Einfach Sitzen

Sukhasana
sukha = einfach, bequem, stabil
Asana = Haltung

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Der Hals ist weich.
Die Handflächen liegen aneinander.
Die Füße befinden sich unter den Knien.
Der untere Bauch wird angehoben.
Die Schlüsselbeine sind geweitet.

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Im Yoga übt man, sich anzustrengen und zugleich freudvoll und friedlich mit sich selbst verbunden zu bleiben. Wenn man das gelernt hat – egal ob in der einfachen Sitzhaltung Sukhasana oder im Alltag – dann geht man positiv und ohne Angst durchs Leben.

Seit Jahrtausenden sitzen die Menschen überall auf der Welt auf dem Boden – meist in Haltungen mit gekreuzten Beinen wie in Sukhasana. Obwohl das ganz einfach und vertraut aussieht, hat die Haltung doch eine große Kraft: Mit einer klaren Intention eingenommen kann sie den Übenden tief nach innen ziehen, in einen meditativen Zustand führen und den Zugang zu der natürlichen Freude eröffnen, die im Herzen wohnt.
Sukhasana birgt also ein ganz eigenes Innenleben, das Sie mit der Zeit beim Üben entdecken werden. Die Voraussetzung dafür ist eine präzise Ausrichtung in der Haltung, denn nur so ermöglicht sie einen entspannten und zugleich wachen Zustand von Körper und Geist. Die erste Herausforderung bei der präzisen Ausrichtung besteht darin, die Beine zu entspannen, zugleich die Wirbelsäule aufzurichten und die Brust zu weiten. Eine Reihe kleiner korrigierender Bewegungen helfen Ihnen, das Gewicht gleichmäßig über beide Sitzknochen nach unten abzugeben, die Schultern oberhalb der Hüften auszurichten und den Kopf gerade über der Wirbelsäule zu balancieren. Dafür braucht man etwas Kraft im Rumpf, weshalb regelmäßiges Üben die Oberkörpervorderseite, die Rückseite und die Flanken gleichermaßen stärkt. Indem Sie Ihre Ausrichtung immer mehr verfeinern und die Wirbelsäule Stück für Stück aufrichten, wird die Aufmerksamkeit mehr und mehr nach innen, zum Herzen hin gelenkt. Die Folge: Sie sitzen bequem und sind körperlich und geistig im Gleichgewicht.
Sukhasana bedeutet zwar „einfache Sitzhaltung“, doch für viele Menschen ist die Haltung alles andere als einfach – vor allem weil man es in unserem Kulturkreis gewohnt ist, auf Stühlen zu sitzen. Dabei lehnt man sich zurück und lässt sich durch die Körpermitte nach unten sacken, langfristig schwächt das die Bauch- und Rückenmuskulatur. Wenn die Hüften steif sind, die Knie schmerzen oder der untere Rücken rebelliert, ist es schwierig, aufrecht am Boden zu sitzen. Mit den richtigen Hilfsmitteln kann man sich der Haltung dennoch nähern. Vor allem das in dieser Sequenz erhöht auf gefalteten Decken gelagerte Becken erlaubt es Ihnen, die Hüften geschmeidiger zu machen und zugleich die Wirbelsäule aufzurichten und lang zu strecken. Mit der Zeit lernt man dann, sich auch ohne die Unterstützung einer Rückenlehne aufrecht zu halten.
Um die Wirbelsäule in Sukhasana zu ihrer vollen Länge zu entfalten, muss man zunächst für Stabilität an der Basis der Haltung sorgen. Die Grundfrage lautet: Wie steht das Becken? Neigen Sie dazu, es im Sitzen nach hinten zu kippen und den Rücken zu runden? Oder kippen Sie das Becken eher nach vorn, sacken ins Hohlkreuz und lassen den Bauch nach vorne fallen? So oder so werden Sie lernen, das Becken gerade auf der Mitte der Sitzknochen auszurichten, so dass sich das untere Ende des Kreuzbeins nach innen bewegt und der untere Bauch nach innen und oben.
Erst nachdem Sie diese Stabilität an der Basis gefunden haben, richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf den Oberkörper. Ein wichtiges Ziel von Sukhasana ist es, einen ruhigen, mühelosen Atem zu fördern. Um die Brust zu weiten, legen Sie die Handflächen vor dem Brustbein aneinander und bringen Raum zwischen die Schlüsselbeine. Dadurch festigen sich äußere Schulterblätter und obere Rückenmuskeln und der obere Teil der Wirbelsäule erhält einen Impuls, sich nach innen zu bewegen. Auch das Langziehen der Flanken hilft Ihnen dabei, den Brustkorb zu weiten und den Atem zu vertiefen. Im ersten Übungsschritt finden Sie zu mehr Länge in der Wirbelsäule, indem Sie die Finger verschränken und die Arme über den Kopf strecken. Dabei heben Sie aktiv den Brustkorb und dehnen spürbar die Zwischenrippenmuskulatur. Wenn Sie die Arme dann wieder senken, versuchen Sie, diese Länge im Oberkörper beizubehalten.
Aber auch die Rückseite des Brustkorbs sollte sich in Sukhasana weiten und ausdehnen. Eine einfache Art, das zu erreichen, ist die im zweiten Schritt gezeigte Vorwärtsbeuge mit den Händen auf Blöcken. Dabei spüren Sie, wie sich die Rückseite des Brustkorbs nach allen Seiten hin ausbreitet, während sich zugleich die Wirbelsäule nach vorne verlängert. Dieses Gefühl der Ausdehnung nehmen Sie schließlich mit in den dritten Schritt, die klassische Form von Sukhasana. Dabei beobachten Sie, wie sich der gesamte Brustkorb frei mit dem Atem bewegt.
Obwohl das Wort sukha meist mit „einfach“ oder „bequem“ übersetzt wird, kann es auch „glücklich“ oder „freudvoll“ bedeuten. Das erinnert uns an das angeborene Gefühl der Freude in unserem Inneren. Diese Freude können Sie manchmal wahrnehmen, wenn es Ihnen in Ihrer Yogapraxis gelingt, Stabilität im Körper mit müheloser Ausdehnung im Atem zu verbinden. In solchen Momenten empfinden Sie Körper, Geist und Atem nicht mehr als getrennte Teile. Alle drei sind eins und das Herz schlägt leicht und frei in Ihrer Brust.

Von Nikki Costello
Fotos: David Martinez

 

Korrekte Anweisungen in die Sukhasana-Haltung finden Sie in unserer Ausgabe 05/13!

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