MC Yogi & seine Amanda: Schwärmen in hohen Tönen

Kennen gelernt haben sie sich auf einer Yogalehrerausbildung – und sich auf den ersten Blick ineinander verliebt. „Als Amanda den Yogaraum mit zwei nicht zueinander passenden Kniestrümpfen betrat, wusste ich sofort, dass ich soeben meiner zukünftigen Frau begegnet war“, schwärmt Nicholas Giacomini, der als MC Yogi die Yogawelt mit seinen gerappten indischen Mythen zum Tanzen bringt. Seit elf Jahren unterrichten sie gemeinsam – wenn Nicholas nicht gerade an seinen Beats feilt oder Amanda Giacomini sich um die künstlerische Gestaltung der Bühnenshow kümmert. Wir trafen die Künstlerin und den Kirtan-Rapper und ließen uns ihr Geheimnis erläutern.

Amanda ist heiser. Auf der gestrigen Party habe sie ihren Ehemann etwas zu laut angefeuert, erklärt sie. In der Stunde, die die beiden heute gemeinsam geben, übernimmt Nicholas die Rolle des Sprechers, während Amanda die Geschichten über Ganesha mit Mudras untermalt. Auch in unserem anschließenden Gespräch ist immer wieder zu spüren, wie sehr sich diese zwei Menschen ergänzen.

YOGA JOURNAL: Welche Rolle kann Yoga eurer Meinung nach in einer Liebesbeziehung spielen?
NICHOLAS GIACOMINI: Der Grundgedanke von Yoga ist, zwei Seiten zusammenzubringen und zu harmonisieren. Das können Mann und Frau sein. Aber natürlich können auch viele andere, zunächst gegensätzlich scheinende Formen in Einklang gebracht werden, wie zum Beispiel Yoga und HipHop. Wenn dieses Zusammenfügen funktioniert, sprechen wir von Yoga.
AMANDA GIACOMINI: Jemand hat Richard Freeman [amerikanischer Ashtanga-Yogalehrer; Anm. d. Red.] einmal nach der härtesten Serie gefragt, die er jemals praktiziert hätte. Er antwortete: „Die Haushälter-Serie!“ Yoga als ein Werkzeug für eine funktionierende Partnerschaft zu besitzen, ist einfach wunderbar.
Nicholas: Ich denke, es ist nicht unsere Aufgabe, andere perfekt zu machen. Als Amandas Ehemann muss ich sie so lassen, wie sie ist. Als meine Partnerin muss sie die Entwicklung meines individuellen Selbst tolerieren. Diese Maxime kann auf jede andere Beziehung übertragen werden. Wir haben immer eine Vorstellung, wie die anderen zu sein haben, aber das liegt nur daran, dass wir zu viel Energie auf Äußerlichkeiten verschwenden.
Amanda: Yoga hat mir geholfen, mich selbst besser kennen zu lernen und mich sicherer und zufriedener zu fühlen. Habe ich eine gute Beziehung zu mir selbst, kann ich dieses Gefühl auch auf andere Beziehungen übertragen.
Nicholas: Wer Yoga übt, lernt, geduldiger, freundlicher und vergebungsvoller zu werden. Das wird jeder Beziehung helfen. Natürlich verlieren Amanda und ich uns auch, fühlen uns beunruhigt oder gestresst. Aber das Leben ist nun mal von Zeit zu Zeit stressig. Mit Yoga können wir diese Phasen leichter überstehen.

Also hat euch Yoga dabei geholfen, euch selbst zu lieben?
Nicholas: Als Kind war ich sehr schüchtern und in meiner Jugend hatte ich viele Probleme. Nur durch Yoga konnte ich auf einmal meinen eigenen Geist fühlen, Zusammenhänge klarer erkennen und endlich vergeben und akzeptieren.
Amanda: Einer meiner Yogalehrer erzählte mir einmal, wie er sich vor der Yogastunde so schwer fühlte und danach unglaublich leicht. Als ich ein Teenager war, konnten mich oft die kleinsten Dinge aus der Fassung bringen: eine nicht sitzende Frisur zum Beispiel oder ein paar Gramm, die ich zugenommen hatte. Es war wie eine Krankheit, bei der man sich permanent wegen Äußerlichkeiten kritisiert. Ich habe erkannt, wie wichtig es mir daher ist, Yoga vor allem mit jungen Menschen zu teilen, denn so kann ich diesen Teil in mir reparieren, der über die Jahre geschunden worden ist. Außerdem erinnert mich Yoga immer wieder daran, nicht zu viel Aufmerksamkeit auf das Aussehen zu verwenden, sondern verstärkt darauf, wie es in unserem Inneren aussieht.
Nicholas: Ich finde es zwar wichtig, auf das Äußere zu achten, doch dabei sollte man nie vergessen, was in einem selbst vorgeht. Wie wir auftreten, uns kleiden, sprechen, reagieren – Yoga umfasst alles. Die Idee ist es, so ausbalanciert zu sein, dass das Äußere das Innere reflektiert und umgekehrt. Als Künstler muss ich das, was sich in mir abspielt, nach außen tragen.
Amanda: Ich habe von einer Lehre Jesu gehört, die ungefähr Folgendes besagt: Wenn du das, was in dir steckt, nicht voranbringst, wird es dich zerstören. Wenn du das, was in dir steckt, voranbringst, wird es dich retten.

Fühlt ihr euch als eine Art Vorbild, wenn ihr als Liebespaar auf der Bühne Yoga unterrichtet?
Nicholas: Der brühmte Rapper Tupac Shakur sagte mal: „Ein Schauspieler spielt eine Rolle. Und ein Model ist jemand, der sich hübsch anzieht und Bilder von sich machen lässt.“ [Anm. d. Red.: Hier wird der englische Begriff „role model“ für „Vorbild“ aufgebrochen.] Jeder sehnt sich nach einem Vorbild, weil nicht jeder die Kraft und den Mut hat, seinen eigenen Weg zu finden. Letztendlich erkennen wir aber, dass auch ein Vorbild nur ein Mensch ist und verlieren dann unsere Hoffnung. Wenn wir nur auf den Lehrer achten, anstatt auf das, was er lehrt, sehen wir nur den Menschen dahinter. Deswegen hat Bruce Lee gesagt: „Schau auf meinen Finger!“ Und als der Schüler auf seinen Finger blickte, bekam er eine Ohrfeige. „Schau nicht auf meinen Finger! Schau, auf was mein Finger zeigt. Wenn du dich auf meinen Finger konzentrierst, verpasst du das, auf was mein Finger zeigt, nämlich den Mond und die ganze himmlische Pracht.“
Amanda: Als Nicholas anfing, Musik zu machen, war ich sein größter Fan. Bald wollte ich jedoch auch ein Teil des kreativen Prozesses werden. Ich kann mir vorstellen, dass es für manche Menschen von unschätzbarem Wert sein kann, zu sehen, dass man als Paar auf Augenhöhe zusammenarbeiten und sich dabei auch noch wunderbar ergänzen kann.

Ihr seid auch ansonsten Arbeitspartner. Wie wirkt sich das auf eure Liebesbeziehung aus?
Amanda: Ich male in meinem Studio und Nick arbeitet an seiner Musik. Wenn du einen Partner hast, der auf dem gleichen Weg ist und die beste Version seiner selbst verwirklichen möchte, ist das sehr inspirierend. Wir unterstützen uns gegenseitig.
Nicholas: Dein Partner muss nicht unbedingt den gleichen Beruf ausüben wie du. Wichtig ist nur, dass er dabei ähnlich hingebungsvoll bemüht ist, etwas Gutes zu erschaffen. Dann nährt man sich gegenseitig. Wenn ich sehe, wie gut Amanda an geschäftliche Angelegenheiten herangeht, inspiriert mich das sehr dazu, mehr Integrität zu schaffen. Ich denke, dass ich sie hingegen darin bestärke, genau wie ich das zu machen, was ihr Spaß macht.

Ihr nutzt die Kombination aus Yoga, Musik und Kunst, um euch mit den Menschen zu verbinden.
Nicholas: Yoga lässt uns in uns gehen und eine ungeheuer starke Kraft, Energie und Freude erfahren. Durch Musik und Kunst können wir diese Erfahrung dann so weitergeben, dass sie die Menschen erfreut. Wir haben dazu das Kollektiv „MC Yogi and the Sacred Sound Society“ gegründet. Ich kann den ganzen Tag meditieren. Wenn ich aber dieses wunderbare Erlebnis für mich behalte und es der nächsten Generation verwehre, ist dieses Glücksgefühl letztendlich unvollkommen.

Nicholas, du bist mit eurem Co-Produzenten Robin Livingston durch Indien gereist, wo ihr an verschiedenen Orten das letzte Album „Pilgrimage“ aufgenommen habt. Würdest du sagen, dass du dich mit Amanda auch auf einer Pilgerreise befindest?
Nicholas: Ich denke, dass wir zwar alle auf unserer eigenen Reise sind, aber trotzdem immer in Verbindung mit anderen stehen. Du musst die Pilgerreise nicht nur um deinetwillen machen. Traditionellerweise gehen indische Männer für ihre Ehefrauen auf eine Reise. Der Gedanke dahinter ist eine spirituelle Praxis, die auf direktem Wege jemand anderem zugutekommen kann. Amanda und ich sind zusammen mit Robin auf dem Weg, die ganze Welt zu bereisen und das durch Musik zu teilen, was wir in unserer eigenen Praxis erfahren haben.

 

(Fotografie: Ali Kaukas)

 

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