Ken, im Vorfeld unseres Gesprächs hast du betont, dass du Yoga gegenüber „eher kritisch“ eingestellt bist. Wir freuen uns, dass wir dieses Interview trotzdem führen können.
Gerne. Mir war wichtig klarzustellen, dass ich nicht zur Verfügung stehe, um mich als Super-Yogi zu outen und mit irgendwelchen Weisheiten um mich zu werfen. In dieser Hinsicht bin ich immer noch vom Beginn des Yoga-Booms traumatisiert.
Klingelte da eine Art Esoterik-Alarm?
Das ist immer noch mein Problem bei der Sache. Vor etwa acht Jahren rannten plötzlich alle meine Bekannten und Freunde in Yogastunden, wo sie in Gruppen zusammensaßen und „Om“ sangen. Das war nicht meins, es ist mir nicht individuell genug. Dabei kenne ich einige Körperübungen aus dem Yoga sehr gut. Ich treibe privat und für meinen Beruf sehr intensiv Sport, darunter Laufen, Martial Arts und das Yoga-verwandte Calisthenics, ein Workout, in dem man vor allem mit dem eigenen Körpergewicht arbeitet.
Besonders für den Kinofilm „Northmen – A Viking Saga“ hast du extrem trainiert.
Um die wuchtige Energie dieses Wikingers glaubhaft verkörpern zu können, durchlief ich intensive Drills mit Maximalkraft, darunter simple, aber sehr effektive Sequenzen mit einer Minute schnellem Seilspringen, 60 Kilo Gewichtheben und anschließend zehn ausgehängten, weit gegriffenen Klimmzügen. Klingt nach nicht viel, ist aber heftig. Ich musste 16 Kilo draufbekommen, auch durch gefühlte 6000 Kalorien am Tag. Alle zwei Stunden essen, vor allem Kalorien, die keinen Spaß machen. Alles sehr zielorientiert, aber die Beweglichkeit leidet extrem. Ich kam in Vorbeugen nicht mal mehr zu den Knien.
Im Yoga kann geübt werden, das zielorientierte Denken aufzulösen.
Natürlich habe ich längst begriffen, dass meine Vorurteile gegenüber Yoga nicht immer berechtigt sind. Meine Frau übt Yoga, und wenn ich ihr eine lang trainierte Haltung aus den Calisthenics vorführe, klappt das bei ihr aufgrund ihrer Yogapraxis meistens sofort. Ich habe nichts gegen Yoga, sondern die moderne Ausführung. Ähnlich wie bei den Religionen sehe ich auch hier eine schöne Überlieferung mit sehr interessanten Schriften. Nur: Das Bodenpersonal passt nicht. Ich beobachte, dass die Leute regelrecht fanatisch werden, missionieren und sich dabei Scheuklappen aufsetzen. Für mich ist Yoga vor allem eine altindische Heilkunst, die sogar völlig unsportlichen Menschen mehr Kraft und Beweglichkeit ermöglicht.
Siehst du Yoga eher als Privatsache?
Jedenfalls nicht als Wettbewerb. Ich mag Mannschaftssport wie Fußball, aber keinen Gruppensport, in dem nicht auf den individuellen Körperbau eingegangen wird. Mein Personal Trainer Daniel Bohn, der Yoga praktiziert, gibt mir dynamische Dehnsequenzen, zum Beispiel einen schönen Ablauf von der sitzenden Vorwärtsbeuge in den halben Schulterstand und Pflug, dann wieder zurück. Die Beweglichkeit der Rückenmuskulatur trainieren wir über den Faszienroller. Dabei und auch im restlichen Training überwacht er immer meinen Atem und weist mich, wenn ich eine bestimmte Grenze erreicht habe, auf mein verzerrtes Gesicht hin. Das sehe ich übrigens bei vielen Yogis – dabei soll es doch um Entspannung gehen!
(…)
Interessant ist die Schnittmenge aus allem. Yoga scheint mir ideal für Entspannung und Ruhe, dennoch sehe ich all diese Leute, die mit ihren Matten unter dem Arm hektisch von Stunde zu Stunde rennen. Dort verkrampfen sie Schultern, Halswirbel und Unterkiefer, um sich noch tiefer in eine Haltung zu pressen – und ich würde sie am liebsten fragen, wofür sie das alles überhaupt machen? Wahrscheinlich wollen sie etwas „erreichen“. Ich mache es ja auch oft falsch, denke, „jetzt musst du doch“ und merke dann: „Der Hals!“. Ja, es ist spannend, was Yoga mit einem macht. So. Morgen fange ich ernsthaft mit Yoga an. War ein Scherz!
// Seit fast zwanzig Jahren ist Ken Duken international im Kino, Fernsehen und auf der Bühne zu sehen. Der gebürtige Heidelberger drehte unter anderem mit den Regisseuren Dominik Graf („Polizeiruf 110“), Til Schweiger („Zweiohrküken“), Uli Edel („Das Adlon“), Marco Kreuzpaintner („Coming In“) und Quentin Tarantino („Inglourious Basterds“).Für seine Arbeit wurde er unter anderem mit dem Grimme-Preis und dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet.//
Fotoquelle: Stefanie Kissner http://www.stefaniekissner.com