In ihren Beratungen verbindet Sonja Schön Astrologie und Yogaphilosophie, da beide Systeme auf einem universellen Schöpfungsverständnis basieren und die Verbindung zwischen Mensch und Kosmos betonen. Astrologie ist für sie die Kunst, in allen Bereichen zum richtigen Zeitpunkt das Richtige zu tun – oder zu lassen.
Sonja, weshalb ist die Astrologie in der heutigen Zeit für so viele Menschen nach wie vor aktuell?
Die Astrologie kann eine große Lebenshilfe sein, denn ein Horoskop zeigt die eigenen Stärken und Schwächen auf. Es hilft, Herausforderungen zu meistern und das eigene Dasein im Einklang mit dem Universum zu führen. Außerdem lässt sich erkennen, welche Themen im Augenblick angesagt sind, auf was man sich konzentrieren kann und welche energetischen Erfahrungen in nächster Zeit höchstwahrscheinlich gemacht werden. Unter anderem ist Astrologie die Lehre von der Zeitqualität: Wer in diesem Sinne an sich arbeitet, wird auch mit Widerständen besser umgehen, sich in ungünstigen Situationen zurückhalten und damit Schwierigkeiten vermeiden. „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde (…) Man mühe sich ab, wie man will, so hat man keinen Gewinn davon“, sagt der Prediger Salomo in der Bibel.
Warum macht es Sinn, Astrologie und Yoga miteinander zu verbinden? Gibt es ein gemeinsames Weltbild, ähnliche Einflüsse, eine ähnliche Ausrichtung oder Sinnhaftigkeit hinter beiden Systemen?
Beide Systeme sind sehr alt und stellen deshalb ein Urwissen der Menschheit dar. Sie wurzeln auf einem universellen Verständnis der Schöpfung und befassen sich mit der engen Wechselbeziehung zwischen Mensch und Kosmos.
Was unterscheidet die abendländische von der vedischen Astrologie?
Es gibt große Unterschiede: Sie liegen in der Rolle und Deutung des Mondes und der Mondknoten, der Benutzung der Tierkreise, der Anordnung und Zählung der Häuser, sowie bestimmter Prognose- und Deutungsmethoden, die eng mit der Karmalehre zusammenhängen. Die erst in der Neuzeit entdeckten Planeten Uranus, Neptun und Pluto spielen in der abendländischen Astrologie eine viel größere Rolle als in der vedischen. Diese arbeitet mit Häusern, die im Uhrzeigersinn – also entgegengesetzt zum abendländischen Horoskop – angeordnet werden. Außerdem ist die graphische Darstellung rechteckig.
Welche Rolle spielen der freie Wille, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung in der Astrologie?
Astrologiegegner führen immer wieder ins Feld, die Astrologie sei deterministisch und lasse Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung keinen Spielraum. Das stimmt nicht. Gerade die abendländische Astrologie betont den freien Willen und das aus dem Horoskop ersichtliche Entwicklungspotenzial. So war schon Johannes Kepler der Überzeugung: „Die Sterne zwingen nicht, sie machen nur geneigt.“ Das Horoskop enthält bestimmte Anlagen und Möglichkeiten, aber es besteht keine zwingende Notwendigkeit, sie zu verwirklichen. Der Mensch ist den kosmischen Kräften, seinem Erbgut, seiner Erziehung oder Sozialisation nicht ausgeliefert. Er verfügt stattdessen über einen freien Willen, mit dem er aus dem vorhandenen vielfältigen Potenzial sein eigenes Schicksal gestalten kann. Goethe bringt es auf den Punkt: „Wir sind geprägte Form, die lebend sich entwickelt.“ Ganz anders ist es in der vedischen Astrologie. In Asien ist die Weltanschauung weit verbreitet, wonach Individualität und freier Wille gegenüber der Einbindung des Menschen in kosmische Zusammenhänge und soziale Strukturen einen erheblich geringeren Stellenwert haben. Dem, was dort vorgegeben ist, kann er sich nicht entziehen. Die deterministische Deutung eines Horoskops wird deshalb nicht als Begrenzung der Persönlichkeit verstanden, sondern als Hilfe, seinen Platz zu erkennen. Dadurch erhält der Mensch Sicherheit und Orientierung.
Glaubt die abendländische Astrologie an Konzepte wie Karma und/ oder Dharma?
Ja, die abendländische Astrologie geht von dem Kreislauf der Wiedergeburt sowie dem Gesetz von Ursache und Wirkung aus. Sie sieht im Horoskop die Möglichkeit, die Wirkung vergangener Taten für das jetzige Leben zu erkennen. Hinweise auf die karmische Vergangenheit geben beispielsweise der über das 8. Haus herrschende Planet Pluto sowie das entsprechende Zeichen Skorpion. Ganz wichtig ist im Horoskop auch die so genannte Mondknotenachse: Sie vereinigt symbolisch Sonne und Mond, weil sich hier Sonnen- und Mondbahn treffen. So geht es zunächst um die Begegnung zweier Pole. Der absteigende Mondknoten entspricht der Vergangenheit, also dem, was jemand aus vergangenen Leben mitbringt, was man quasi „geerbt“ hat. Der aufsteigende Mondknoten steht für die Zukunft, das, wohin sich ein Mensch entwickeln soll. Es geht bei den Mondknoten nicht darum, den einen hinter sich zu lassen und dem anderen entgegenzueilen. Vielmehr soll es zu einem Ausgleich der beiden Pole kommen. Die Mondknotenachse kann als ein übergeordnetes Thema im Horoskop angesehen werden, als „Quintessenz“ der jetzigen Inkarnation.
Gibt es „besonders“ spirituelle Tierkreiszeichen und was macht diese aus?
Ja, das sind die Tierkreiszeichen, die dem Element Wasser zugeordnet werden, nämlich Krebs, Skorpion und Fische, aber auch Menschen, die sehr viel Wasser im Horoskop haben. Wasser ist der Ursprung allen Lebens und symbolisiert Emotion und Intuition. Hier herrscht der Instinkt über dem Intellekt. In seiner spirituellen Dimension wird das Wasser zum Träger der allumfassenden göttlichen Liebe.
Sind generell bestimmte astrologische Einflüsse für einen spirituellen Weg besonders förderlich?
Ja, hier spielt Neptun eine große Rolle. Er symbolisiert die kosmischen Antennen eines Menschen, lässt ihn Übersinnliches und Feinstoffliches erspüren und verborgene Zusammenhänge erahnen. Neptun steht für die Sehnsucht des Menschen, sein Alltagsbewusstsein zu überwinden und das Höchste zu schauen. Dabei gilt Neptuns eigentliches Streben dem Spirituellen, das aber häufig mit Spirituosen und anderen Rauschmitteln verwechselt wird. Zur Zeit befindet sich Neptun im Tierkreiszeichen der Fische, also an dem Ort, wo er zuhause ist und deshalb besonders stark wirken kann. Spirituelle Themen sind „in“. Aufopferungsbereitschaft, Nächstenliebe und Esoterik werden idealisiert.
Welche Rückschlüsse kann man aus dem persönlichen Horoskop auf den passenden Yogastil oder besonders geeignete Asanas ziehen?
Wenn man das eigene Horoskop betrachtet, wird einem klar, warum man sich mit bestimmten Übungen schwer tut, während einem andere von Natur aus leicht fallen. Dadurch kann man seine Übungen so ausrichten, dass sie Schwächen ausgleichen und Potenziale entwickeln. Hat jemand zum Beispiel eine starke Planetenbesetzung im Widder oder im Skorpion, ist er in der Regel selbstbewusst und dominant. Übungen, die Hingabe und eine gewisse Demut erfordern, wie zum Beispiel die Stellung des Kindes, können für diese Person Herausforderung und Bereicherung zugleich sein. Wer zum Beispiel überaus diszipliniert und verantwortungsvoll ist, wie ein Steinbock oder ein Jungfrau-geprägter Mensch, dem tun Meditationen gut, die ihm helfen, innerlich loszulassen und dadurch lockerer zu werden.
Kann man anhand des Sternzeichens verschiedene Schwerpunkte setzen oder muss man die Gesamtkonstellation der Planeten berücksichtigen? Welche Aspekte des Horoskops sind besonders wichtig?
Hier gilt es zu differenzieren: Körperliche Schwachstellen erkennt man nicht am Sonnenzeichen, sondern im 6. Haus des individuellen Horoskops. Dieses Haus und seine Planetenbesetzung geben darüber Auskunft, auf welche Körperregionen man besonders achten sollte. Der praktische Nutzen aus diesem Wissen führt dazu, dass man gezielt Übungen auswählt, welche diese Bereiche stärken, flexibilisieren und entspannen, und ihnen besondere Achtsamkeit widmet. Beispiel: Wer das 6. Haus im Stier hat, sollte bei Haltungen wie Schulterstand oder Pflug besonders behutsam mit seinem Nacken umgehen. Auch ayurvedische Maßnahmen können passend hinzugezogen werden. So wären zum Beispiel beim 6. Haus im Skorpion gelegentliche Darmreinigungen mit Basti (Einläufen) besonders empfehlenswert, beim 6. Haus im Widder Stirngüsse. Ergänzend kann man auch Heilsteine und Heilpflanzen verwenden. In der abendländischen Astrologie werden die Tierkreiszeichen jeweils einem der vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft zugeordnet.
Gibt es Parallelen zum Ayurveda und lassen sich über die Elemente typgerechte Ernährungs- und Gesundheitstipps ableiten?
Typgerechte Gesundheitstipps lassen sich über die Elemente durchaus ableiten und zwar insbesondere über die Elemente, die im individuellen Horoskop schwächer besetzt sind. Im Sinne der Ganzheit sollte man diese stärken. Wer zu wenig Feuer hat, sollte dynamische Yogaübungen bevorzugen. Wer zu wenig Luft hat, sollte Pranayama in sein Programm einbauen. Wer zu wenig Wasser hat, braucht vor allem Achtsamkeitsübungen. Wer zu wenig Erde hat, sollte den Boden unter sich spüren, wie zum Beispiel bei der Krokodilhaltung (Jathara Parivartanasana). Ernährungshinweise lassen sich in der abendländischen Astrologie nicht über die vier Elemente, sondern über die Stellung des Mondes ablesen. Der Mond symbolisiert immer die eigenen Bedürfnisse, auch in kulinarischer Hinsicht. Ist der Mond in einem Feuerzeichen, sollte man gut gewürzt und erdig essen, ist der Mond in einem Luftzeichen, kommen vor allem Gegrilltes, Desserts und Früchte in Frage. Der Mond in einem Wasserzeichen will vor allem Suppen, Erdzeichen bevorzugen vegetarische Gerichte mit viel Gemüse und Salat.
Sonja Schön, geboren 1965 in Göppingen, hat Jura studiert und ist Absolventin der Deutschen Journalistenschule in München. Sie arbeitet als Autorin und schreibt einen Blog. Astrologie lernte sie bei Hajo Banzhaf, Brigitte Theler und Rüdiger Dahlke, seit 2003 ist sie als Astrologin tätig.