„Yoga, das Herz und der Atem“: Die 40jährige Geschichte des Yoga Journal erzählt eine amerikanische Erfolgsgeschichte über Gemeinschaft, kreatives Unternehmertum und die moderne Faszination einer uralten Lehre
Im Epizentrum der Hippie-Bewegung manifestierte sich 1975 eine Vision: Während einer Vorstandssitzung der California Yoga Teachers Association im Wohnzimmer der Iyengar-Lehrerin Judith Lasater und ihres Ehemanns Ike entstand die Idee, der allmählich wachsenden Yoga-Community in San Francisco Lesestoff zu geben. Das Resultat waren zehn kopierte, puristisch gestaltete Schreibmaschinen-Seiten zum fairen Preis von 75 Cent – die erste Ausgabe des Yoga Journal. Die Finanzierung erfolgte über den privaten 500 Dollar-Kreditrahmen eines Redaktionsmitglieds.
„Unsere Absicht ist es, die Essenz des klassischen Yoga mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu kombinieren“, schrieb die vierköpfige Redaktion im ersten Editorial. Themen wie „Yoga, das Herz und der Atem“ waren essentiell, der Ton nüchtern. Spannende Dinge ereigneten sich vor allem im Vertrieb: So konnte „Business and Advertising Director“ Ike Lasater in der gesamten San Francisco Bay Area nur einen einzigen Vertrieb für die Auslieferung der 300 Exemplare gewinnen. Dieser war auf „Special Interest“-Produkte spezialisiert – darunter homosexuellen Porno.
Als ähnlich weird galt vielerorts auch die Yoga Community. „Die Leute fragten immer, ob wir über Nägel gehen könnten“, erinnert sich Judith Lasater, Yoga Journal-Gründungsmitglied und noch heute eine international gefragte Lehrerin. „Wir waren Teil der alternativen Bewegung und vertraten merkwürdige Dinge wie vegetarische Ernährung. Um den Vorurteilen entgegen zu wirken, wählten wir im Yoga Journal Themen wie „Yoga gegen Rückenschmerzen.“ Die 70er und 80er Jahre bezeichnet Lasater als „Zeit der Unschuld“: „Weil jeder jeden kannte und weil der Yoga-Lebensstil abseits des gesellschaftlichen Konsens stattfand, war das Netzwerk eng und die Unterstützung immens.“ Ein eindrucksvolles Beispiel lieferte 1984 die erste International Iyengar Yoga Convention in San Francisco. Das Yoga Journal steckte in ernsthaften finanziellen Engpässen. Als kurzfristig ein Redner ausfiel, nahm Judith Lasater ihren ganzen Mut zusammen, stieg auf die Konferenzbühne und schilderte der Iyengar-Gemeinschaft die Situation. Spontan zog ein Spendenhut seine Kreise, Tausende von Dollar wurden eingenommen und die nächsten Yoga Journal-Ausgaben sichergestellt.
Die Zeiten, Yoga und das Yoga Journal haben sich geändert. Die traditionell exklusiv zwischen Lehrer und Schüler vermittelte Lehre hat sich von der Alternative zur Lebenseinstellung entwickelt, die vor allem in den Großstädten Mainstream ist.
In ähnlicher Weise verläuft der Kontakt zwischen Yoga und der Community nicht mehr ausschließlich direkt, sondern in einem global funktionierenden (Medien)geflecht. Heute hat das amerikanische Yoga Journal über eine Million Leser, veranstaltet Konferenzen, produziert DVDs, Bücher, eine trendsetzende Website und versorgt mit seinen zwölf internationalen Ausgaben zusätzliche 28 Länder mit Yoga-Informationen.
Die Zielgruppe ist nach wie vor passioniert, allerdings unter anderen Bedingungen als 1975: „Heute ist Yoga vollkommen akzeptiert und es ist wunderbar einfach, weltweit im Kontakt zu sein“, so Gründungsmitglied Judith Lasater. „Die Konsequenz sind aber auch Lehrer, die noch nie etwas von den Yoga-Sutren gehört haben.“ Kein Workout, sondern ein radikaler Weg zur persönlichen Veränderung: An dieser Überzeugung hält die Expertin für „Restorative Yoga“ bis heute fest. Und für die Yoga Journal-Pioniere aus San Francisco hat sich die Vision aus dem Editorial vom Mai 1975 erfüllt: „Mit einem breit angelegten Yoga Journal wollen wir unseren Kreis und hoffentlich unser Bewusstsein erweitern.“
Judith Hanson Lasater unterrichtet seit 1971. Ausgebildet im Iyengar Yoga liegt ihr heutiger Schwerpunkt im restorativen und therapeutischen Yoga. Die Präsidentin der California Yoga Teachers Association schreibt regelmäßig Beiträge für das YOGA JOURNAL und andere Magazine. Als Buchautorin veröffentlichte sie unter anderem „Relax and Renew“, das Standardwerk zum Restorative Yoga, sowie unter anderem „Living Your Yoga“, „30 Essential Yoga Poses“, „Yoga for Pregnancy“ und „Yogabody“.