Entspannung ist eine der wichtigsten Motivationen, die Menschen zum Yoga bringt. Eine zentrale Rolle dafür spielt der Vagusnerv: Er gilt als “Wundernerv” für innere Ruhe, Regeneration und Heilung. Mit dieser einfachen Sequenz kannst du ihn gezielt stimulieren.
Sequenz: Kari Zabel / Fotos: Christian Boehm
Darum geht’s:
Der Vagusnerv entspringt im Hirnstamm, verläuft beidseitig am Hals zwischen Carotis-Arterie und Halsvene und windet sich von dort aus in zahlreichen Verästelungen durch den gesamten Rumpf und einen Großteil der inneren Organe. Er ist der größte Nerv im parasympathischen Nervensystem, dem für Ruhe und Erholung zuständigen Teil des zentralen Nervensystems. Ist der Parasympathikus aktiv, werden Herzschlag und Atem verlangsamt, der Blutdruck sinkt, die Verdauung wird begünstigt und wir fühlen uns entspannt.
Indem wir den Vagusnerv gezielt stimulieren, können wir die vom Sympathikus gesteuerten körpereigenen Stressreaktionen abmildern und heilende Prozesse ankurbeln. Ganz besonders hilfreich ist das bei hormonellen Dysbalancen, Nebennierenschwäche (Adrenal Fatigue), Autoimmun-Erkrankungen und Verdauungsstörungen.
1. Vorbereitung
Nimm eine bequeme Sitzhaltung ein und richte deine Wirbelsäule möglichst entspannt auf. Dann rolle deine Schultern einige Male nach oben und unten und lasse sie sanft kreisen. So wärmst du Nacken- und Schultermuskulatur auf und bereitest die Region auf die Übungen zur Stimulation des Vagusnervs vor.
2. Ohrenkreisen
Lege die Fingerspitzen deiner Zeige- oder Mittelfinger an die flache Partie deiner Ohren, direkt vor der Öffnung des Gehörgangs. Übe einen sanften Druck aus und beginne, deinen Oberkörper sanft nach rechts und links zu wiegen, dabei stellst du dir vor, dass die Bewegung von deinen Fingern ausgeht. Atme dabei ruhig und im Rhythmus mit deinen Bewegungen.
(30 Sekunden oder 5–6 sanfte Atemzüge)
3. Sanftes Ausstreichen
Streiche nun mit den Fingerspitzen sanft an den Seiten des Halses entlang. Dabei setzt du unterhalb der Ohren an und streichst bis zu den Schlüsselbeinen, wo der Vagusnerv entlang der Carotis-Arterie verläuft. Atme auch hier ruhig und bewusst und spüre nach innen.
(30 Sekunden oder 5–6 sanfte Atemzüge)
4. Klopf-Massage
Atme sanft ein und beginne mit deinen Fingerkuppen sanft über deine Brust zu klopfen. Beim nächsten Atemzug wanderst du weiterhin klopfend abwärts zu Brustbein und Solarplexus. Einen weiteren Atemzug lang massierst du sanft klopfend deinen Bauch. Diesen Ablauf – jeweils einen Atemzug lang Brust, Solarplexus, Bauch – wiederholst du 2–3 Mal.
5. Gebundene Nackendehnung
Ausgehend von einer Haltung, bei der beide Hände auf den Oberschenkeln liegen, schlingst du nun deine rechte Hand hinter dem Rücken knapp oberhalb des Ellenbogens um deinen linken Arm. Atme langsam ein und neige deinen Kopf dann mit der Ausatmung nach links. Halte die Augen dabei geöffnet und richte deinen Blick etwa 10 Zentimeter oberhalb der linken Schulter aus. Die Augen sind mit dem Vagusnerv verbunden und unterstützen die Stimulation.
(30 Sekunden oder 5–6 sanfte Atemzüge)
6. Nackendehnung mit leichtem Druck
Ausgehend von der vorigen Dehnungshaltung mit dem nach links geneigten Kopf hebst du jetzt den linken Arm, streckst ihn nach oben, beugst den Ellenbogen und legst deine linke Hand von oben auf das rechte Ohr. Der Blick geht weiterhin oberhalb der Schulter entlang zur Seite.
(30 Sekunden oder 5–6 sanfte Atemzüge)
Anschließend übst du beide Varianten der Nackendehnung (Übung 5 und 6) seitenverkehrt.
7. Augenübungen
Auch hier nutzen wir Augenbewegungen, um den Vagusnerv zu stimulieren. Richte dich noch einmal bewusst im Sitzen auf und kreuze deine Hände über der Brust. Achte darauf, deinen Kopf nicht zu bewegen, während du nun nacheinander nach rechts, nach unten, nach links und nach oben schaust. Schließe deine Augen einen Moment und entspanne sie, bevor du 4 weitere Runden der Augenbewegungen übst.
8. Tiefe Nackendehnung
Verschränke deine Hände hinter dem Rücken, beuge deine Ellenbogen und lege die Hände an die rechte Taille. Achte darauf, dass deine Wirbelsäule aufgerichtet ist, ohne die Rippen nach vorn zu schieben. Aus dieser Haltung neigst du deinen Kopf nach rechts. Bleibe etwa 30 Sekunden oder 5–6 sanfte Atemzüge lang in dieser Dehnung, dann löst du sie behutsam auf und wechselst zur anderen Seite.
Halte einen Moment lang inne. Welche der bisherigen Übungen hat dich am meisten angesprochen? Bei welcher hattest du das Gefühl, dein Nervensystem besonders wirksam zu beruhigen und aus deinem Stressmuster herauszufinden? Wenn du magst, wiederholst du diese Übung noch einmal.
9. Katze-Kuh
Zum Abschluss mobilisiert und lockerst du die gesamte Wirbelsäule mit einer sanft fließenden Bewegung: Beginne im Vierfüßlerstand mit neutraler Wirbelsäule. Dann rundest du in der Ausatmung den Rücken nach oben und senkst den Kopf. Mit der Einatmung hebst du den Kopf, weitest die Brust und kommst ins Hohlkreuz. Lasse die Bewegung wirklich deiner Atmung folgen (nicht umgekehrt) und wiederhole die Bewegung so oft, wie sie dir guttut.
10. Stellung des Kindes
Schließe die Praxis ab, indem du aus der Katze-Kuh-Bewegung mit einer Ausatmung das Becken nach hinten auf die Fersen und die Stirn zum Boden sinken lässt. Dabei kannst du die Arme wie hier gezeigt längs des Körpers nach hinten ablegen oder mit den Händen ein Kissen für deine Stirn bilden. Spüre deine Atmung am Rücken. Dann spüre sie am Bauch. Lass dir so viel Zeit, wie du möchtest, bevor du dich wieder aufrichtest und behutsam die Augen öffnest.
Kari Zabel ist Jivamukti-Yogalehrerin, Wellness-Trainerin und Functional Medicine Nutritionist. Ihre individuell abgestimmte 1-zu-1-Arbeit beinhaltet unter anderem funktionelle Labortests zu Hormon- und Cortisolspiegel und Tests zur Verdauungsgesundheit. Die gebürtige US-Amerikanerin lebt in München, unterrichtet aber auch jährlich etwa zehn Retreats im Ausland. Mehr zu Kari Zabel findest du auf ihrer Website und auf Instagram @karimzabel
Hier findest du noch mehr Informationen zum Vagusnerv: