Joy Denalane über die Schönheit von „Om“, konzentriertes Loslassen und skurille Phänomene wie Gesichtsyoga.
An einem sonnigen Herbstnachmittag treffe ich die deutsche Soul-Sängerin und den Yoga-Fan Joy Denalane in einem Café in Berlin Schöneberg. Trotz des Medien-Marathons, den sie zur Zeit anlässlich ihrer neuen CD „Maureen“ durchläuft, ist sie entspannt und freundlich. Sie nimmt sich viel Zeit, um auf alle Themen genau einzugehen. Zwischendurch vergesse ich beinahe, Fragen zu stellen, weil es Spaß macht, ihr einfach nur zuzuhören. Joy hat beim Interview – wie anscheinend bei allem, was sie tut –einen wunderbaren Flow.
YOGA JOURNAL: Joy, wie hast du zum Yoga gefunden?
JOY DENALANE: Vor ungefähr einem Jahr habe ich an meiner ersten Session teilgenommen, auf Empfehlung von Freunden. In den letzten Jahren ist die Yogaszene ja geradezu explodiert – Yoga ist zur Entspannungsdroge Nummer 1 geworden! Ganz besonders für die gestressten Menschen der „Creative Class“, wie mir scheint. Sie finden beim Yoga Ruhe, nachdem sie den ganzen Tag ihren Kopf überall hatten, nur nicht bei sich. Von außen betrachtet fand ich das immer ein bisschen komisch. Dann habe ich mich doch dazu entschieden, auch so eine Stunde mitzumachen – und ich fand es super!
Weshalb hat es Dir gefallen?
Weil genau das eingetreten ist, wovon alle immer sprechen: Dass man konzentriert bei sich ist und trotzdem loslassen kann. Im ersten Moment klingt das vielleicht paradox, denn beim Konzentrieren ist man normalerweise nicht entspannt. Aber im Yoga klappt das. Ich finde, dass das eine Kunst ist – gerade heute, weil der Druck so hoch ist und man die ganze Zeit danach strebt, in irgendeiner Form Erfolg zu erzielen.
Mit Deinem neuen Album bist Du gerade sehr erfolgreich. Beim Yoga übt man dagegen, auch mit Misserfolgen umgehen zu können. Wie erlebst du das persönlich?
Ich kann ja gerade einmal den herabschauenden Hund! (lacht) Und den Baum kann ich beispielsweise ganz schlecht halten: Da breche ich jedes Mal zusammen. Das ist natürlich frustrierend, wenn man in der Gruppe die einzige ist, die wackelt. Trotzdem gehe ich nie geknickt aus der Stunde, weil ich weiß, dass ich noch Anfängerin bin. Es ist schon eine ziemliche Herausforderung, eine Yoga-Übung korrekt zu machen. Da kommt man nur mit viel Übung hin und bis dahin muss man einfach etwas nachsichtig mit sich sein. Das kann ich ganz gut!
Bist du geduldig mit dir selbst?
Auf jeden Fall. Meine berufliche Laufbahn ist mit Geduld, Fleiß, Arbeit, aber auch mit Misserfolg verbunden. Ich habe den Erfolg nicht gepachtet. Mein Weg ist es, immer wieder aufs Neue loszugehen, mich zu messen und an dem zu reiben, „was da draußen ist“. Insofern bin ich es gewohnt, auch Misserfolge zu erleben, mich wieder aufzurichten und zu überlegen, was man vielleicht hätte besser machen können. Daher ist es kein Problem für mich, etwas nicht zu können und trotzdem dranzubleiben.
Du bist bewusst nach Schöneberg gezogen, weil du den ganzen Mitte-Trubel nicht brauchst. Und jetzt machst du die absolute Prenzlauer Berg-Trendsportart. Wie passt das zusammen?
Naja, es ist ja praktisch eine Welttrend-Sportart! Zum Glück ist Yoga derart trendy, dass ich das auch gleich hier um die Ecke machen kann. Ich hadere eher damit, dass es die verschiedensten Yoga-Richtungen gibt und alle für sich in Anspruch nehmen, die einzig wahre zu sein. Für mich fängt da die Kommerzialisierung an. Beim Yoga zählt für mich eigentlich nur, was ich für mich herausholen kann, wie die Atmosphäre ist und ob mir der Lehrer etwas erklären kann, das ich umsetzen kann. Ich gehe da hin, weil ich das Gefühl habe, dass Yoga gut für mich ist und ich mich dort wohlfühle. Insofern bin ich wohl tatsächlich noch ein Laie, weil ich noch nie dahinter gekommen bin – hinter all diese Yoga-Arten.
Lach-Yoga zum Beispiel…
Das ist witzig, dass du das gerade sagst. Als ich meine Platte aufgenommen habe, war ich natürlich ständig im Studio und musste viel warten. Während dieser Wartezeit habe ich zusammen mit meinem Toningeneur etwas Lustiges auf Youtube gesehen: Gesichtsyoga. Da wurden die komischsten Grimassen gezogen und man sollte mitmachen, um das Gesicht zu entspannen. Für mich wird da der Yoga-Begriff ad absurdum geführt.
Deine neue Platte ist sehr persönlich und offen. Für Yoga muss man auch bereit sein, sich zu öffnen. Beides zusammen ist geradezu ein Overkill an Offenheit! Wie passt das für Dich zusammen?
Manche Sportarten mache ich regelmäßig: Ich jogge fast jeden Tag und reite einmal pro Woche. Yoga mache ich dagegen eher phasenweise. Es gibt Phasen, in denen ich diese Offenheit habe und sich eine Schleuse öffnet. Dann tut es mir gut und ich fühle mich auch nicht ungeschützt.
Hast du dich auch mit der Yoga-Philosophie beschäftigt?
Aus der Philosophie des Yoga habe ich etwas gezogen, das man auf jeden Fall in sein Leben integrieren kann: Loslassen. Man sollte die Dinge auch einmal so lassen, wie sie sind, und nicht so sehr damit hadern. Das heißt aber nicht, dass man Dinge nicht verändern soll, wenn sie einem querliegen! Und es bedeutet auch nicht, dass man kritiklos durch sein Leben schreitet. Man akzeptiert einfach bestimmte Dinge so, wie sie eben sind, anstatt negative Energie auf sie zu verschwenden. Diese Energie schlägt am Ende nur zurück. So verstehe ich jedenfalls Yoga und das finde ich anziehend. Ich denke, dass wir Menschen in dieser erfolgsorientierten Zeit zwangsläufig alle in Situationen kommen, in denen wir im Wettbewerb mit anderen Menschen stehen. Vielleicht lernt man durch Yoga, in solchen Situationen bei sich zu bleiben. Und diese Akzeptanz in sein Leben einzubauen.
Glaubst du, dass du Yoga bereits vor zehn Jahren hättest machen können?
Hm. Nein, ich glaube, vor zehn Jahren wäre Yoga nicht das Richtige für mich gewesen. Das, worüber wir eben geredet haben, dieses Loslassen und Akzeptieren, hätte ich damals wohl mit „zu weich sein“ verwechselt. Für mich war Sport eher: „Härter, schneller, weiter.“
Würdest du auch alleine zu Hause Yoga praktizieren oder ist das für dich eher eine Gruppenangelegenheit?
Alleine zu Hause habe ich es auch schon probiert. Ich hatte mir eine tolle CD gekauft mit einem Foto-Booklet – eine sehr gute Yoga-Stunde! Wenn ich etwas anfange, will ich es immer perfekt machen. Also habe ich mich hineingestürzt – und natürlich alles falsch gemacht. Ich hatte solche Schmerzen danach… Ich musste mir eingestehen, dass ich mich nicht einfach mit einer CD irgendwohin zurückziehen und ernsthaft Yoga machen kann, ohne dabei etwas Essentielles falsch zu machen.
Ohne lange nachzudenken: Wenn du dich im Bezug auf Yoga ganz spontan zwischen zwei Dingen entscheiden müsstest, was würdest du wählen…
…Handstand oder Kopfstand?
Handstand – da er für mich eine größere Herausforderung bedeutet als der Kopfstand. Der Handstand ist definitiv etwas zum Angeben!
…alleine oder in der Gruppe?
Am liebsten natürlich alleine mit einem Lehrer ganz für mich. Aber das ist nun leider wirklich zu teuer.
…Bikram oder Lach-Yoga?
Bikram, das ist das mit der Hitze, oder? Bloß nicht.
…schwitzen oder zittern?
Beides. Beim Yoga will ich schwitzen und zittern!
…sportlich oder spirituell?
Sportlich! Natürlich habe ich mein eigenes Verständnis von Spiritualität. Aber nicht in der Gruppe – das ist mir zu viel. Aber ich kann „Om“ sagen, ohne mich dabei komisch zu fühlen! Das fand ich von Anfang an super. Om ist ein langer Ton, der sitzt irgendwo anders als der normale Sprechton. Aus der Sicht einer Sängerin finde ich, dass es ein sehr guter Ton ist. Ich freue mich immer schon darauf, wenn er angesagt wird: Oh, jetzt kommt das Om! Nicht deshalb, weil dann wer weiß was vor meinem geistigen Auge erscheint, sondern weil ich das Gefühl von „Om“ gut finde.
Kann Yoga etwas, das Musik nicht kann?
Wenn ich Musik auf der Performance-Ebene mit Yoga vergleiche, sind das zwei verschiedene Dinge. Wenn ich aber „Musik hören“ – also den Zustand – mit Yoga vergleiche, gibt es viele Parallelen. Weißt du, was ich meine? Wenn ich ein bestimmtes Lied höre, dann komme ich zu mir. Dieses Lied kriegt mich da, wo Yoga mich auch kriegt: ganz bei mir und konzentriert. Beides hilft, sich von allem Möglichen zu lösen. Es kann also ein ähnlicher Zustand sein.
Hat Yoga seinen eigenen Groove?
Na, auf jeden Fall! Ich finde, Yoga hat seinen ganz eigenen Rhythmus. Dieser Moment, in dem man merkt: „Oh, jetzt bin ich im Rhythmus.“ oder „Jetzt bin ich in der Bewegung.“, ist der Moment, für den man das alles macht.