Yoga für Yogalehrer

Warum haben viele Yogalehrer Probleme, die sie eigentlich gar nicht haben dürften? Was tun, wenn sich der eigene Lehrer plötzlich für einen Guru hält? Macht die nahende Erleuchtung vielleicht verrückt?

Mitunter scheint es Yogalehrern gehörig an Erdung und dem kritischen Blick auf sich selbst zu fehlen. Wirkt Yoga also doch nicht oder was ist da los?
Wer über längere Zeit hinweg Yoga übt, kann leicht feststellen: Yogalehrer sind etwas komisch oder machen komische Sachen. Genauso wie normale Menschen. Da ist zum Beispiel das Phänomen, dass verschiedene Yogastudios bis aufs Blut miteinander verfeindet sind, weil sich die Yogis untereinander nicht riechen können. Wir erleben, dass manche unserer Lehrer ganz schön eitel sind oder äußerst unbescheiden auftreten. Sie sind hektisch und ungeduldig oder so gar nicht vegetarisch. Und nicht erst seit der Affäre um John Friend, der gleich mit mehreren Schülerinnen ein Verhältnis hatte, wissen wir auch, dass es um ihre partnerschaftlichen Beziehungen nicht immer gerade zum Besten steht. Man könnte nun sagen: Na ja, alles nur Menschen. Oder: Es wird eben Wasser gepredigt und Wein getrunken. Damit könnte man die Sache auf sich beruhen lassen. Aber ein bisschen mehr „Lebenskünstlerschaft“ (Iris Radisch über Albert Camus) hätte man sich von den wichtigen Lehrern schon irgendwie erwartet und vielleicht lässt sich etwas daraus lernen, wenn wir genauer hinsehen. Mir scheint, dass sich gleich mehrere Probleme einkreisen lassen.

Nicht wenige Yogalehrer haben selbst keinen Lehrer (mehr) und der Guru ist sowieso vom Himmel gefallen. Das trifft offenbar in besonderer Weise auf die prominenten und erfolgreichen Lehrer zu. Auf Anhieb fällt mir unter den (amerikanischen) Szenestars keiner ein, der noch regelmäßig mit seinem Lehrer übt – es gibt bestimmt Ausnahmen. Irgendwie haben scheinbar viele Lehrer keine Lust mehr, Schüler zu sein. Sie gehen davon aus, ausgelernt zu haben. Oft genug wird die eigene Praxis der Lehrer insgesamt weniger oder fällt komplett aus. Ich kenne mehr als einen berühmten oder gestressten Yogalehrer, der selbst kaum noch oder gar nicht mehr übt. Manchmal gibt es noch ein paar Asanas – der Rest vom Yogapfad fällt einfach unter den Tisch. Damit beginnt eine schleichende Entfremdung von der Praxis. Man darf behaupten: Es fehlt an Disziplin und Demut. Im Grunde verabschieden wir uns damit allerdings von den Voraussetzungen für einen Yogalehrer, die Desikachar folgendermaßen formuliert: tägliche Praxis, Menschenliebe und Lineage (Lehrer-Schüler-Tradition). Die tatsächliche Schwierigkeit ist dabei jedoch nicht der mangelnde Input. Es gibt Leute, die bei ihren Workshops rund um die Welt jahrelang exakt das Selbe unterrichten, wörtlich dieselben Witze machen und das immer gleiche Set-up liefern (ich meine hier nicht Ashtanga). Mir ist gesagt worden, die Schüler würden das erwarten. Ich glaube allerdings, dass es eher an der Faulheit des Lehrers liegt. Oder daran, dass er nichts mehr in seiner eigenen Praxis erlebt oder nichts mehr wahrnimmt außer seiner eigenen Welt. Manchmal muss man eben ein Buch lesen oder über den eigenen Tellerrand hinaus blicken, wenn man Anderen etwas beibringen möchte. Das immer Selbe ist deshalb besonders schlecht und langweilig, weil in jeder einzelnen Stunde die Situation eine ganz andere ist. Auf diese könnte man sich als Lehrer einstellen – andere Schüler, andere Tageszeit, anderer Raum, andere Stadt, andere Umstände, besondere aktuelle Ereignisse. Vielen Lehrern sagt aber keiner, dass sie kreativer sein könnten, weil sie so bekannt sind. Sachliche Kritik kommt sowieso kaum vor in der Yogawelt.

Auf der anderen Seite ist die Versuchung groß, sich vor allem mit Fans und Jasagern zu umgeben. Als guter Lehrer braucht man jedoch ein Korrektiv und die Kritik von außen, das Lernen von den Schülern. Eine allzu große wirtschaftliche Abhängigkeit der Lehrer vom Yoga scheint mir ebenfalls ein ernstes Problem zu sein. Viele können gar nicht aufhören zu unterrichten oder zu reisen, obwohl sie längst nichts mehr zu geben haben oder zumindest eine Pause bräuchten. Gibt es keine Möglichkeit des Rückzugs, wird es brutal und Yoga wird ein Job. Es muss Geld verdient werden. Man muss sich immer offensiver selbst promoten. Die Studios geraten in einen Verdrängungswettbewerb und es wird um Schüler gestritten. Da wird gelästert, geneidet, missgünstig beäugt – all das führt ganz weit weg vom Yoga. Denn natürlich haben diese Reaktionen mit Angst zu tun und die soll doch eigentlich überwunden werden. Im besten Fall ist das Lehrer-Schüler-Verhältnis ein doppelter Lernprozess: Die Schüler können von jemandem Yoga lernen, der schon ein bisschen länger übt als sie. Dieser Lehrer braucht nicht Arzt, Therapeut, Guru und Heiliger in einem zu sein. Die Lehrer lernen von ihren Schülern, gute Lehrer zu sein, indem sie ein ehrliches Feedback bekommen. Selbstkritik, Humor, Toleranz und viel Yoga können hierbei nicht schaden.

Michi Kern ist einer der Mitbegründer der Jivamukti-Yogaschulen in München, wo er auch unterrichtet. Er betreibt diverse Clubs sowie Restaurants und studiert Philosophie.

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