Du bist nicht gerade als Yogi bekannt, hast aber die Schirmherrschaft des 6. Yoga Vidya Musikfestivals übernommen. Wie kam diese Kooperation zustande?
Das war keine große Sache – ich wurde angefragt und habe zugesagt. Ich finde das Festival unterstützungswert, da ich die Kombination aus Musik und Yoga als spannende Mischung empfinde. Und klar war es bis jetzt nicht so, dass ich meine Freude am Yoga so deutlich nach außen getragen habe. Das liegt daran, dass meine Begeisterung für Yoga noch recht jung ist.
Seit wann spielt Yoga eine Rolle in deinem Leben?
In der Theorie kenne ich Yoga natürlich schon sehr lange. Und wenn man sich ein wenig mit der Jahrtausende alten Philosophie auseinander setzt, wird schnell klar, dass es ein geniales Prinzip ist. Mich fasziniert an diesem System der Gesunderhaltung, dass es nicht nur die Körper- und Atemübungen umfasst, sondern auch die komplette Schule der Ernährung.
Bist Du über den Vegetarismus zum Yoga gekommen?
Dieser Aspekt hat eine Rolle gespielt, aber ich bin eher aus generellem Interesse an der Frage ‘Was ist gut für mich als Mensch?’ auf Yoga gestoßen. Allerdings muss ich gestehen, dass ich noch keine regelmäßige Yogapraxis kultiviert habe. Aber meine Frau gibt mir seit neuestem Hatha-Yoga-Stunden.
Wie sah dein Sportprogramm bisher aus?
Während meiner Pubertät wollte ich unbedingt zunehmen, weil ich so ein Leichtgewicht war. Das lief damals ganz klassisch über Bodybuilding. An die Stelle der Muckibude trat aber im Laufe der Zeit – und vielleicht auch mit dem Wachsen der Vernunft- ein Gesundheitsbewusstsein. Mittlerweile liegt der Fokus eher auf Stärkung der Ausdauer. Ich laufe regelmäßig. Demnächst werde ich an diesem wahninnigen Braveheart Battle in der Rhön teilnehmen – ein 20 Kilometerlauf mit krassen Hindernissen. Aber so etwas muss ich mir ab und zu geben, damit ich auch einen Grund habe zu trainieren.
Und Dich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen?
Ja, wobei ich bemerke, dass es mir verstärkt um Flexibilität geht – gerade in meinem hohen Alter (lacht). Es ist mir wichtig, dass alles im Fluß ist. Im Gegensatz zu meinem früheren Ziel, härter und kräftiger zu werden, ist es jetzt mein Wunsch, eher weicher, geschmeidiger, gelenkiger und flexibler zu sein.
Womit hängt dieser Wandel zusammen?
Früher ging es darum sich querzustellen, unangepasst und hart zu sein oder sogar zu blockieren. Vielleicht ist es eine Frage der eigenen persönlichen Reife, jedenfalls habe ich irgendwann realisiert, dass mir diese Blockaden nicht gut tun. Es geht vielmehr darum, mit sich ins Reine zu kommen und dadurch zu einer weicheren Form der Körperbewegung und Körperwahrnehmung überzugehen. Das mag nach außen hin nicht so cool sein, aber vielleicht kommt das ja noch.
Ist Laufen eine Form von Meditation für Dich?
Auf jeden Fall. Sport allgemein ist für mich eine Form von Meditation, die sich mir sehr gut erschließt. Ich habe einen umtriebigen Geist und mache mir gern Gedanken. Und da Worte mein Handwerkszeug sind, denke ich natürlich sehr viel über Texte und neue Ideen nach. Aber es ist ja auch bekannt, dass allem die Stille des Nicht-Denkens zugrunde liegt – die Pause zwischen den Gedanken. Und die weitet sich bei mir besser in Bewegung als im stillen Sitzen aus.
Das Laufen hilft Dir, ein Gedankenloch zu schaffen, um danach kreativ zu werden?
Je länger ich laufe, desto weniger Gedanken kommen auf und am Ende ist es dann nur noch eine Konzentration auf den nächsten Schritt, auf das nächste Atmen. Laufen führt mich zurück zu diesem Moment, zu diesem einen Augenblick, in dem wir uns alle befinden, der durch unsere Gedanken und unseren Verstand allerdings die meiste Zeit als unrealistisch oder uninteressant deklariert wird. Tatsächlich ist er die Essenz, die Wahrheit, in der wir uns alle befinden. Dieser Gedanke ist das ewige Jetzt – dem kommt man im Sport sehr nahe, vielleicht auch beim Sex, sicherlich auch im Yoga oder der Mediation.
Nutzt Du das Laufen, um auf Tour abschalten zu können?
Nein, es ist eher eine Vorbereitung auf eine Tour oder Festivals, um fit zu bleiben. Die Tour ist die Zeit, auf die wir hinarbeiten, es ist die Zeit zu ernten. Wenn wir auf der Bühne stehen und mit der Band abrocken ist das fast wie ein Rausch. Es ist ein ekstatischer Zustand, der soviel Endorphine freisetzt, die ich womöglich mit einer Runde Joggen vor dem Konzert alle schon vorher abbauen würde. Wäre ja schade drum.
Welche Rolle spielt die Energie des Publikums?
Diese enorme Beanspruchung wäre ohne deren Energie und das Momentum auf der Bühne nicht möglich.
Das Momentum auf der Bühne?
Wenn jeder von uns und der Band zur richtigen Zeit seinen Teil dazu gibt, entwickelt sich ein bestimmtes Ganzes. Wobei wir eigentlich nichts erschaffen. Musik ist ja keine Materie in dem Sinne, sondern es sind Töne und Schwingungen, die wieder verschwunden sind, sobald der letzte Ton verklungen ist. Aber wenn wir richtig gut waren, dann schwingt beim Publikum etwas nach und das nehmen sie mit nach Hause. Erst dann haben wir etwas geleistet, was tatsächlich Bestand hat und den Moment überlegt. Das hat etwas Magisches.
Wieviel Thomas D steckt im neuen Fanta 4 Album „Für Dich Immer Noch Fanta Sie“?
Ich glaube jeder gibt 100 Prozent, wenngleich Fanta 4 verlangt, sich manchmal zurück zu nehmen. Seinen Willen nicht immer durchsetzen zu können und auch mal anderen Platz lassen, das mussten wir über die Jahre erst lernen. Wenn die vier Fantas mehr als die Summe der einzelnen Teile sein wollen, muss man sich auch mal zurücknehmen oder still halten können.
Sich auch mal zurücknehmen – ist diese Haltung auch eine logische Konsequenz deines Vaterseins?
Ja auf jeden Fall, bei zwei Kindern – Lya ist jetzt sieben und Max zwei Jahre alt. Aber den anderen Jungs geht es ähnlich. Smudo hat gestern sein neuestes Kind bekommen. Andi ist vor einem halben Jahr Vater von Zwillingen geworden. Allein wegen des Nachwuchses war es nicht immer für alle möglich, am Start zu sein. Aber trotz dieser wilden Bedingungen ist das Ergebnis ein grandioses Album.
Was zeichnet Euer achtes Studioalbum aus – neben väterlichen Glücksvibes?
Ich glaube, der entspannte Umgang miteinander, mit der Musik und natürlich ist auch das, was wir in den letzen zwanzig Jahren gelernt haben, darauf zu finden. Das kann natürlich auch nach hinten los gehen, weil Erfahrung betriebsblind machen kann. Oder man steckt in einer ‘ich will nichts mehr Neues, weil das Alte gut ist’-Schleife fest. Aber so war es Gott sei Dank noch nie. Wir haben immer versucht einen neuen Schritt zu machen, eine neue Richtung einzuschlagen oder zumindest für uns eine Weiterentwicklung zu finden. Das ist uns auch bei diesem Album gelungen.
Hattest Du noch nie das Gefühl, dass du dich im Kreis drehst und sich alles wiederholt?
Natürlich kommt jeder Künstler irgendwann an einen Punkt, an dem er sich sagen müsste: Ich habe genug Texte geschrieben oder genug Lieder gemacht. Ich hab meinen Love-Song, ich hab meinen Hass-Song, ich hab meinen Song für etwas und gegen etwas. Es gibt Emotionen, über die schon Millionen Lieder geschrieben wurden. Dann fragt man sich: Wer braucht jetzt noch ein Liebeslied? Aber dann kommt ein Musikstück um die Ecke oder ein Gefühl verändert sich, weil man sich als Mensch verändert. Dann hast du plötzlich wieder einen Grund für einen Lovesong, der sich dann nicht anhört wie der letzte, weil er aus einer anderen Perspektive geschrieben ist oder eine andere Herangehensweise beinhaltet. Es geht nicht immer darum, den neuesten ultimativen Supersong zu schreiben. Manchmal geht es nur um ein schönes einfaches Lied, das dir ein gutes Gefühl gibt. Ich hab mich ein bischen entspannt in dem Punkt, das nächste große Monsterding erfinden zu müssen.
Inwieweit beinflusst Deine Lebensweise auf dem M.A.R.S. (Moderne Anstalt Rigoroser Spakker) auf dem Land diese Einstellung? Das erklärte Ziel deiner Land-Kommune ist die Entfernung vom Stadtleben, um eine gewisse Entschleunigung zu kultivieren. Allerdings habt ihr auf dem Bauernhof ein Plattenlabel, ein Film- und Tonstudio und einen Musikverlag. Wie trennst Du Leben und Arbeiten?
Die Idee der Kommune war nicht, aus der Gesellschaft auszusteigen. Vielmehr wollen wir als Teil der Gesellschaft ein alternatives Lebensmodell präsentieren. Das funktioniert mal mehr und mal weniger. Es ist ein täglicher Versuch, indem wir hier Firmen aufbauen und in der Entschleunigung trotzdem noch gesellschaftlich und wirtschaftlich tätig sind. Es ist die Herausforderung, Kunst und Kommerz zu verbinden.
Das funktioniert?
Es ist natürlich nicht einfach, aber es bereichert mich sehr, weil wir doch mehr der Kunst folgen als dem Kommerz. Und wie gesagt, es klappt mal mehr und mal weniger. Ich bin ein Landei, ich liebe das Leben hier draußen. Und gleichzeitig lebe ich gern mit anderen zusammen. Was dazu führt, dass es hier eine eigene Familie neben meiner wirklichen Familie gibt. Ich bin dauerhaft von Freunden und Gleichgesinnten umgeben.
Altersmäßig seid ihr gemischt…
Wir sind neun Erwachsene und drei Kinder. Und von jedem einzelnen kann ich unheimlich viel lernen. Mir ist früh klar geworden, die eigenen Erfahrungen und Werte nicht als die alleinige Wahrheit aufzufassen und zu glauben, alle anderen müssten auch so funktionieren. Meistens hat es mehr Sinn offen zu bleiben und Menschen die eigenen Fehler machen zu lassen. Und so lerne ich lieber von den anderen, und schaue, wie die das machen anstatt ihnen zu erklären, wie sie es machen sollen.
Ihr beschreibt die Lebensweise auf dem M.A.R.S. als friedlich-spirituell orientiert. Inwiefern lebt ihr spirituell?
Wir verstehen darunter einen bewussten Umgang miteinander und mit den Ressourcen. Wir leben nachhaltig, das fängt bei Hybridautos an, geht über unsere Solaranlage, eine Pelletsheizung bis hin zu veganer oder vegetarischer Ernährung. Das sind Eckpunkte, bei denen wir uns einig sind. Und in dieser Art und Weise versuchen wir, in Harmonie miteinander zu leben.
Laut Website bietet der M.A.R.S. Fastenwochen, Schweigetage und Mantren Singen mit Hare Krishna Mönchen. Habt ihr diese Aktionen wirklich durchgeführt?
Jaja (lacht), das haben wir alles gemacht. Wir sind sehr offen für solche Experimente. Wir finden es spannend, einfach mal zu schauen, was passiert. Beim Fasten etwa empfand ich es unglaublich faszinierend, wie schnell man innerhalb einer Woche extremste Erfahrungen machen kann, die von ‘Oh mein Gott, ich habe Hunger!’ bis hin zu ‘Wahnsinn, ich brauche nur noch vier Stunden Schlaf’ reichten.
Und die Mantren-Sessions?
Eines Tages tauchten hier einige Hare Krishna Anhänger auf, mit denen wir gesprochen und Musik gemacht haben. Ich wurde auch schon von einem Pfarrer aus Mittelbiberach zu einem Kirchentag eingeladen und mit dem Flyer, „Kirche und Thomas D – Glaube And More“ (lacht) angekündigt. Da musste ich einfach hingehen. Lektionen in Demut mit Thomas D in der Kirche.
Bist Du eigentlich mittlweile Veganer?
Nein, ich war Veganer, bin aber mittlerweile wieder Vegetarier. Ich kann nicht ohne Eier leben. Jetzt beziehe ich meine Eier- und Milchprodukte direkt vom Bauern gegenüber. Ich kenne die Hühner mit Namen und weiß auch, wo und wie sie leben. Die Milch ist Rohmilch und nicht ultrahocherhitzt. Wobei ich bis zu dieser Milch auch keine Milch getrunken hatte. Milch ist mir irgendwie nicht so sympathisch. Außerdem war es unheimlich schwer, sich außerhalb von Zuhause vegan zu ernähren.
Zur Zeit stehst Du auf Rohkost.
Ja, ich bin total begeistert davon. Rohkost ist eine sehr energetische Nahrung.
Leben die beiden Schweine noch bei Euch?
Ja, Erika und Schnute. Erika wird vielleicht mal die älteste Sau Deutschlands – sie ist bereits zwölf Jahre alt.
Ernähren Du und Deine Frau Eure Kinder auch vegetarisch?
Ja, völlig klar. Später können sie machen, was sie wollen. Ich werde nichts unternehmen können, wenn sie ihren ersten Klassenausflug zu McDonalds machen. Meine Frau und ich sorgen allerdings dafür, Lya und Max aufzuklären und ihnen zu vermitteln, woraus Wurst gemacht wird.
Das Schizophrene in unserer Gesellschaft ist ja die Doppelmoral, die totes Fleisch auf dem Teller nicht mehr mit Lebewesen assoziiert. Dann hört man ‘Ach was für ein süßes Häschen’ und zu Ostern gibt es dasselbe dann zum Mittagessen. Ich glaube, wenn Kinder wirklich wissen würden, aus was die Wurst besteht, die sie essen, würden viele freiwillig damit aufhören.
Über Vegetarismus stößt man unmittelbar auf das Karma-Prinzip. Glaubst Du an das Ursache-Wirkung-Konzept?
Auf jeden Fall. Vielleicht ist es die Hoffnung auf eine größere Gerechtigkeit, um sich selbst einfach besser zu fühlen. Aber wenn man die Einheit sieht, aus der die Vielfalt entspringt, und die Einheit als Ursprung der Dualität erkennt, dann kann das eigentlich nur bedeuten, dass deine Taten einen Effekt haben, der auf dich zurückfällt. Ich kann nicht sagen, ob das in diesem oder in einem nächsten Leben geschieht, aber ich glaube daran. Ich finde, es ist eine extrem eingeschränkte Sicht- und Handlungsweise, die Umwelt zu verpesten und zu denken ‘Nach mir die Sintflut’. Diese Sintflut werden erleben und zwar in vollem Umfang – davon bin ich überzeugt.
Thomas D wurde Anfang der neunziger Jahre mit der Hip-Hop Band „Die fantastischen Vier“ bekannt und katapultierte mit dem Track „Die Da“ den deutschen Rap Richtung Mainstream. Seit 1997 ist er auch solo unterwegs. Der 41-Jährige, der mit bürgerlichem Namen Thomas Dürr heißt, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Mehr Infos: www.thomasd.net, www.diefantastischenvier.de