Du findest auf der Straße einen Gegenstand, du begegnest am anderen Ende der Welt einem Bekannten oder Dinge passieren immer zur selben Zeit. Du spürst: Das hat etwas zu bedeuten. Aber was? Synchronizität ist eine Meisterin im Gewebe der Manifestationen. Hier erfährst du, wie du sie erkennen und interpretieren kannst.
Text: Isabelle Fontaine
Thierrys Geschichte ist die vielleicht erstaunlichste: Eigentlich will er seine Pilgerwanderung nach Santiago de Compostela in einem Internet-Blog dokumentieren, aber das Ganze gestaltet sich schwierig. Zu kompliziert, zu technisch, denkt er resigniert und marschiert einfach los. Bis er an einem der ersten Abende in der Herberge mit seinem Tischnachbarn ins Gespräch kommt – und der entpuppt sich als der Programmierer genau jener Plattform, die Thierry für seinen Blog im Auge gehabt hatte. Es macht ihn noch heute fassungslos: “Wie unwahrscheinlich ist das denn, dass ich genau diesem Menschen, an diesem Ort, in diesem Moment begegne?” Natürlich ergibt diese unverhoffte Begegnung sofort einen Sinn: Dank einiger fachkundiger Tipps kann Thierry seine Erfahrungen auf dem Jakobsweg nun doch schon unterwegs online stellen.
Justine macht sich an diesem Montag schweren Herzens auf den Weg zur Arbeit. Seit Monaten gelingt es ihr nicht, sich der Übergriffe ihres Vorgesetzten zu erwehren. Als sie an einer Parkbank vorübergeht, steht der dort sitzende Mann unvermittelt auf uns sagt laut in sein Telefon: “Du musst jetzt stark sein. Das schaffst du!” Justine ist wie vom Donner gerührt und bricht in Tränen aus. “Ich kann es nicht erklären, aber ich wusste sofort: Das war eine Nachricht für mich! Ich habe mich mit einem Mal so erleichtert und unterstützt gefühlt. Als wenn eine unsichtbare, aber sehr spürbare Kraft über mich wacht, die mir sagt: Du bist nicht allein.”
Auch Valerie hat seit einiger Zeit Probleme im Job: “Meine Intuition sagte mir schon seit Monaten, dass ich kündigen sollte, aber finanziell war das alles andere als einfach.” Eines Abends, auf dem Heimweg von einer Feier, verfährt sie sich so gründlich, dass sie entnervt anhält und aus dem Auto steigt. “Und da taucht plötzlich ein Hirsch aus dem Dunkel auf, geht langsam auf mich zu und sieht mir fest in die Augen.” Als das Tier schließlich wieder in der Nacht verschwindet, fühlt es sich für sie an, “als ob sich mein innerer Tacho wieder auf Null gestellt hat. Ich wusste: Ich brauche nicht nur irgendwann einen anderen Job, das hat jetzt Priorität. Wenige Wochen später hab ich gekündigt.”
Die im richtigen Moment auftauchende rechte Person, ein aufgeschnappter Satz, der klingt, als sei er für dich gemeint, ein Tier, dessen eigenartiges Verhalten eine starke Wirkung auf dich hat – das sind nur einige Beispiele dafür, wie Synchronizität zu uns spricht. Die Theorie zu diesem Konzept des eigenartigen Zufalls, der einen tieferen Sinn ergibt, hat Carl Gustav Jung entwickelt. Für den Begründer der analytischen Psychologie (und Rivalen Sigmund Freuds) waren bedeutsame Koinzidenzen Manifestationen des Unus Mundus, also der “einen Welt” der Alchimisten, in der Materie und Geist nicht getrennt, sondern Teile von ein und demselben sind: Sie kommunizieren untereinander und produzieren so Ereignisse, die nicht durch Ursachen miteinander verbunden sind, sondern durch Sinn. Deswegen sind solche Koinzidenzen alles andere als unbedeutend, im Gegenteil: Sie sind berufen, uns zu uns selbst zu führen, indem sie uns mit unserer Intuition in Kontakt bringen und uns die Botschaften übermitteln, die für unsere Entwicklung jetzt nötig sind. Sie zu bemerken und willkommen zu heißen, ist daher essenziell – genau wie ihre Entschlüsselung.
Spannenderweise hat Synchronizität die Eigenschaft, ihre starke emotionale Wirkung bei nahezu allen Menschen zu entfalten, selbst bei den rationalistischsten. So kann sie eine Öffnung hin zum Spirituellen ermöglichen und Menschen dazu bringen, ihre bisherige Weltsicht zu hinterfragen und sich dem zu stellen, was Jung die “irrationale Fülle des Lebens” genannt hat. Diese Fülle ist oft schwierig zu fassen und Synchronizität kann sehr viele verschiedene Gesichter annehmen. Dennoch lassen sich ein paar Grundtypen besonders häufig beobachten. Hier sind die wichtigsten – samt einiger Fährten, um sie zu interpretieren:
1. Zufällig gefundene Gegenstände
Manchmal scheinen Dinge regelrecht zu einem zu kommen: Wir begegnen ihnen auf der Straße, auf einem Zugsitz, vor der Haustür oder beim Spaziergang im Wald – und sie springen uns so ins Auge, dass wir sie unmöglich übersehen können. Traditionell interpretieren wir zum Beispiel eine Feder als einen Gruß des Schutzengels oder ein Geldstück als Zeichen für glückliche Fügung, aber auch ganz andere Gegenstände können Botschaften enthalten, eigentlich ist die Liste unendlich: ein Schmuckstück mit symbolischer Form, ein Buch mit einem sprechenden Titel, ein Schuh, eine Spielkarte oder sogar ein ganz profanes Schriftstück wie ein Führerschein oder eine Geburtsurkunde. Es kann ein Objekt sein, das jahrelang verschollen war und dann auf erstaunliche Weise wieder auftaucht oder auch etwas Unbekanntes, das wir genau jetzt gut gebrauchen können.