Chi horsing: Wie Pferde deine Emotionen spiegeln

Was haben Pferde mit Yoga gemeinsam? Mehr, als wir vielleicht vermuten, denn Tiere können uns spiegeln, unsere Emotionen spüren und wahre Lehrmeister sein. Alexandra König hat vor 12 Jahren die Saliho School gegründet, in der die Teilnehmer lernen können, wie Pferde wirklich kommunizieren und welche Energien dabei eine Rolle spielen.

Im Interview mit unserer Redakteurin Jenny Hansen erklärt sie uns, was dahinter steckt …

Liebe Alexandra, ich bin noch immer ganz überwältigt von diesem Kraftort, den du hier im Chiemgau für Pferde und Menschen erschaffen hast. Als ich eben ankam und die Energie dieser wunderschönen Tiere spürte, fühlte ich mich sofort geerdet und  beflügelt zugleich. Fast wie in einer Meditation … die erste Frage vorab: Was bedeutet chi horsing bzw. was ist der Kern deiner Arbeit?

Eine gute Freundin, die mich mehrere Jahre in meiner Forschungsarbeit mit den Pferden begleitet hatte, brachte es eines Tages auf den Punkt. Sie meinte, “Es fällt dir so leicht Glaubenssätze, die dir und einer friedlichen Begegnung mit Pferden nicht dienen, einfach loszulassen, um alles, was das Pferd aufleuchten lässt, in einem wunderbaren Dialog in Bewegung mit dem Pferd kommunizieren zu können. Das ist wie ein in Materie gegossenes Herumspielen mit Energie.” Aus dieser Aussage ging dann später auch das Wortspiel “chi horsing” hervor. Dieser Name steht eher dafür, wie ich mit Pferden bin, aber auch für die Art der Begegnung, für die ich Lernkonzepte für Interessenten entwickelt habe, in denen sie sich selbst ebenfalls ganz in ihrem Tempo auf solch einen spielerischen Weg mit ihren Pferden als Beziehungscoach einlassen können. Wenn uns das gelingt, können wir unsere Lebensweise enorm verbessern. 

Das klingt interessant. Was ist denn deiner Meinung nach das Hauptproblem in der Kommunikation zwischen Pferden und Menschen?

Eines der Hauptprobleme von Pferden ist heutzutage, dass sie kaum noch eine Chance haben, sich dem Menschen in ihrer Sprache mit ihren natürlichen Interessen mitzuteilen. Wir Menschen haben so viele verschiedene Methoden des Pferdeumgangs entwickelt, die sich im Kern alle darum drehen, dem Pferd psychisch wie körperlich Räume wegzunehmen und sie so an den Menschen zu binden. Das kann zum Beispiel durch einen Roundpen geschehen oder mit anderen Hilfsmitteln. 

Pferdefreunde wissen aber meist nichts über die Folgen von solchen Herangehensweisen. Weder, welche Folgen es für das Pferd hat, noch für sie selbst und ihre eigene Entwicklung. Die Aufklärung über diese Dinge ist heute der Mittelpunkt meiner Arbeit. Immer mehr Menschen entwickeln ein Bewusstsein für diese Missstände und viele von ihnen suchen mich auf, weil sie  den Wunsch haben, das Pferd wie einen Freund zu verstehen und ihm auf Augenhöhe zu begegnen. Nach Jahrhunderten der Unterwerfung und Konditionierung dieser wunderbaren Tiere, kommen immer mehr Menschen zu der Einsicht, dass sie so wie bisher – mit dem Hauptaugenmerk auf eine Gymnastizierung zum besseren “Gebrauch” des Pferdes – nicht mehr weitermachen möchten. 

Die Sensationslust, ein Pferd auf zwei Beinen zu sehen, sitzend oder liegend neben dem Menschen, mit Planen abgedeckt vor hunderten Zuschauern, nur um zu beweisen, dass einem das Tier vertraut und nichts mehr fürchtet, egal wie laut und unruhig es außen herum ist, hat sich als beliebtes und erstrebenswertes Ideal etabliert.

Alexandra König

Doch die Konditionierung in den Köpfen der Menschen, bezüglich dessen, wie man mit Pferden arbeitet und umgeht, sitzt oft sehr tief. Und auch die Prägung der Pferde durch die angewandten Methoden ist oft kaum noch aus Pferden herauszubekommen, wenn sie sich bereits viele Jahre einem Menschen mit bestimmten Konditionierungen im Umgang untergeordnet haben. 

Die Pferde zeigen – so wie heute auch zahlreiche Menschen –, dass sie müde und abgestumpft geworden sind. Zum Teil apathisch, depressiv oder wie programmierte Maschinen tanzend neben ihrem Menschen, der sie in endlosen Wiederholungen zu einer frei beweglichen Marionette gemacht hat. Die Sensationslust, ein Pferd auf zwei Beinen zu sehen, sitzend oder liegend neben dem Menschen, mit Planen abgedeckt vor hunderten Zuschauern, nur um zu beweisen, dass einem das Tier vertraut und nichts mehr fürchtet, egal wie laut und unruhig es außen herum ist, hat sich als beliebtes und erstrebenswertes Ideal etabliert. Dass es sich dabei aber weder um echte Verbundenheit, noch um eine authentische Beziehung handelt, ist für die meisten Pferdemenschen mittlerweile nicht mehr erkennbar. Viele von ihnen haben verlernt, das Wesen Pferd überhaupt noch in seiner Natur wahrzunehmen und wissen überhaupt nicht, wie sie einen echten, empathischen Dialog mit ihm finden können. 

Einige Menschen spüren aber Gott sei Dank langsam wieder den Wunsch nach echter Nähe und einer authentischen Beziehung zum Pferd, die auf natürlicher Freiwilligkeit beruht – ohne den Versuch, das Pferd durch Dressur an sich zu binden. 

Um Interessenten in diesem Wirr-Warr an unterschiedlichen Techniken und Methoden im  Pferdeumgang einen Leitfaden an die Hand zu geben, habe ich in über 30-stündigen Online-Seminaren eine Struktur zur Bewusstwerdung für die Menschen entwickelt, die sich der Natur eines Pferdes und ihrer eigenen Natur wieder annähern möchten.

Das ist wirklich spannend, vor allem für mich als Pferdemenschin. Welche Parallelen gibt es denn zur Yoga-Philosophie?

Alexandra und Soberano am Reitplatz: Beziehungsarbeit

Ich bin zwar kein Yoga Spezialist, aber Yoga dient ja dazu, Körper und Geist zu reinigen, damit wir die ursprünglich bestehende Einheit unseres göttlichen Wesens wieder bewusst erfahren können. Das Bewusstsein über den Atem, den feinstofflichen Körper, die Bewegungen, unsere Konzentrationsfähigkeit, die Übung der Beständigkeit und letztendlich das Spüren einer gewissen Befreiung, das sind viele Gemeinsamkeiten zu chi horsing. 

Mit derselben Langsamkeit, mit der wir uns im Yoga bestimmten Dehnungshaltungen und Positionen annähern, begegnen wir in chi horsing auch dem Pferd. Es ist ein behutsamer Prozess, der sehr viel Achtsamkeit erfordert. Wir befassen uns erst mit der Pferdepsyche, der Pferdesprache und unserem eigenen Bewusstsein für unsere Körpersprache, bevor wir zum Pferd gehen. Denn ein Pferd geht schon ins Gespräch, wenn wir nur in seine Sichtweite kommen. Das Pferd wird dabei nicht zum Üben benutzt, damit wir uns unsere Wünsche erfüllen können, sondern wir erarbeiten uns eine Beziehung, in der das Pferd permanent in seinen Aussagen respektiert und geachtet wird. Das Pferd repräsentiert dabei den Körper, an dem wir im Yoga arbeiten. Es steht für den sich bewegenden, bewegten Körper, der dem Wunsch des menschlichen Geistes ein Feedback gibt. Er vermittelt uns permanent Botschaften, wie zum Beispiel: “Nein, diese Haltung oder Position kannst du noch gar nicht von mir verlangen, weil wir noch nicht stabil auf den Füßen stehen.” Oder: “Ja, das können wir bereits miteinander erfahren, weil du mir deinen Wunsch in einer für mich verständlichen Weise konzentriert, friedlich und entspannt vermitteln kannst, ohne Druck auf mich auszuüben”. Es ist ein langsamer Weg, der uns durch das Aufzeigen der Reaktionen des Pferdes auf unsere innere Haltung und Kommunikation, immer mehr Bewusstsein über unser gesamtes Verhalten und dessen Wirkung in der feinstofflichen Welt vermittelt.  

Das stimmt, Pferde haben wirklich eine ganz besondere Aura. Was können wir denn von ihnen lernen?

Pferde haben mir mit chi horsing zwei Seiten von sich offenbart. Eine sehr kindliche und instinktive Seite und eine Seite, die über eine Verbindung zur göttlichen Weisheit verfügt. Im Zusammensein mit ihnen können wir die Quelle von lebensbejahenden Lebensweisen erfahren.  Dies ist aber nicht so einfach. Das Pferd zeigt uns dies nur, wenn wir ihm das bereits richtige Angebot in der Verständigung machen, dass es in sich wachsen lässt und seiner Ganz-Werdung dient. Ganz-Werdung im Sinne von mental, psychisch und physisch stark zu werden, um einen hohen Rang in seiner Gruppe zu erhalten und dadurch Stabilität, Sicherheit und Wohlsein zu erfahren. Die universellen Gesetze besagen auch, dass wenn wir uns etwas wünschen oder erreichen möchten, dann müssen wir es in uns bereits fühlen können, so tun als wäre es schon da. Auf meiner Entdeckungsreise zu chi horsing habe ich mit dem Pferd genau diese Parallele entdeckt, die uns dieses kosmische Naturgesetz sichtbarer macht. Es scheint kompliziert, aber so wie ich das sehe, einmal gespürt und verstanden habe, eröffnet mir das Pferd eine Anleitung für die materielle Umsetzung im Alltag, für das Spiel mit der Energie zum Tor des Himmelreichs. Wer aber vorher dem Pferd seine Wünsche mit dem Fokus auf Figuren oder Funktionalität aufdrückt, wird diese Offenbarung von seinem Pferd niemals erfahren können. Dieses Wissen von Pferden zu erhalten, ist für mich wie einen verborgenen Schatz in den Tiefen der Weltmeere zu finden. 

Das ist eine sehr schöne Metapher, ich bin ganz berührt. Wie genau kommunizierst du mit den Pferden? 

Das ist wahrlich eine sehr feine und konzentrierte Geschichte. Dazu ein Beispiel aus meiner täglichen Erfahrung im Zusammenleben mit Pferden. Wenn ich mir vornehme, zu einem Pferd auf die Weide zu gehen, dann beobachte ich davor die ganze Pferdegruppe, in der es steht, bevor ich mich ihm annähere. Bin ich etwa im Haus, dann denke ich vorher an das Pferd, zu dem ich gehen möchte. In Gedanken stelle ich mir bereits vor, wie ich seine Koppel betrete und es begrüße. Ist das Pferd bereits mit mir in einer Beziehung, dauert es ca. 2 Minuten bis es diese Intention spürt und schon am Zaun steht und auf die Eingangstüre meines Hauses starrt. Es erwartet mich bereits. Wenn es mich erblickt, beginnt bereits die Vermittlung meiner Absicht davon, was ich gleich mit ihm tun möchte. Nun ist es bei meiner eigenen Pferdefamilie von 11 Pferden eine große Herausforderung, das entsprechende Pferd geistig anzutreffen, ohne dass es gleich drei andere Tiere aus der Familie mitbekommen. Denn sie erzählen es sozusagen sofort weiter, dass Frauchen gleich kommt und etwas vorhat. Wenn sich also einer freut, weil er weiß, ich komme gleich, dann spürt der Freund das auch und freut sich gleich mit. Wenn ich für mein Vorhaben dann aber nur ein Pferd herausholen möchte, dann muss ich beim ersten Sichtkontakt zu den restlichen Pferden, die mich sehen sofort einen geistigen Satz senden, wie “Nein, ich hole nur Finn”. Das ist mein Friese. Ich stelle mir dabei Finn vor, damit sie fühlen, dass sie nicht gemeint sind. Das ist die erste Übung. 

Alexandra und Minnipony Chantalle und Friese Finn im Garten

Du siehst einen Schimmel und redest mit ihm, aber stellst dir einen schwarzen Friesen vor, weil du den gleich haben willst. Dann kann zwar sein, dass der Schimmel dich noch weiter beobachtet, aber wenn ich stark genug bin und den schwarzen Friesen nebenbei fokussiere, dann geht dieser so kraftvoll zum Ausgang, dass der Schimmel zusätzlich merkt, dass er nicht gemeint ist. Und so geht das dann im Detail weiter. Die geistige Absicht, begleitet von dem Bild des Wunsches in der Zukunft (z.B. Hufe schneiden des schwarzen Pferdes und wie er ruhig am Platz steht), dieses Bild wird in meinem Kopf mit 50 Prozent Energie befeuert, während mein Körper und die restlichen 50 Prozent Energie das schwarze Pferd aus dem Auslauf holen, mit jeder Bewegung die es zum Kommunizieren in der Körpersprache braucht. Sollten doch noch andere Pferde am Ausgang stehen, zeigt sich für alle Pferde mit welchem Ton und wie friedlich ich ein Pferd aus der Gruppe nehme, oder grob und chaotisch handle. Solche Momente veranlassen alle Pferde dazu, mir zukünftig selbstverständlich zu vertrauen oder mich eher zu meiden. Das klingt ziemlich anspruchsvoll und das ist es auch. Es ist wie eine vielschichtige geistige und körperliche Disziplin. Ein Rennfahrer, der mit 300 km/h auf einer Rennstrecke mit Konkurrenten neben sich unterwegs ist und ohne Behinderungen ans Ziel gelangen möchte, muss sich auf alles am Rande, hinter und vor sich konzentrieren, damit er so glatt wie möglich ans Ziel kommt. Und so ähnlich ist meine Kommunikation mit Pferden. Am besten bin ich dabei immer nur mit der minimalsten Anspannung, aber höchsten und friedlichsten Präsenz aktiv, die die jeweilige Situation erfordert. Ja, ich würde sagen, chi horsing ist für mich die Königsklasse. 

Sehr spannend, denn viele unserer Leser*innen kennen diese Visualisierungsmethode sicherlich aus anderen Bereichen. Für unsere Yogis und Yoginis, die (noch) keinen Kontakt zu Pferden hatten; welche Erkenntnisse lassen sich dennoch aus deiner Arbeit mit den Pferden für jemanden mitnehmen, der keinen Bezug zu diesen Tieren hat?

In den Feedbacks, die ich laufend erhalte, schildern mir die Menschen, dass sie Dank meiner Lehren über die Pferde nun ebenfalls die Ursachen und Wirkungsweisen ihres Denkens und Handelns besser verstehen und diese Erkenntnisse in ihr Leben integrieren können

Alexandra König

Ich habe viele Interessenten, die mich über Suchergebnisse bei Google gefunden haben, und dann meine Online-Seminare studiert haben, um einfach Hilfestellungen für ihr Leben mit anderen Menschen, Kindern oder auch Hunden zu erhalten, um die Beziehung zu der eigenen Körpersprache oder zu den Naturgesetzen besser verstehen zu können. In den Feedbacks, die ich laufend erhalte, schildern mir die Menschen, dass sie Dank meiner Lehren über die Pferde nun ebenfalls die Ursachen und Wirkungsweisen ihres Denkens und Handelns besser verstehen und diese Erkenntnisse in ihr Leben integrieren können. 

Wow, das klingt toll, ich habe eine Gänsehaut … Dein Haus und Garten sehen aus wie ein kleines Himalaya-Refugium, mit bunten Fähnchen, Buddha-Figuren und handgemalten Mandalas … welche Rolle spielen der Buddhismus bzw. Yoga und Meditation in deinem Leben?

Alles hat mich auf den Weg gebracht. Angefangen vom Leid, das ich jahrelang in der Welt erfahren habe, war ich mit 35 Jahren irgendwann an einem Punkt, an dem ich nicht mehr konnte. Der Buddhismus hat mir als erstes geholfen, die Entstehung des Leids zu verstehen. Aber die Entsagung von allem, so wie ich lebte, war mir nicht so schnell möglich. Also begann ich erst das Leben zu erforschen. Ich stieß auf Mantras und heilte meine geistige und seelische Unruhe mit jahrelangem Singen. Zwei Jahre vertiefte ich mich intensiv in die Welt des Kundalini Yoga. Die Meditation half mir, ganz tief in mein Inneres einzutauchen und meinen Geist als einen friedlichen Ort, den ich steuern kann, wahrzunehmen. Durch all das bemerkte ich, dass ich gerne in höheren Schwingungen verweilen möchte, weil es dort so friedlich und leicht ist. Die Pferde konnten mich zwar im Geistigen gut wahrnehmen, aber im Körperlichen, immer weniger greifen, und so begann ich mit Qi Gong. Darin konnte ich die Energie in den Zwischenräumen noch besser erfahren, so wie ich sie für die Kommunikation mit den Pferden brauche und so fand ich meinen ganz eigenen Zugang zu Körper, Geist und Seele. Die Mandalas, die in meinem Haus hängen, sind für mich ein energetischer Ausdruck von Farben, Kraft, Symbolik und Schönheit. Die vielen Götter aus Stein oder die Fähnchen und Flaggen rund um den Hof sind für mich wie ein paradiesisches friedliches Himmelreich. 

Das stimmt, genauso habe ich es auch empfunden. Einen Hof wie diesen zu betreiben, ist ein echter Knochenjob. Woher nimmst du die Energie und Kraft dafür, wenn es dir mal nicht so gut geht?

Die Pferde, die Berge, die unendliche Weite, auf die ich jeden Tag hier in unserer Alleinlage in Bayern blicken darf, erfüllen mich mit solch einer Dankbarkeit, dass es kaum einen Tag gibt, an dem es mir nicht gut geht. Alles, was ich bis hierher geschafft habe, erfüllt mich mit Stolz auf mich selbst und einer großen Selbstliebe und Zufriedenheit. Sollte das also wirklich mal der Fall sein, dann lass ich es an solchen Tagen sehr gemütlich angehen. Entweder ich fahre in die Therme, genieße warmes Wasser, esse das Leckerste, was mir in den Sinn kommt, buche mir eine Massage, tanze zu mindestens einem Lied mit guter Musik, knutsche meine Hunde solange sie es aushalten, schlafe, wenn ich müde bin und schaue mir vielleicht noch einen schönen Film an. Zu den Pferden gehe ich an diesen Tagen nur, wenn ich außer mit ihnen zusammen zu sitzen nichts möchte. Denn das, was sie immer brauchen, permanente Kommunikation, möchte und kann ich an solch einem Tag nicht bieten. Ich richte mir also solche Tage spontan, wenn sie vorkommen, so schön ein, dass ich mich fast schon darauf freue, wenn so ein Tag kommt. Denn das ist wie Urlaub vom Zufriedensein. Ich mache mir dann auch bewusst, wo ich im Körper denn das schlechte Gefühl spüre und meistens decke ich dann die Illusion dahinter auf und kann herzlich über mich selbst lachen. 

Nächstes Jahr im Sommer gibt es ja ein ganz besonderes Retreat bei dir … magst du unseren Leser*innen mal ein bisschen was darüber erzählen?

Alexandra geht im Wald spazieren mit Welsh Pony Charly und Araberstute Stella

Mit diesem Retreat möchte ich die Menschen dazu einladen, wieder mehr ins Spüren zu kommen. In sämtlichen Seminaren suchen die Teilnehmer nach einem geistigen Verständnis aller Zusammenhänge im Verhalten von Pferd und Mensch. Das ist auch wichtig, aber auch sehr kopflastig. In diesem Retreat verbringen wir die meiste Zeit draußen und beobachten die Pferde in ihrem ständigen In-Verbindung-Sein. Damit wir hier vielleicht auch wieder einen Zugang zur Empathie bekommen. Denn in unserer Welt herrscht so viel Leid, dass sich so mancher nicht mehr aus Selbstschutz in andere Wesen hineinfühlen mag. Das viele Aushalten-Müssen ist so ein täglicher Bestandteil unseres Lebens geworden, dass sich der Körper oft unbewusst für uns, von ganz alleine verabschiedet und nicht mehr in der Lage ist, in Verbindung zu gehen. Wir nutzen die Tage im Retreat auch, um unsere Andersartigkeit und Individualität besser akzeptieren zu lernen. Durch gemeinsame Körperübungen entwickeln wir ein Gefühl für die Befindlichkeiten des Anderen, ohne uns selbst dabei zu verlieren und lernen, trotzdem für ihn da zu sein… Wir kochen gemeinsam und machen uns dabei bewusst, dass jeder Körper andere Bedürfnisse hat und lernen eine neutrale innere Haltung zu bewahren während wir die Entscheidungen aller Teilnehmer in Bezug auf ihre Ernährung tolerieren. Darüber hinaus möchten wir die Teilnehmer in gewaltfreier Kommunikation schulen.

Für wen sind die Workshops und Seminare geeignet?

Für jeden, der Interesse an Pferden und der Kommunikation mit Ihnen hat und für Menschen, die sich generell für die geistigen und energetischen Verbindungen zwischen Mensch und Tier interessieren. Dazu gehört auch die Aufklärung über fehlgeleitetes Wunschdenken und wie wichtig es ist, eine gute Erdung und Bodenständigkeit in der Psyche anzustreben. In den praktischen Einheiten üben wir die Körpersprache gegenüber dem Pferd zunächst noch untereinander als Menschen. Dabei erfahren die Teilnehmer ihre inneren Verhaltensmuster und ihre Lebensweise meist ganz von alleine im Spiegel des Anderen. Sie erhalten hierbei auch einmal selbst die Erfahrung, wie sich das Pferd fühlt, um die oftmalige eigene Unklarheit in der Körpersprache nochmal klarer erkennen zu können. 

Wer Lust mitbringt, sich selbst zu erforschen und andere Menschen und Tiere besser verstehen möchte, der wird fasziniert sein von den Seminaren und Workshops, in denen wir dann oft mit den Fortgeschrittenen tiefer in jeweilige Themen eintauchen.  

Die Gänsehaut, die ich spüre, seitdem ich hier bin, wird zur Dauer-Emotion durch deine bewegenden Geschichten … welcher Moment hat dich besonders geprägt? Was war das Schönste, das du je mit Pferden erlebt hast?

Ich durfte einmal für einen Filmdreh mit einer Sondergenehmigung in Island in eine abgelegene 40-köpfige wildlebende Islandpferdeherde hinein gehen. Davon gab es einige, die in Arealen lebten, die Touristen normalerweise nicht betreten dürfen. Einmal im Jahr findet dann für manche Herden ein Herden-Abtrieb statt, wo man besonders schöne Isländer auswählt und zum Verkauf vorbereitet. Der Gedanke war nicht so schön, aber ich freute mich die Gelegenheit zu bekommen, in eine ganz wilde Pferdeherde hineingehen zu dürfen. So konnte ich auch für mich entdecken, ob das die wirkliche natürliche Pferdesprache war, was ich jahrelang meinte gefunden zu haben. Das war eine sehr spannende Reise. Am Berg Kirkjufell, einem 463 Meter hohen Gipfel in West Iceland, kam ich mit einem sechsköpfigen Filmteam nach einem längeren Marsch endlich an. Als uns die Pferde aus ca. 2 km Entfernung wahrnahmen, galoppierten sie sofort weg. 

Das waren zu viele Menschen?

Genau, ich musste das Filmteam erstmal wegschicken. Wir hatten Glück, dass sie auf einem Berg standen und so konnte sich das Filmteam den Berg hinab entfernen, während ich mich alleine bergauf der Herde langsam im Zick-Zack Schritt annäherte. Ich musste jeden Schritt immer mit den Bewegungen der Herde abgleichen. Ihr Einverständnis oder Misstrauen quittierten sie immer mit der Veränderung der Gruppendynamik und ihren unterschiedlichen Positionierungen, die ich aus der Ferne erkennen konnte und an die ich mein Verhalten dementsprechend anpassen musste, um auch für die Gruppe verständlich zu antworten. Ich wanderte ca. eineinhalb Stunden in friedlicher Absicht den Berg zu ihnen hinauf. Ich begab mich auf ein felsiges Stück Boden und legte mich hin, weil ich bemerkte, dass ich ihnen stehend oder sitzend einfach zu gefährlich vorkam. Liegend war ich für sie dann sicherer. Die Gruppe blieb erst auf ca. 100 Meter Abstand und schickte eine Stute zu mir, die mich untersuchen sollte. Gefühlt dauerte es ca. eine Stunde lang. Als sie in meinen Schuh biss und merkte, dass ich nicht zurück biss, sondern stattdessen eine harmonische Melodie summte und keine wilden Bewegungen machte, trauten sich auch langsam weitere fünf bis acht Pferde zu mir. Dann ging alles ganz schnell und ich war innerhalb von 30 Minuten umgeben von vielen neugierigen Isländern, die alle an mir herumzupften und rochen. Ich musste auch mit meinen Händen und einem kleinen Stock, den ich als verlängerten Arm benutzte, kommunizieren und andeuten, wenn mir eines der Pferde zu Nahe kommen wollte, und so hatte ich schnell durch das Beachten ihrer Kommunikationsregeln ihr Vertrauen gewonnen. Als ich aufstand, gab es weitere klärungsbedürftige Dialoge, die für mich so selbstverständlich abliefen, als wäre es immer schon meine Muttersprache gewesen. Diese Isländer waren noch so ursprünglich und hochsensibel, dass es nur kleinste Fingerbewegungen und Atemzüge brauchte, um verstanden zu werden und sich einig zu sein. So verging eh ich mich versah, eine Stunde um die andere.

Ich zog mit der Herde ein Stück am Berg entlang und mit einer kleinen Gruppe, die aus ca. 10 Isländern bestand, machte ich eine Pause an einem Felsen und sie versammelten sich um mich und wir meditierten miteinander. Ich kann kaum beschreiben, welches Gefühl das in mir weckte. Es war eine tiefe Sehnsucht, die plötzlich erfüllt wurde. Ich hatte das Gefühl, zu Hause angekommen zu sein

Alexandra König

Ich zog mit der Herde ein Stück am Berg entlang und mit einer kleinen Gruppe, die aus ca. 10 Isländern bestand, machte ich eine Pause an einem Felsen und sie versammelten sich um mich und wir meditierten miteinander. Ich kann kaum beschreiben, welches Gefühl das in mir weckte. Es war eine tiefe Sehnsucht, die plötzlich erfüllt wurde. Ich hatte das Gefühl, zu Hause angekommen zu sein. Ich vergaß sogar, dass zu Hause zwei Hunde, 11 Pferde und liebe Menschen auf mich warteten. Ich wollte nicht mehr weg, nicht ohne diese gefühlte “meine Familie”. Nach neun Stunden, die sich für mich anfühlten wie ein ganzes Leben, gab mir die Filmproduzentin plötzlich ein lautstarkes Zeichen aus der Ferne. Über mein Handy erhielt ich eine SMS. “Alle Akkus leer, Film im Kasten, wir gehen nach Hause, komm zurück, Ende”. An diesem Tag erfuhr ich das schönste und zugleich das schmerzhafteste Gefühl, das ich jemals erlebt hatte. Ich ging zurück Richtung Ausgangspunkt und die Herde begleitete mich wieder bis dorthin, wo wir uns kennengelernt haben, zu exakt dem Felsen unserer ersten körperlichen Begegnung. Ich kniete am Boden und weinte bitterlich. Plötzlich kam mir die Vorstellung, dass diese zarten, unschuldigen Isländer eines Tages vom Berg abgetrieben werden, eingefangen und die schönsten von Ihnen eingeritten und irgendwo in Europa verkauft werden sollten und in unserer lauten Welt ihren Platz einnehmen mussten. Diese Erkenntnis riss mir zeitgleich zu meinem Verlassen-Schmerz gefühlt das Herz heraus. 

Das ist ja eine unglaubliche Geschichte! Danke, dass du dein innerstes Erleben mit uns teilst. Meine letzte Frage: Welches ist dein Lieblingszitat und was möchtest du hier auf dieser Erde hinterlassen?

“Man braucht nichts im Leben zu fürchten, man muss nur alles verstehen.” Von Marie Curie. Ich möchte für die Menschen die Pferdesprache mit ihren individuellen Botschaften für jeden einzelnen Menschen in die Welt bringen. Für mehr Frieden und Wohlsein für alle. 

Vielen Dank für dieses bereichernde Interview.


Mehr Info unter chi-horsing.com

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