Die Lösung
Nach einer privaten Krise entschließt sich die Reisejournalistin Katharina Finke, fast ihren gesamten Besitz aufzugeben und künftig auf der ganzen Welt zuhause zu sein. Ihre Erfahrungen mit dem „Loslassen“ hat sie nun festgehalten.
Auf die Frage, woher sie komme, lautet Katharina Finkes Antwort meist: „Das ist nicht so leicht“. Geboren sei sie in Frankfurt, ihre Familie stamme von der Nordsee, derzeit habe sie eine Zwischenmiete in Berlin. Das war es allerdings auch schon mit den Ortsbestimmungen: Seit fast 6 Jahren lebt die 32-jährige Journalistin konstant aus zwei Koffern, in die ihr gesamter Besitz passt. Seit ihrem Schulabschluss waren neben verschiedenen deutschen Städten England, Spanien, die USA und Portugal längere Stationen, gereist ist sie außerdem in über 25 weitere Länder. Ein durchaus zeitgemäßer Lebensstil, viel ist die Rede von den „Digital Nomads“, die zur Organisation und Vernetzung ihres Lebens nicht viel mehr als funktionierendes W-Lan benötigen. Die moderne Yogaszene präsentiert sich ebenfalls als grenzenübergreifendes Unternehmen, die Protagonisten zeigen sich sehnsuchtsfördernd an den schönsten Plätze der Welt.
So konsequent wie Katharina Finke, die ihre Motivation zum Leben ohne festen Wohnsitz als „Mischung aus Freiheitsdrang, Pragmatismus und Konsumkritik“ beschreibt, verabschieden sich allerdings die Wenigsten von Besitz und Statussymbolen. Den einen auslösenden Moment dafür gab es allerdings nicht, beschreibt Finke in ihrem berührenden Buch „Loslassen“ (Malik, ca. 15 Euro). Auf ihren Reisen habe sie gemerkt, dass sie dort nicht mehr brauchte, „als das, was in mein Reisegepäck passt.“ Als ihr Ex-Freund und sie nach der Trennung die gemeinsame Wohnung auflösten und es darum ging, ob sie ihren Besitz einlagern oder loswerden wolle, entschied sie sich für letzteres und verkaufte oder verschenkte innerhalb weniger Tage fast ihr gesamtes Hab und Gut.
Ihre Entscheidung hat teilweise Sehnsucht, teilweise Skepsis, aber in jedem Fall Aufmerksamkeit erzeugt. Katharina Finke vermutet, dass sie bei vielen das eigene Verhältnis zu Sicherheit oder den Umgang mit Abenteuer anspricht. Bei Yogis erhält das Loslassen eine spirituelle Dimension. Auch für Finke, die regelmäßig praktiziert: „Es geht für mich darum, bewusst und behutsam zu leben und mich immer wieder aufs Neue mit dem Leben und der Umwelt auseinanderzusetzen. Mit Yoga kann ich immer wieder zur Ruhe kommen und mich aufs Wesentliche konzentrieren.“ Klar ist, dass es bei aller Freiheit auch Abhängigkeiten gibt – von Flugverbindungen, einem aufgeladenen Smartphone, Internet und Menschen, bei denen man vorübergehend wohnen kann. Finke gibt zu, dass sie auch von der festen Existenz profitiere, die sich andere aufgebaut haben. Die „Sharing Economy“ ist zum festen Bestandteil des digitalen Nomadentums und durchaus Symptom eines grenzenübergreifenden Gemeinschaftssinns geworden.
Dass Katharina Finkes Kontakte oft nur virtuell gepflegt werden können, ist dabei unvermeidlich und durchaus Anlass für Krisen – Momente, in denen sie zum Loslassen von Menschen gezwungen wurde. Ein komplett haltloses Leben möchte sie daher nicht leben und bemüht sich, wann immer möglich, um die „physischen“ Treffen.
Umfassendes Loslassen – vielleicht der ultimative Luxus? Vor allem angesichts der Menschenströme, die eher unfreiwillig ohne Besitz durch die Welt reisen? Etwas, was sich schwer miteinander vergleichen lässt, findet Finke. „Mir ist durchaus bewusst, was für ein großes Privileg es ist, mich unbeeinflusst für oder gegen einen Lebensstil entscheiden zu können. So viel Freiheit auf so vielen Ebenen zu haben, ist unbezahlbar.“ Momentan sehe sie sich als „soziale Individualistin“, vielleicht werde sie einmal sesshafter, wenn sie Kinder habe und ihnen dauerhafte Gemeinschaften ermöglichen möchte. Mindestens bis dahin lebt sie überzeugend eine abgewandelte yogische Grundregel: Es reist sich leichter mit leichtem Gepäck.