Zum Tanzen muss man nicht aufs Wochenende warten. Statt sich von Schwierigkeiten paralysieren zu lassen, ist die beste Methode: den Rhythmus mit ihnen finden. Man darf sich dabei auch Zeit lassen.
Vielleicht können die Götter sich eine Gewisse Coolness leichter leisten als wir. Wenn wir aber davon ausgehen, dass all die bunten Göttergeschichten nur erzählt worden sind, um uns daran zu erinnern, welche Kräfte in uns selbst schlummern, dann können wir eigentlich anfangen, genauso elegant und großzügig durchs Leben zu gehen.
In der Harivamsa Purana gibt es viele schöne Geschichten aus Krishnas Jugend. Man kann sich da einen wetterharten Teenager vorstellen, der heute vielleicht Freeclimber oder Surfer wäre. Beim Spielen mit seinen Kumpels war ihnen einmal ihr Ball ins Wasser gefallen. Und zwar ausgerechnet an der Stelle des Flusses Yamuna, wo die schreckliche Schlange Kaliya hauste. Das Wasser dort war undurchdringbar tief und dunkel; giftige, stechende Dämpfe stiegen auf und kein friedliches Lebewesen konnte hier mehr existieren. Trotzdem kletterte Krishna auf einen Baum – und auch dieser konnte hier nur blühen, weil Krishna ihn gerade berührt hatte – und sprang in die dunklen Fluten.
Ob bei Grimms Märchen oder in den alten Göttergeschichten: Dunkle Seen sind oft ein Zeichen für die Tiefen unserer eigenen Seele. Krishna wurde natürlich gleich von Kaliya angegriffen, die sich mit ihrer ganzen Länge um ihn wand, und mit ihren vielen Köpfen ätzendes Gift auf ihn spuckte. Er wehrte sich aber zunächst nicht einmal. Stattdessen ließ er die Schlange all ihr Gift auf ihn speien. Erst als er bemerkte, dass seine Freunde am Ufer sich Sorgen um ihn machten, begann er, sich langsam aus Kaliyas Umklammerung zu lösen. Er hüpfte nach oben, landete auf ihrem Kopf und begann darauf zu tanzen. Aus dem Drama des Streits machte er ein ästhetisch anmutendes Ballett. Die Wellen klatschten im Einklang mit seinem Rhythmus an den Strand und boten musikalische Untermalung. Von all dem wurde das Monster allmählich müde. Und es gab schließlich selbst den Kampf auf.
Wenn wir unsere Yogamatte ausrollen, tun wir gut daran, etwas von der Eleganz Krishnas in unsere Praxis hineinzunehmen. Und auch von seiner Geduld. Da wir nicht als Götter anfangen, machen wir manchmal keine gute Figur, wenn wir uns in die Asanas hineinkämpfen wollen. Dann ist es gut, so wie Krishna erst ein wenig zu warten und den Spannungen Raum zu lassen, so wie die Schlange erst all ihr Gift verspritzen durfte. Bei wacher und bewusster Atmung kann dann auch in einfachen Haltungen das tiefere Bindegewebe angesprochen werden und neue Bahnen des Energieflusses öffnen sich.
Genauso gilt bei der Auseinandersetzung mit den Schlangen in unserer Seele, sich nicht von Anfang an gegen sie zu stemmen, sondern manchmal erst etwas Zeit verstreichen zu lassen, bis sie ihr Gift von selber verbraucht haben. Das geschieht, indem wir sie als das erkennen, was sie sind. Krishna hatte gesehen, dass die Schlange nicht von Natur aus böse war. Und als das Monster ängstlich fragte, ob er es nun töten würde, lachte er nur und bat es, in Zukunft die Gewässer nicht mehr zu vergiften, sondern seine Schlangenkräfte besser zu nutzen.
In gleicher Weise brauchen auch wir uns nicht ständig zu fragen, was mit uns falsch ist. Die Zeit auf Matte und Meditationskissen muss nicht ausschließlich dazu verwendet werden, uns zu verbessern. Vielleicht nutzen wir sie auch einfach mal nur dazu, uns selbst als diesen zutiefst lebendigen und äußerst humorvollen Gott zu erkennen. Dann tanzen wir geduldig und elegant mit allem was das Leben für uns bereithält.