„Yoga hat mein Leben gerettet“, sagte Drum’n’Bass-Legende Goldie im BBC Interview. Der erfolgreiche, dramatische und hoffnungsvolle Weg dieses vielseitigen Künstlers führte ihn neben seiner außergewöhnlichen Karriere durch zahlreiche Stationen der Sucht – und schließlich zu Bikram Yoga.
Der britische Allround-Künstler Goldie hat wahrlich ein bewegtes Leben hinter sich: In den Achtzigern flog er vom heimischen London aus nach New York, um dort U-Bahnen mit Graffiti zu besprühen, in den Neunzigern war er als DJ und Labelbetreiber einer der Pioniere des Drum‘n‘Bass und spielt auch heute noch in Clubs auf dem ganzen Globus. Er war mit der exzentrischen Sängerin Björk liiert und spielte den Bösewicht in Guy Ritchies „Snatch“ und dem James-Bond-Film „Die Welt ist nicht genug“. Abgesehen von seinen künstlerischen Erfolgen prägten allerdings auch Alkohol und Drogen das Leben des vielseitigen Mannes mit den auffälligen Goldzähnen – bis er eine Leidenschaft für sich entdeckte, die ihn auf einen ganz neuen Weg führte: Bikram Yoga.
YOGA JOURNAL: Goldie, du bist Produzent, DJ, Schauspieler, Künstler – und seit drei Jahren auch Yogi. Ist das ein Widerspruch oder die perfekte Kombination?
GOLDIE: Für mich ist es ein großartiger Zufall, würde ich sagen. Viele Leute, die sich zu Yoga hingezogen fühlen, haben – oder hatten – ein sehr kompliziertes Leben und haben schon alles mögliche ausprobiert. Vieles ist bei mir einfach nicht hängengeblieben und ich bin auch ein sehr skeptischer Mensch. Meine Musik war jedoch schon immer spirituell motiviert – aber ausdrücklich nicht im Sinne von Bäume umarmen. (lacht) Ich habe ein sehr hartes Leben geführt und hatte wirklich schwierige Zeiten. Irgendwann habe ich Bikram Choudhury getroffen, viel Zeit mit ihm verbracht und dadurch Yoga kennen gelernt. Bestimmte Leute fühlen sich zu bestimmten Dingen hingezogen, aber ich dachte nie, dass ich mich mal für Yoga begeistern könnte. Hätte mir das jemand vor ein paar Jahren erzählt, hätte ich ihn ausgelacht. Aber die Welt verändert sich stetig und ich mich natürlich auch. Ich bin in einer sehr künstlichen, sehr giftigen Umgebung aufgewachsen, und auch wenn Bikram Yoga nicht für jeden geeignet sein mag, passt es doch sehr gut zu meiner Struktur und ist mittlerweile sehr wichtig für mich. Ich habe mit einer Verletzung zu kämpfen – ich hatte eine komplizierte Fraktur am linken Fuß und hadere oft mit meiner Praxis, aber ich hätte nie gedacht, dass ich mich überhaupt über einen Zeitraum von drei Jahren regelmäßig vier- bis fünfmal die Woche so intensiv einer Sache widmen könnte. Es ist zwar anstrengend, aber auch ein Segen für mich. Wegen meiner Verletzung ist es zum Beispiel sehr schwierig für mich, im Baum zu stehen. Aber auch das habe ich durch Yoga gelernt: Manche Haltungen werden durch die Praxis einfacher und manche bleiben eine Herausforderung. Für mich als Suchtkranken ist diese Erkenntnis eine große Hilfe.
Wie kamst du eigentlich zum Bikram Yoga?
Wie gesagt, ich habe Bikram getroffen und wir verstehen uns sehr gut. Wir sprechen regelmäßig miteinander, auch gern mal über Autos und sonstige alltägliche Themen. Ich hatte damals eine ziemlich wüste Scheidung hinter mir und mir außerdem ein Bein gebrochen – ausgerechnet das linke, also das auf der weiblichen Seite des Körpers. Ich beschäftige mich ja bereits seit 15 Jahren mit Akupunktur und solchen Dingen – ich fühlte mich also schon lange zu etwas Bestimmtem hingezogen, wusste aber nie, wozu genau. Nachdem ich Bikram getroffen hatte, besuchte ich mal eine zweistündige Masterclass bei ihm. Dabei haben wir viel über seine Gurus, seine yogischen Wurzeln und seine Anpassung an den Westen gesprochen, und dadurch habe ich einige Dinge besser verstanden. Die menschliche Seele lässt sich gerne täuschen. Ich selbst habe schon mehrere Entzüge und Therapien gemacht, aber für mich hat nichts davon funktioniert. Ich bin auch immer ins Fitnessstudio gelaufen und habe gepumpt wie ein Blöder, aber das war vor allem eine Sache meines Egos. Ich bin eine sehr aggressive Person und Bikram war mit vielem, was ich ihm über meine Problembewältigungsstrategien erzählte, überhaupt nicht einverstanden. Bei Bikram ging es vielmehr darum, das Ego an der Tür abzugeben und „abzurüsten“. Ich glaube, darum geht es auch beim Yoga. Ich finde es immer noch lustig, dass mich das so gepackt hat. Neulich sollte ich zu einem DJ-Gig fliegen und habe meinen Flug verpasst. Klar machte ich mir auch Gedanken um den Gig, aber eigentlich dachte ich mir nur: Scheiße, ich wollte ja vorher noch ins Yogastudio, das klappt jetzt auch nicht mehr. (lacht) Yoga gibt mir also etwas, worauf ich mich freuen kann. Auch für meine Kunst ist Yoga sehr zuträglich: Ich kann mich viel besser auf meine Arbeit fokussieren und habe im letzten Jahr viel mehr erschaffen als je zuvor. Sowohl mein Schlaf- als auch mein Arbeitsrhythmus haben sich durch die Yogapraxis entscheidend verbessert. Heute ist der erste Tag seit einem Jahr, an dem ich wirklich frei habe – ich arbeite zurzeit wirklich konstant.
Also hilft dir Yoga dabei, dich auf das zu konzentrieren, was du eigentlich tun willst?
Ohne jeden Zweifel. Yoga hat mir sehr dabei geholfen, mich auf meine Musik zu konzentrieren – und ganz besonders auf meine Kunst. Die Wolken haben sich gelichtet, kann man sagen. Normalerweise bin ich schnell dabei, Ideen oder angefangene Werke zu verwerfen – wir wollen eben alles sofort und gleich. Das ist ja auch der Grund, warum Menschen Drogen nehmen: Sie wollen eine sofortige Wirkung erleben. Auch was den physischen Aspekt meiner Person angeht, habe ich mich sehr verändert: Ich habe deutlich abgenommen, meine Ernährung hat sich gewandelt. Das vollzog sich auf eine natürliche Art und Weise, ich will mittlerweile einfach ganz andere Sachen essen und ernähre mich gesünder. Aber die physischen Veränderungen sind eigentlich nur ein Nebeneffekt, die wichtigsten Veränderungen haben sich auf psychischer Ebene eingestellt.
Für viele Übende geht mit der Praxis auch eine Umstellung der Ernährung einher. Was hast du konkret verändert?
Ich habe immer wieder Detox-Diäten gemacht, zum Beispiel die Lemon Detox Diet. Das war schon hart, aber nach zehn Tagen ohne gesättigte Fettsäuren in der Nahrung erkennt man diese Fettsäuren recht schnell in seinem Essen. Man wird sich bewusst, was man da eigentlich isst. Vieles von dem, was ich früher gegessen habe, war eigentlich gar nicht das, was ich essen wollte. Seit ich Yoga mache, esse ich viel weniger, aber dafür viel besser.
Bist du jetzt eigentlich Vegetarier?
Nein, nein. Überhaupt nicht. Ich liebe Fleisch, ich liebe ein gutes Steak. So bin ich eben. Beziehungsweise bin ich noch nicht so weit, kein Fleisch mehr zu essen. Aber was die Qualität meiner Nahrung angeht, hat sich schon sehr viel verbessert. Ich weiß, dass viele Übende irgendwann aufhören, Fleisch zu essen. Aber ich bin ja quasi noch ein Yoga-Neuling und bisher konnte mich auch niemand davon überzeugen, dass es besser sei, kein Fleisch zu essen. Aber hey, lasst mir doch einfach ein bisschen Zeit dafür! (lacht) Wer weiß, was sich in Zukunft noch ergibt.
Übst du eigentlich alleine?
Ich übe nicht alleine. Ich bin in der Klasse, zusammen mit den anderen Soldaten. (lacht) Ich mag das. Mir geht es wirklich nicht darum, irgendwo auf dem Land bei einem Retreat Einzelstunden zu bekommen. Ich mag es, in einer Klasse zu üben. Ich mag den Aspekt der Disziplin, der damit einhergeht. Die anderen Leute gehen ja auch dorthin, um sich zu verändern, man hat also das gleiche Ziel. Ich will mich in dieser Hinsicht nicht isolieren. Ich war auch schon in Power-Yoga-Klassen und versuche manchmal daheim ein paar Haltungen, aber es geht nichts über eine Klasse mit den 26 Haltungen von Bikram. Vor allem mit den ganzen Hilfsmitteln wie Blöcken und Gurten kann ich nichts anfangen – ich mag es pur. Aber wer weiß, wie ich das nach fünf Jahren Yoga sehen werde? Gerade funktioniert es für mich so am besten, das hat sich bei mir festgesetzt.
Hast du schon mal darüber nachgedacht, selbst Yogalehrer zu werden?
Ich mag die Idee, ein Schüler, ein Übender zu sein. Vielleicht kommt ja eines Tages der Zeitpunkt, an dem ich genügend Disziplin in meiner Praxis etabliert habe, um auch über diese Brücke zu gehen. Derzeit genieße ich es einfach, zu üben.
Ist der Aspekt der Disziplin schwierig für dich?
Oh, in den ersten sechs, sieben Monaten war es auf jeden Fall schwierig. Ich habe zwei Tage Yoga geübt, dann war Wochenende und ich habe mich fürchterlich niedergesoffen – und dann wieder von vorne angefangen. Manche können das, aber ich kann einfach nicht beides haben, Mann. (lacht) Im ersten Jahr habe ich zum ersten Mal wirklich wahrgenommen, wie vergiftet ich eigentlich war. Das war für mich ein Weckruf. Ich habe auch gelernt, dass es im Yoga auf ganz andere Dinge ankommt. Wenn du so einen riesigen Ochsen im Fitnessstudio siehst, dann weißt du: Der kann auf jeden Fall richtig schwere Gewichte stemmen. Dann gehst du zum Yoga und siehst Leute, die dicker, dünner, kleiner oder größer sind als du – und die hebeln einfach mal die Schwerkraft aus. Wir sind eben alle unterschiedlich und man kann Yogis nicht nach ihrem Äußeren einschätzen. Und beim Yoga geht es nicht um Wettbewerb. Das hat mir sehr dabei geholfen, über diesen Ego-Scheiß hinwegzukommen. Durch Yoga habe ich sehr viel gelernt, ich kann mich besser auf meine Musik und auf meine Kunst konzentrieren – und obendrein bin ich mit mittlerweile 47 Jahren in der besten körperlichen Verfassung meines Lebens.