alles kann zur Praxis werden, wenn es uns zu unserer eigenen Authentizität führt.
Im Kapitel „Slaughter“ („Schlachtung“) besuchst du eine Bio-Rinderfarm und gibst direkten Einblick in die Voraussetzungen des Fleischkonsums. Hierauf folgt ein Salatrezept mit Steak als optionaler Zugabe. Warum ist dir dieses Kapitel wichtig gewesen?
Ich weiß, dass es heldenhafter gewesen wäre, direkt nach dem Beobachten der Schlachtung zur Vegetarierin zu werden. Dies ist aber nicht passiert. Was passierte, ist, dass ich unendlich traurig war und erkannte, dass der Konsum von Fleisch eine folgenschwere Entscheidung ist, die man sich niemals leicht machen sollte. Dennoch hat sich einiges für mich geändert. Ich esse wesentlich weniger Fleisch, und wenn ich es tue, achte ich sorgfältig auf seinen Ursprung und konsumiere es mit Dankbarkeit und Bewusstsein. Vielleicht werde ich es eines Tages komplett darauf verzichten, aber da ich derzeit keine konsequente Vegetarierin bin, wollte ich nicht lügen und in meinem Buch vorgeben, eine zu sein.
Hier geht´s zur Homepage von Dayna Macy: www.daynamacy.com