Häufiger als man denkt, ist eine nicht zentrierte Kniescheibe die Ursache für Beschwerden. Nur wenn die Kniescheibe mittig in ihrem Gleitlager sitzt und von den Faszien gut geführt wird, kann sich das Knie leicht bewegen. Wieso sollte dieser unscheinbare aber wichtige Knochen wie auf einem Seil tanzen? Dr. Ronald Steiner erklärt die Anatomie der Kniescheibe.
Wenn ein Knie schmerzt und jeder Schritt einer zu viel scheint, haben viele Menschen sofort den Meniskus in Verdacht. Die Rolle der Kniescheibe wird häufig übersehen. Zu Unrecht, denn häufig liegt die Ursache für Beschwerden in einem gestörten Gleichgewicht der Kniescheibenführung. Dieses Gleichgewicht lässt sich durch gezielte Übungen wiederherstellen. So verschwinden die Beschwerden in vielen Fällen überraschend schnell.
Die Anatomie der Kniescheibe
Die Kniescheibe (Patella) ist in eine Sehne eingebettet. Sie leitet die Kraft des Oberschenkelmuskels zum Schienbein. Steht das Knie gerade, so ist die Kniescheibe lediglich in die Sehne eingespannt (Abbildung 1). Beim Beugen des Kniegelenks lenkt die Kniescheibe die Kraft über das Ende des Oberschenkelknochens um. Je spitzer dabei der Winkel ist, desto größer wird die bei der Umlenkung entstehende Kraft (Abbildung 2). Schon bei einer Kniebeuge kann die Kniescheibe mit doppeltem Körpergewicht ins Sehnen-Knorpel-Gleitlager gedrückt werden.
Bei Übungen mit Gewicht entsteht sogar ein Vielfaches dieser Kraft. Daher hat die Natur die Kniescheibe und die Sehne für hohe Belastungen ausgelegt. Mit 4 Millimetern ist hier eine der dicksten Knorpelschichten des Körpers. Dennoch reicht dieser Knorpel alleine nicht aus. Wie so oft in der menschlichen Anatomie wird auch hier Druck in Zugkraft umgewandelt, um Überbelastung zu vermeiden.
Die Zentrierung der Kniescheibe
Entscheidend ist dabei die Zentrierung der Kniescheibe. Das Gleitlager ist V-förmig eingekerbt. In dieser Kerbe halten Faszien die Patella. Wenn das gut funktioniert, dann schwebt sie selbst bei hoher Belastung über ihrem Gleitlager. Genau wie ein Seiltänzer über dem Boden schwebt, wenn das Seil die richtige Spannung hat (Abbildung 3).
Ist die Zentrierung dagegen gestört, entsteht ein sehr hoher Druck auf dem Knorpel zwischen der Kniescheibe und der Gleitrinne am Oberschenkel (Abbildung 4). Und wo immer wieder Druck entsteht, sind Beschwerden nur eine Frage der Zeit. Die häufigste Ursache für Kniebeschwerden sind deshalb nicht Meniskusschäden. Vielmehr hängen die Schmerzen sehr oft mit dem Aufhängungs- und Druckumwandlungsmechanismus der Kniescheibe zusammen.
Symptome einer nicht zentrierten Kniescheibe
Typische Symptome sind dann Schmerzen unter der Kniescheibe. Sie treten vor allem beim Bergauf- oder Bergabgehen auf. Manchmal knirscht es buchstäblich unter der Patella. Zudem können sich die Muskel- und Sehnenansätze an der Kniescheibe oder am Schienbein entzünden. Denn auch sie verlieren ihren optimalen Winkel, sobald die Kniescheibe nicht richtig zentriert ist. Das zeigt, wie wichtig die Ausrichtung dieses unscheinbaren kleinen Knochens ist.
Mit den diesen Übungen für gesunde Kniescheiben bekommst du ein gutes Gefühl für die Anatomie der Kniescheibe.
Dr. Ronald Steiner ist Arzt für Sportmedizin und zählt zu den bekanntesten Praktikern des Ashtanga Yoga. Die von ihm begründete AYInnovation®-Methode baut eine Brücke zwischen der Tradition und progressiver Wissenschaft. Zwischen präziser Technik und praktischer Erfahrung. Mehr Infos unter www.AshtangaYoga.info
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