Kamel mit Köpfchen

Durch die Mobilisierung des oberen Rückens und Brustkorbes bleibt der Nacken im Kamel entspannt.

Fühlt sich Ihr Nacken eingeklemmt oder überanstrengt an, wenn Sie Ihren Kopf in Ushtrasana (Kamelhaltung) nach hinten neigen? Wäre es nicht schön, wenn es eine simple Lösung dieses Problems gäbe? Einen kleinen „Zaubertrick“, der diese unangenehme Nebenwirkung einfach wegwischt? In gewisser Weise gibt es diesen und man muss dafür tatsächlich eher ein Zauberkünstlers anstatt ein echter Zauberer sein. Zauberkünstler setzen Ihr Publikum in Erstaunen, indem sie die Aufmerksamkeit auf eine Hand lenken, während Sie mit der anderen Hand ganz clever den Trick durchführen. Das Gleiche gilt für Ushtrasana, wenn Ihr Nacken Ihnen Schwierigkeiten bereitet. Lernen Sie, die Aufmerksamkeit von dem Problembereich weg und stattdessen auf den oberen Rücken zu lenken – dort sind meist sowohl Ursache als auch Lösung des Problems zu finden. Die Kunst, die Brustwirbelsäule zu strecken und den Brustkorb zu öffnen, wird letztlich mehr als nur den Nacken befreien. Zusätzlich wird der untere Rücken vor einer Kompression geschützt und die so ziemlich alle Elemente dieser Haltung können davon profitieren. Allerdings muss jeder professionelle Zauberkünstler, der sich an einem neuen Trick versucht, hart und mit Ausdauer daran arbeiten, die Ausführung zu perfektionieren. Genauso bedarf es einiger Übung, um in der Rückbeugen-Magie ein Meister zu werden!

Kamel_Nacken1

Ein kurzer Blick auf die Anatomie von Rückbeugen macht deutlich, wie Ushtrasana den Nacken zusammendrücken kann. In einer Rückbeuge werden die Wirbel gekippt. Die Flächen, die nach vorne zeigen, bewegen sich weiter voneinander weg, während sich die Rückseiten der Wirbel enger zueinander schieben. Jeder Wirbel besitzt seine maximale Reichweite in Rückbeugen. Diese wird dann erreicht, wenn die Rückseite des Wirbels den direkt darunter liegenden berührt. In vielen Fällen wird die Rückbeuge durch den Processus spinosus (Dornfortsatz) eingeschränkt. Der Dornfortsatz ist ein vom Wirbelbogen ausgehender und zum Rücken hin gerichteter (dorsaler) Fortsatz eines Wirbels. In den anderen Fällen schränkt die flache Oberfläche der Facettengelenke die Bewegung ein. Diese Gelenke liegen jeweils paarweise seitlich des Dornfortsatzes und verbinden die Wirbel miteinander nach oben und unten. In einer idealen maximalen Rückbeuge kippt jeder Wirbel der gesamten Wirbelsäule bis zum Ende seiner Mobilität, bis die knochige Struktur des Wirbels fast die des nächsten Wirbels berührt. Die Realität sieht jedoch häufig anders aus. Verkürzungen der Muskeln und Bänder sowie Steifheit in den Knorpeln behindern die Bewegung einiger Wirbel. Diese Einschränkung muss durch andere Wirbel kompensiert werden. Wenn die Rückseiten der überlasteten Wirbel zu nahe aneinander kommen, kann das einen scharfen Schmerz hervorrufen. In Ushtrasana entstehen diese Schmerzen oftmals im Nacken.
Um Ushtrasana ohne eine gestauchte Halswirbelsäule auszuführen, benötigen Sie eine starke Streckung im oberen Teil der Brustwirbelsäule. Tatsächlich können Sie Ihren Kopf erst dann ganz sicher loslassen, wenn jeder Wirbel der Brustwirbelsäule soweit gestreckt ist, bis der oberste Wirbel (der Wirbel, der den Nacken unterstützt, Th1 genannt) mindestens 90 Grad von seiner ursprünglichen, senkrechten Position nach hinten zeigt. Wenn der Th1 nicht mindestens parallel zum Boden ausgerichtet ist, beugt sich der Nacken zu extrem in dieser Haltung. Befindet sich der obere Rücken in einer Haltung, die dem Optimum nicht entspricht, führt dies zu einer Kompression der unteren und mittleren Halswirbelsäule. Das Gewicht des nach unten hängenden Kopfes verschlimmert den Druck zusätzlich. Ist der erste Brustwirbel jedoch parallel zum Boden ausgerichtet, knickt die Halswirbelsäule nicht so stark. Stattdessen führt der Zug des Kopfes nach unten eine zusätzliche Streckung des Nackens herbei, indem er die Halswirbel auseinander zieht und ein Zusammendrücken verhindert.

Kamel_Nacken2

NACKENSTÜTZE
Der Hauptgrund dafür, dass der Nacken in der Kamelhaltung so häufig überanstrengt wird, liegt in der Natur der Brustwirbelsäule: Sie wirkt Rückbeugen entgegen. Es existieren drei Gründe für diese Inflexibilität. Erstens ist die natürliche Form der Brustwirbelsäule im Rücken konvex, sie beugt sich also nach vorne und muss sich zuerst weit strecken, bis sie in eine Rückbeuge kommt. Zweitens fügen sich an jeden Brustwirbel ein Paar Rippen an. Das bedeutet, dass bei einer Rückbeuge im Brustbereich zuerst alle Rippen angehoben und die verschiedenen Muskeln, die an ihnen befestigt sind, gedehnt werden müssen. Und drittens sind die Dornfortsätze der Brustwirbel lang und und zeigen nach unten. Dadurch liegen sie in einer Rückbeuge schnell aufeinander, wodurch eine tiefer gehende Bewegung verhindert wird. In Wirklichkeit kann sich dieser Teil der Wirbelsäule, auf Grund der Konfiguration der Dornfortsätze und Facettengelenke, überhaupt nicht nach hinten beugen; er kann nur aus der ursprünglichen Vorwärtsbeuge in eine gerade Linie kommen. (Der ausladende Bogen des Oberkörpers, der in Rückbeugen wahrgenommen wird, ist nur eine Illusion; der komplette obere Rücken sieht so aus, als ob er sich nach hinten beugen würde, dabei ist es der angehobene Brustkorb, der die Aufmerksamkeit auf sich zieht und uns täuscht.)
Da der obere Rücken nur sehr begrenzt zur Rückbeuge in Ushtrasana beitragen kann, können Sie es sich nicht leisten, auch nur einen winzigen Teil der möglichen Beweglichkeit aufzugeben, wenn Sie Ihren Nacken in der Haltung frei bewegen wollen. Daher müssen Sie die Brustwirbelsäule fast hundertprozentig in ihrer anatomischen Kapazität verlängern. Um dies zu tun, müssen Sie die Interkostalmuskulatur (Musculi intercostales), die die Rippen verbindet, und die Bauchmuskulatur, die die Rippen mit der Vorderseite des Beckens verbindet, strecken.
Die Über- sowie Unterbeanspruchung mancher Bereiche der Wirbelsäule beim Zurückbeugen der Brustwirbelsäule ist eine weitere Herausforderung. Wenn Sie gewohnheitsmäßig manche Stellen vernachlässigen, können die Oberflächen der Facettengelenke mehr und mehr verkleben. Diese Gruppe der ‘verklebten’ Wirbel wird sich tendenziell als Einheit bewegen, während die Wirbel, die schon zuvor sehr mobil waren, noch beweglicher werden.
Führen Sie Rückbeugen über einen Block aus, um die Bauch- und Interkostalmuskulatur zu dehnen, eingerostete Segmente der Brustwirbelsäule zu befreien und die Bewegungen von Kopf, Nacken, Brust und Schultern, die für Ushtrasana wichtig sind, zu erlernen.
Wenn Sie Ihren oberen Rücken wippend über eine feste Kante bewegen, können Sie dadurch bestimmte Segmente Ihrer Wirbelsäule voneinander trennen und nacheinander mobilisieren. Die Übung mit dem Block lehrt Sie zugleich, auf sichere und kontrollierte Weise Ihren Nacken so lange wie möglich gebeugt zu halten, während sie den Kopf nach hinten bewegen. Dies stellt sicher, dass die Rückbeuge zuerst von Ihrem oberen Rücken ausgeht. Erst wenn sich die Brustwirbelsäule bis zu ihrem Maximum gestreckt hat, sollte der Nacken dazukommen. Wenn es soweit ist, sollten Sie sich auf den Teil Ihres Nackens konzentrieren, der am schwierigsten in die Rückbeuge kommt (das sind die untersten zwei Wirbel, die den Brustwirbeln am Ähnlichsten sind), bevor sie den mobileren und eher überbeanspruchten mittleren Teil des Nackens bewegen.

ZAUBERTRICK
Hier zeigen wir Ihnen, wie Sie Ushtrasana auf eine Weise üben können, die es Ihnen erlaubt, Ihren Nacken ganz frei nach hinten zu beugen.
Diese Version der Haltung zielt darauf ab, den Nacken gebeugt zu halten, bis sich die Brustwirbelsäule komplett nach hinten gestreckt hat. Wenn die Brustwirbelsäule maximal gestreckt ist, können Sie den Kopf loslassen. Fühlt sich die Rückbeuge über einen Block richtig gut an, können Sie sich an die volle Haltung wagen. Falls die Haltung zu irgendeinem Zeitpunkt Schmerzen im Nacken hervorruft, sollten Sie den Kopf nur ein Stück nach hinten bringen und dort verweilen. Arbeiten Sie mit dieser Technik über einen gewissen Zeitraum hinweg, bis Sie allmählich komplett loslassen können.
Legen Sie eine gefaltete Decke vor eine Wand. Knien Sie sich auf die Decke, die Knie berühren die Wand, und sind hüftbreit geöffnet. Die Füße zeigen etwas weiter nach außen. Sollte es Ihnen Schwierigkeiten bereiten, die Fersen in Ushtrasana zu erreichen, legen Sie einfach jeweils einen Block neben die Fersen. Drücken Sie die Fußrücken in den Boden, um die Oberschenkel an die Wand zu schieben. Behalten Sie diesen Kontakt der Oberschenkel während des Haltens der Asana bei. Schieben Sie ganz am Anfang Ihre Hände zwischen die Oberschenkel und die Wand. Beginnen Sie, indem der Brustkorb die Wand berührt, drücken Sie die Handflächen gegen Ihre Oberschenkel und bringen Sie das Kinn Richtung Brustbein. Atmen Sie ein und bewegen Sie Ihren Kopf horizontal nach hinten, so weit es geht von der Wand weg, ohne das Kinn dabei anzuheben.
Atmen Sie aus und lösen Sie dabei den Brustkorb Stück für Stück von der Wand – von oben nach unten. Schieben Sie nun die Seiten Ihres Brustkorbes nach vorne, so dass diese vor die Oberarme kommen, rollen Sie die Schulten nach hinten und ziehen Sie die unteren Spitzen der Schulterblätter in den Rücken hinein nach vorne. Pausieren Sie, atmen Sie wieder ein und wiederholen Sie diese Bewegungen mit Ihrer nächsten Ausatmung.
Schieben Sie nun Ihren Kopf noch weiter nach hinten, ziehen Sie das Kinn dabei noch immer zum Brustbein und bringen Sie Ihre Hände auf die Fersen oder Blöcke. Atmen Sie ein und drücken Sie die Hände nach unten, um den Brustkorb stärker zu heben. Von hier aus versuchen Sie in mehreren Ausatemzügen Ihr Kinn, während sie es weiterhin zum Brustkorb ziehen, gegen diesen Widerstand Stück für Stück nach oben kommen zu lassen, während sich der Kopf allmählich nach hinten und unten senkt. Beugen Sie nun Ihren Nacken, beginnend an der Basis, Wirbel für Wirbel nach hinten. Während dieser ganzen Sequenz halten Sie Ihren Blick nach vorne oder zum unteren Augenlid hin gerichtet; blicken Sie nicht zu Ihrer Stirn. Halten Sie die Augenbrauen entspannt und die Atmung tief und gleichmäßig.

DER LETZTE SCHLIFF
Vollenden Sie nun die Haltung. Pressen Sie mit der Ausatmung die Füße fester in den Boden und die Oberschenkel gegen die Wand. Kippen Sie den oberen Beckenrand von der Wand weg, drücken Sie mit den Händen nach unten und heben Sie das Brustbein so hoch, wie es Ihnen möglich ist. Lassen Sie anschließend den Kopf nach hinten sinken.
Wenn Sie nun die Kunst der „Wirbelsäulen-Magie“ mehr und mehr beherrschen, können Sie diese Technik, die Brust zu öffnen bevor Sie den Nacken loslassen, auch bei anderen Rückbeugen anwenden – beispielsweise bei Urdhva Mukha Shvanasana (nach oben schauender Hund) oder Virabhadrasana I (Krieger I). Auch bei dem fortgeschrittenen Übergang von Tadasana in Urdhva Danurasana (Rad) ist diese Technik äußerst sinnvoll.
Machen Sie es sich zur Aufgabe, diese ‘Tricks’ an Ihre Yoga-Freunde weiterzugeben. Professionelle Zauberkünstler geben Ihre Geheimnisse zwar nie preis, aber wahre Yogis tun das immer. Auf diese Weise können mehr und mehr Menschen die lebensbereichernde Alchemie des Yoga erleben. Das ist wahre Magie! 

RÜCKBEUGE ÜBER EINEN BLOCK
Platzieren Sie einen Block auf eine Yogamatte, etwa 50 Zentimeter vom hinteren Rand entfernt, so dass die breite Seite am Boden und die lange Seite parallel zum kurzen Mattenrand liegt. Legen Sie nun einen zweiten Block, in etwa 20 bis 30 Zentimeter Entfernung zum ersten Block, und in der selben Ausrichtung etwas näher zur Mattenmitte. Setzen Sie sich auf den Block in der Mitte, mit dem Rücken zum hinteren Block. Legen Sie sich nach hinten, das Kinn zum Brustbein gezogen, ohne dass Sie den Kopf am Boden ablegen.

Korrigieren Sie die Position des hinteren Blocks so, dass der obere Rand quer über die Mitte der Schulterblätter verläuft. Strecken Sie die Beine aus. Ziehen Sie das Kinn weiterhin zum Brustbein und drücken Sie die Hände neben dem Körper in den Boden. Rollen Sie die Schulterspitzen nach unten und ziehen Sie die unteren Ränder der Schulterblätter zueinander. Heben Sie die Mitte und die Seiten des Brustkorbs, während Sie das Kinn immer noch fest zum Brustkorb ziehen. Legen Sie dann den Kopf auf dem Boden ab. Die Schädelbasis sollte so weit wie möglich vom Block entfernt sein.

Bleiben Sie für einige Atemzüge in dieser Position. Heben Sie dann die Arme über den Kopf nach hinten zum Boden. Verweilen Sie auch in dieser Position für einige tiefe Atemzüge. Heben Sie den Kopf und schieben Sie den Block zwei Zentimeter weiter nach unten. Wiederholen Sie nun den gleichen Bewegungsablauf mit Kopf und Oberkörper. Wiederholen sie dies einige Male und verschieben Sie den Fokus Ihrer Rückbeuge jedes Mal ein bisschen weiter nach unten. Gehen Sie dabei aber nicht weiter nach unten fünf Zentimeter unterhalb der Schulterblätter. Um in eine tiefere Rückbeuge zu kommen, stellen Sie den Block auf seine lange und schmale Seite, um mehr Höhe zu schaffen. Legen Sie den Block nun genau wie vorher horizontal unter die Schulterblätter und führen Sie dann die gleiche Übung aus.

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