Bei Kopf- oder Handstand verlassen wir uns häufig auf den Halt einer Wand, aber eigentlich ist sie für andere Asanas noch viel sinnvoller: Sie gibt dir Orientierung für ein gutes Alignment, schenkt dir ein Gespür für Stabilität und Erdung und hilft dir so, deine Praxis zu verfeinern und zu vertiefen.
Übungen: Cherryl Duncan / Fotos: Nick Karvounis
Yoga an der Wand – 9 Self-Assists für mehr Halt
1. UTTHITA TRIKONASANA – Gestrecktes Dreieck

Effekt: Die Wand im Rücken hilft dir, den Oberkörper in einer Fläche mit den Beinen auszurichten, anstatt in der Seitbeuge mit den Schultern nach vorne auszuweichen.
So geht’s: Du beginnst in einer Schrittstellung mit dem Rücken zur Wand. Der vordere Fuß steht parallel zur und dicht vor der Wand, der hintere quer dazu oder leicht schräg nach vorn eingedreht. Aktiviere beide Füße und Beine, blockiere dabei aber nicht in den Knien. Aus dieser stabilen Basis heraus neigst du nun den Oberkörper lang gestreckt zum vorderen Bein. Gehe nur so tief, wie der Oberkörper lang gestreckt und parallel zur Wand bleiben kann. Entsprechend legst du die Hand ans Knie, Schienbein oder den Knöchel. Die obere Hüfte darf etwas nach vorne ausweichen, Po, Schultern und Arme berühren die Wand. Spüre ihren Halt, ohne dich dabei komplett anzulehnen. Du stehst aus deiner eigenen Kraft und wächst in alle Richtungen. Anschließend richtest du dich aus der Kraft der Beine wieder behutsam auf und wechselst zur anderen Seite.
2. UTTANASANA – Stehende Vorwärtsbeuge Variation

Effekt: In dieser Variante vertiefst du dank der stützenden Wand die Dehnung deiner Körperrückseite. Das verhilft dir insgesamt zu mehr Flexibilität, zugleich erfährst du in der ungewohnten Kopfüber-Perspektive ein Gefühl von Erdung und Stabilität.
So geht’s: Du beginnst mit dem Gesicht zur Wand. Die Füße stehen etwa hüftbreit und du legst die Hände auf Schulterhöhe an die Mauer. Beuge dich dann aus den Hüftgelenken nach vorn und trete mit den Füßen so weit zurück und wieder zur Wand hin, dass du deinen oberen Rücken mühelos gegen die Fläche schieben kannst. Deine Hände wandern während diesem Übergang an der Wand entlang nach unten. Sobald du sicher stehst, führst du die Arme hinter dem Körper nach oben und legst sie an die Wand. Aktiviere Oberschenkel und Bauch für mehr Stabilität, der Kopf darf schwer nach unten hängen. Um die Haltung aufzulösen, senkst du zuerst die Arme, machst dann einen Schritt weg von der Wand, beugst die Knie etwas und stützt dich mit den Händen ab, um dich aufzurichten.
3. PARIVRITTA HASTA PADANGUSHTHASANA – Gedrehte Hand-zum-Zeh-Haltung Variation

Effekt: Anders als bei der klassischen Haltung hältst du hier den gehobenen Fuß nicht mit der Hand, sondern stützt ihn an die Wand. So erfährst du viel Stabilität und kannst dich auf Länge in der Wirbelsäule und eine harmonische Ausrichtung in der Drehung konzentrieren.
So geht’s: Du stehst mit dem Gesicht zur Wand. Hebe dein rechtes Bein und schiebe den Fuß fest gegen die Mauer. Das gehobene Bein muss nicht gestreckt und auch nicht hüfthoch sein, achte aber darauf, das Standbein aktiv zu halten und das Becken über dem Standfuß auszurichten (anstatt dich nach vorn zu lehnen). Hebe beide Arme über die Seiten in die Senkrechte und stabilisiere dich einen Moment in diesem aufrecht gestreckten Stehen. Dann senkst du die Arme mit einer Ausatmung auf Schulterhöhe und drehst dich zugleich nach rechts. Der gehobene Fuß schiebt weiter fest gegen die Wand und hält das Becken parallel zu dieser Fläche. Die Rumpfmuskulatur arbeitet daran, dich aufzurichten, zu drehen und zu stabilisieren, der Blick geht sanft über die rechte Schulter. Mit einer Einatmung hebst du die Arme wieder und löst die Drehung auf, dann wechselst du zur zweiten Seite.
4. PARIVRITTA ARDHA CHANDRASANA – Gedrehter Halbmond

Effekt: Der hintere Fuß an der Wand gibt dir Orientierung im Raum und bewirkt so ein klareres Alignment. Gleichzeitig schenkt er dir mehr Balance und unterstützt dich dabei, in eine tiefe, harmonische Drehung zu finden.
So geht’s: Setze dich zunächst mit Rücken und Becken dicht vor die Wand und strecke die Beine lang nach vorne aus, um den idealen Abstand auszumessen. Da, wo im Sitzen deine Fersen liegen, stellst du nun deine Füße hin, der Rücken zeigt dabei zur Wand. Stehe aufrecht und stabil in Tadasana, bevor du dein Gewicht auf den linken Fuß verlagerst und dich aus den Hüftgelenken nach vorn beugst. Gleichzeitig hebst du das rechte Bein und legst den Fuß an die Wand. Schiebe ihn fest gegen diesen Halt und stabilisiere dich aus der Kraft von Beinen und Rumpf (3. Heldenhaltung). Dann legst du die rechte Hand unterhalb der Schulter auf den Boden oder einen Block und wendest deine Brust nach links und oben. Hebe den linken Arm nun harmonisch in Verlängerung von Brust und Schulter und lasse den Blick sanft folgen. Nachdem du die Drehung behutsam wieder aufgelöst hast, richtest du dich auf und übst die zweite Seite.
5. EKA PADA RAJAKAPOTASANA – Einbeinige Taube Variation

Effekt: Hier unterstützt dich die Wand bei der Dehnung: Du mobilisiert den Quadrizeps, die Hüftbeuger und den Psoas und hast zugleich genügend Halt, um den Oberkörper aufzurichten und die Herzgegend zu weiten.
So geht’s: Beginne im Vierfüßlerstand mit den Füßen an der Wand. Von hier aus schiebst du das linke Knie nach hinten und legst das Schienbein senkrecht an die Mauer. Dann stützt du dich mit den Händen am Boden oder auf zwei Blöcken auf, um den rechten Fuß nach vorne zu ziehen und unterhalb des Knies aufzusetzen. Richte die Haltung so ein, dass du eine spürbare, aber nicht schmerzhafte Dehnung spürst. Dazu kannst du die Abstände ändern und weiterhin die Hände auf Klötzen aufstützen. Wenn du bereit bist für den nächsten Step, richtest du den Oberkörper auf und legst die Hände auf den vorderen Oberschenkel. Noch intensiver wird die Haltung, wenn du deine Arme über die Seiten hebst und eventuell versuchst, mit den Fingerspitzen die Wand zu erreichen. Lass dir Zeit und gehe nur so weit in die Rückbeuge, wie es heute für dich richtig ist. Dann löst du die Haltung behutsam auf und wechselst über den Vierfüßler auf die andere Seite.
6. ARDA MATSYENDRASANA – Drehsitz Variation

Effekt: Die Wand hilft dir, Kraft und Flexibilität in Rücken, Schultern und Hüftgelenken aufzubauen.
So geht’s: Setze dich mit etwas Abstand seitlich vor die Wand, wir beginnen damit, dass rechte Hüfte und Schulter zur Mauer zeigen. Beuge das rechte Knie und stelle den rechten Fuß außen an den linken Oberschenkel. Das linke Bein kann gestreckt bleiben, oder du beugst es ebenfalls und legst den linken Fuß außen an die rechte Gesäßhälfte. Diese Sitzhaltung kannst du dir falls nötig durch gefaltete Decken oder ein Sitzkissen erleichtern. Richte die Wirbelsäule mit einer Einatmung lang auf, bevor du dich nach rechts drehst, den rechten Arm auf Schulterhöhe möglichst lang zur Seite streckst und die Hand flach an die Wand legst. Die zweite Hand dient dir als sanfte Führung für eine gute Ausrichtung und allmähliche Vertiefung der Drehung. Der Kopf folgt auch hier nur behutsam der Drehung. Nachdem du zuerst die Drehung und dann die Beinhaltung vorsichtig aufgelöst hast, übst du die zweite Seite.
7. ADHO MUKHA VRIKSHASANA – Handstand Variation mit einem Fuß an der Wand

Effekt: Diese Variation ist eine wichtige Vorübung für den freien Handstand: Sie hilft dir, Kraft in Armen, Schultern und Rumpf aufzubauen und einen guten inneren Halt zu finden. Das erleichtert es dir, dich in der Senkrechten auf dein Alignment zu konzentrieren und zugleich mehr Kontrolle und Selbstvertrauen zu entwickeln.
So geht’s: Beginne in einem herabschauenden Hund mit den Fersen an der Wand, allerdings sollte der Abstand zwischen Händen und Füßen kürzer sein als gewohnt. (Auf diese Weise kannst du später Schultern und Oberkörper senkrecht über den Händen ausrichten.) Aktiviere im Hund deine Hände und Schultern, setze die Füße nacheinander an die Wand und wandere mit ihnen bis auf Hüfthöhe nach oben. Strecke nun behutsam die Beine, bis die Schultern über den Händen stehen. Der Blick geht zur Wand, so kann der Nacken entspannt bleiben. Drücke dich kraftvoll von den Händen durch die Schultern nach oben ab und aktiviere deine Bauch- und Rumpfmuskeln. Aus dieser Stabilität heraus kannst du einen Fuß noch etwas deutlicher gegen die Wand schieben und das andere Bein senkrecht nach oben strecken. Entweder du wechselst noch in der Haltung zum anderen Bein, oder du machst eine Pause und übst beim zweiten Mal seitenverkehrt.
8. EKA PADA URDHVA DHANURASANA – Einbeiniges Rad

Effekt: Das nach oben zeigende Rad ist eine sehr intensive Rückbeuge. Der Fußballen an der Wand wirkt der typischen Tendenz entgegen, die Füße und Knie nach außen zu drehen und dadurch den unteren Rücken zu stauchen: Fußgelenk, Knie und Hüfte bleiben in der Achse, zugleich erhält der Unterkörper mehr Halt und du kannst dich besser auf die Aktivität von Beinen und Rumpf und das Weiten der Brust konzentrieren.
So geht’s: Du beginnst in Rückenlage mit angestellten Füßen. Dabei drückst du die Fußballen etwa hüftbreit voneinander entfernt an die Wand, die Fersen bleiben am Boden. Hebe die Arme und lege die Hände mit zu den Schultern zeigenden Fingern neben deine Ohren. Von hier aus drückst du dich mit Händen und Füßen ab, hebst das Becken und weitest die Herzgegend. Wenn du dich stabil und sicher fühlst, streckst du nun ein Bein und danach das andere senkrecht nach oben aus.
Einfachere Variante: Setu Bandha Sharvangasana (Schulterbrücke)
Aus derselben Ausgangsstellung mit den Fußballen an der Wand kannst du die Arme auch längs vom Körper lassen und Becken und Wirbelsäule heben, während Kopf und Schultern am Boden bleiben. Auch hier hilft dir die Wand, Füße und Knie gerade nach vorne ausgerichtet zu halten und die Brust zu weiten, ohne den unteren Rücken zu stauchen. Wenn du magst, hebst du auch hier abwechselnd ein Bein und streckst es senkrecht nach oben.
9. UPAVISHTHA KONASANA – Sitzende Winkelhaltung Variation

Effekt: Die Kombi aus Rückenlage und stützender Wand erlaubt es dir, dich zu entspannen und länger in der Haltung zu bleiben als bei der klassischen Haltung im Sitzen. So findest du tiefer in die Dehnung von Waden, Beinrückseiten und Quadriceps und förderst zugleich die Durchblutung der Beckenregion.
So geht’s: Setze dich seitlich vor die Wand und stütze dich hinter dem Körper mit den Händen ab, während du dich zur Wand drehst und die Beine an sie legst. Von dort findest du über die Ellenbogen in die Rückenlage. Vielleicht musst du dich noch etwas dichter zur Wand schieben, bis der Po anliegt. Grätsche die Beine in eine spürbare, aber noch gut aushaltbare Dehnung. Bleibe mindestens 1–2 Minuten, spüre deine Atmung und intensiviere oder mildere die Haltung nach Gefühl. Zum Auflösen ziehst du die Knie zur Brust und rollst dich auf die Seite. Ruhe dich hier oder in der Stellung des Kindes eine Weile aus, bevor du zu Shavasana übergehst.

Von Südafrika aus hat es Cherryl Duncan der Liebe wegen nach München verschlagen, wo sie seit über 10 Jahren lebt. Nach ihrer langjährigen Arbeit als Yogalehrerin begleitet sie heute Frauen als Mentorin und Coach. Die Bilder zu diesem Artikel entstanden auf der griechischen Insel Skiathos.
Mehr zu Cherryl auf cherrylduncan.com und auf Instagram @cherrylannaduncan
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