„Den kann man nicht kopieren. Den kann man nur kapieren.“ Das schreibt der österreichische Journalist und Autor Peter Gnaiger in dem kürzlich erschienenen Buch „Gut geht anders“ über den Gründer und Chef des Sonnentor-Kräuterhandels Johannes Gutmann. Dieser hat in den letzten Jahren unter dem Logo der lachenden Sonne seine Bio-Qualitätsprodukte aus dem Waldviertel zu einem internationalen Exportschlager gemacht. Dabei ist er erstaunlich bodenständig geblieben. Wie macht er das nur?
YOGA JOURNAL: Herr Gutmann, in was für einer Zeit leben wir eigentlich?
JOHANNES GUTMANN: Wir leben in einer sehr spannenden Zeit voller Krisen, Sorgen, Hektik, Globalisierung, Geldgier und kurzsichtigen Handlungen. Gerade in solchen Zeiten ist es besonders wichtig, andere Wege einzuschlagen. Man muss von den ins Leere führenden Systemen Abstand zu nehmen, um die eigene Mitte und einen Ausgleich zu finden.
Sie forcieren mit all Ihrem Tun alternative Lebens- und Arbeitsformen. Müssen Sie das System ignorieren, um Ihre Ziele zu erreichen?
Nein, wir sind ja trotzdem alle Teil der Systeme. Wir sind aber nicht abhängig von den uns umgebenden Systemen, weil wir schon immer nach Unabhängigkeit und Freiheit und Freude gestrebt und gelebt und agiert haben.
Ihre rund 170 Mitarbeiter bei Sonnentor sind durchschnittlich nur sechs Tage pro Jahr krank, Ihre Qualitäten im Bereich der Personalführung werden überall über den grünen Klee gelobt. Was machen Sie richtig?
Wir machen es immer so, wie wir es auch selbst gerne hätten. Wenn wir Wertschätzung erfahren wollen, dann müssen wir zuerst Wertschätzung vorleben und geben. „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg’ auch keinem anderen zu“ – das wurde mir schon als Kind gesagt und vorgelebt. Dieser Grundsatz ist uns sehr wichtig und danach versuchen wir uns immer auszurichten.
Sie planen in Sprögnitz gerade ein Bio-Gasthaus, das den Projektnamen „Sonnentor-Akademie“ trägt. Und einen Ü60-Bauernhof haben Sie ebenfalls angedacht. Was kann man sich jeweils darunter vorstellen?
Die Sonnentor-Akademie beruht auf drei Säulen: Die erste Säule ist die der „Verpflegung“: Das gute Essen wird täglich ausschließlich aus der Region Waldviertel kommen. Damit werden die mittlerweile 40 000 Gäste versorgt, die Sonnentor jährlich besuchen kommen. Unsere Besucher wollen hier unsere Geschichte und unsere Grundsätze erfahren und spüren: gelebte Philosophie, leben und leben lassen, Wertschätzung. Die zweite Säule bildet das „Wissen“: Wir werden Kurse und Schulungen für Mitarbeiter, Franchisepartner, Partnerläden und alle Sonnentor-Fans anbieten, die den Bezug zu fruchtbarem Grund und Boden wiederfinden wollen, die sich wieder erden und mehr über Zusammenhänge des täglichen guten Lebens lernen wollen. Dies wollen wir mit unseren regionalen Bio-Bauern und unseren internationalen Bio-Anbauprojekten und Partnern realisieren. Die „Zukunft“ wird die dritte tragende Säule in der Akademie sein: Wir planen einen Sonnentor-Kindergarten für die Kleinen unserer MitarbeiterInnen, die von Kindheit an Zusammenhänge verstehen sollen. Und sie dürfen dort lernen, dass alles seine Grenzen hat und braucht. WIR für UNS! Der Ü60-Bauernhof soll das Kinderreich mit der Weisheit der älteren Bäuerinnen und Bauern zusammenführen. Viele betagte Menschen werden nicht mehr gebraucht und aufs Abstellgleis gestellt. Wir von Sonnentor vergeben zum Beispiel sehr viele Handverpackungs- und Etikettierungsarbeiten an solche helfenden Hände. Die Menschen sind glücklich, gebraucht zu werden und Anteil am Erfolg zu haben. Gebrauchtwerden im Sinne der Wertschätzung der Lebensweisheit und der Menschlichkeit – und nicht im Sinne der Akkordarbeit.
Was bedeutet gelebte Nachhaltigkeit für Sie?
Mit allen Ressourcen, die uns täglich zur Verfügung stehen, sorgsam umzugehen. Mir ist es wichtig, zu erkennen, was ich nicht brauche.
Wer oder was ist heute Ihre „emotionale Tankstelle”?
Meine Familie mit meiner kleinsten Tochter Lea und meiner lieben Frau Edith, sowie die vielen Bestätigungen und dankbaren Reaktionen unserer Fans und Kooperationspartner, die wir täglich bekommen.
Wie kam es zu dem Buchprojekt „Gut geht anders“ mit Peter Gnaiger?
Sonnentor begeistert nun schon seit 25 Jahren mit Bio-Kräutern und Bio-Gewürzen. Wir haben daher beschlossen, unseren anderen Weg des Erfolges und der Kooperationen mit der „normalen Wirtschaft“ und deren Krisen zu vergleichen. Der Ecowin-Verlag war sofort bereit, diese Idee mit dem Journalisten Peter Gnaiger und uns umzusetzen.
Im Buch sagen Sie zu Peter Gnaiger „Wir müssen Kreisläufe werden, keine Zahnräder.“ Was meinen Sie damit?
Zahnräder funktionieren nur so lange, wie es im vorgesehenen Ablauf rund läuft, so lange nichts bricht. Kreisläufe sind und bleiben flexibel. Sie müssen immer angepasst werden, sind ständig Veränderungen unterworfen. Sonnentor agiert als Teil des Kreislaufes und wartet nicht aufs Reagieren eines Zahnrades, das nur funktioniert.
Begrüßen Sie die Entwicklung, dass Bio heute mehr „Lifestyle“ versprüht als noch vor wenigen Jahren?
„Biologie“ heißt übersetzt „Lebenslehre“. Das ist unsere Lebensbasis, so wie der Mensch ein Teil der Natur ist. Bio ist mittlerweile ein Trend geworden. Grundsätzlich bin ich froh, dass sich immer mehr Menschen danach richten. Es geht mir aber weniger um die Kontrolle als vielmehr um das Vertrauen in das gute Leben, das jedem zugänglich sein soll. Da muss jetzt nicht unbedingt „Bio“ drauf stehen. Es gibt viele Wege, die ein glückliches Leben ermöglichen.