Kleine Auszeit gefällig? Wie wär‘s mit Yoga am Strand – oder doch lieber in den Bergen? Aus dem riesigen Angebot den richtigen Yoga-Urlaub herauszupicken, ist gar nicht so einfach. Hier geben wir Ihnen ein paar Orientierungshilfen an die Hand.
Text: Julia Scherenberg / Silvia Schaub
Sie wollen Urlaub und Yoga verbinden, Energie tanken, Ihre Mitte finden oder sich spirituell inspirieren? Ein Retreat kann all diese Wünsche erfüllen. Doch nicht immer ist das, was sich im Internet noch nach Erholung pur anhört, auch wirklich das, was man sich erträumt hat.
Es ist nicht alles Gold, was glänzt
Julia Scherenberg kann davon ein Lied singen. Sie fand im Netz ein verheißungsvolles Angebot: Schickes Design-Hotel, eigener Hotelstrand, dynamisches Yoga – und all das nur zwei Flugstunden entfernt. Nach Formentera, der kleinen Schwester von Ibiza, wollte die Münchner Journalistin schon immer. Längst ist die Insel kein Geheimtipp mehr: Stars wie Kate Moss, Jade Jagger oder Bob Dylan schauen hier regelmäßig vorbei. In vielen Ecken findet man zwar noch das verträumte und einfache Leben, aber gleichzeitig entstehen rasend schnell Beach Clubs und Trend-Hotels. „Die Insel ist hübsch“, erzählt Julia Scherenberg, „aber leider war mein Hotel nicht besonders auf Yoga eingestellt.“ Während sie morgens im Krieger stand und gern in Ruhe den traumhaften Blick aufs Meer genossen hätte, wurde direkt neben ihrer Matte auf der Frühstücksterrasse Café con Leche bestellt und mit Geschirr geklappert. „Wir waren 30 Leute beim Yoga, alle unterschiedlichen Alters und mit sehr unterschiedlichen Vorkenntnissen. Sally war aus London und hatte vor zwei Jahren ihre letzte Stunde besucht, Phil aus Berlin praktizierte erst seit wenigen Wochen und Anna aus Madrid war im vierten Monat schwanger“, erinnert sie sich. Eine so große Gruppe mit verschiedenen Levels auf einen Nenner zu bringen, ist eine wahre Herausforderung für jeden Yogalehrer. Die athletische Engländerin Jay unterrichtete einen zackigen Ashtanga-Vinyasa-Stil. „Warten, bis alle in der Asana angekommen sind, gab es nicht. Anleitende Erklärungen, Hilfestellungen sowie eine meditative Stimmung erhoffte ich mir eine Woche lang vergebens.“ Die deutsche Yogaschülerin wunderte sich auch, dass die Gäste statt Tofu und Gemüse fleischlastige Gerichte und Meeresfrüchte in allen Variationen auf den Teller bekamen. Erst am Ende ihres spanischen Kurztrips erfährt sie, dass die vermeintliche Yogalehrerin nie eine ernsthafte Yoga-Ausbildung absolviert hatte, sondern eigentlich als Fitness-Coach arbeitete.
Drum prüfe, wer sich bindet
Bei ihren Urlaubspaketen dagegen, versichert Lotus Travel-Geschäftsführerin Silvia Leibacher, würde man auf „nachweisbar gut ausgebildete Yogalehrer“ achten, die „auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden eingehen können“. Seit einem Jahr hat der Asien-Spezialist Yogareisen in sein Programm aufgenommen. Ein Trend, auf den immer mehr Reiseanbieter setzen. „Zielgruppe sind Menschen, die entschleunigen und sich mit sich selbst auseinandersetzen möchten,“ sagt die Unternehmerin. Dass unter den Yogis vor allem Indien ein beliebtes Ziel ist, verwundert kaum. Auch Julia Scherenberg nahm 2010 noch einen zweiten Anlauf und versuchte es mit einem Retreat in Indien. Sie gerät ins Schwärmen, wenn sie von der morgendlichen Yogastunde berichtet, bei der die Sonne langsam über dem Meer aufging. „Yoga in seinem Herkunftsland alleine mit einem indischen Lehrer zu üben, ist eine ganz besondere Erfahrung. Der Unterricht von Rhagu war vom Ablauf viel ursprünglicher, als ich es kannte“, sagt sie. „Die Klasse beginnt mit einer langen Sequenz Pranayama. Während der Asana-Praxis singt Rhagu beschwingt alte indische Mantren und Chants. Noch nie habe ich eine tiefere Verbindung mit dem Göttlichen gespürt wie in dieser Woche in Indien.“
Wer die Wahl hat, hat die Qual
Es muss kein Zufall sein, ob Sie sich nach Ihrem Yoga-Urlaub zufrieden äußern oder ob über unqualifizierte Lehrer ärgern. Es hängt auch immer davon ab, wie Sie sich Ihre Auszeit vorstellen. Darum sollten Sie unbedingt ein paar Punkte checken, bevor Sie buchen. Hier sind unsere 6 Tipps für Ihre Retreat-Suche:
1. Lehrer: Wer unterrichtet was?
Einige der gefragtesten Lehrer sind 300 Tage im Jahr unterwegs, führen ein modernes Nomadenleben, sind nur via Internet erreichbar. Erfahrungen mit Retreats haben diese gewiss zu Genüge. Gute Lehrer berücksichtigen immer individuelle Handicaps. Erkundigen Sie sich vorher beim Veranstalter, wer unterrichten wird und für welchen Stil er steht. Bei vielen Portalen können Sie sich Ihren Retreat danach aussuchen, ob Sie eher Anusara-Anhänger und Freund von klassischem Hatha Yoga sind. Aber – wie das Indien-Erlebnis von Julia Scherenberg zeigt – lohnt es sich oft, auch mal etwas auszuprobieren, was man nicht schon aus dem heimischen Yogastudio kennt.
2. Level: Ist der Kurs auch was für Anfänger?
„Der Kurs ist für Anfänger und Fortgeschrittene geeignet.“ Diesen Satz liest man häufig, wenn man im Internet nach einem Retreat sucht. In den meisten Studios in Deutschland können Schüler zwischen zwei oder drei Unterrichtsstufen wählen, in Retreats wird diese Einteilung gerne vernachlässigt und alle üben gemeinsam. Nicht selten sind Schüler dann überfordert und können dem Unterricht nicht folgen. Somit steigt auch das Risiko, sich zu verletzen. Grundsätzlich sollte man darauf achten, dass die Gruppe nicht zu groß ist oder ein Assistenz-Lehrer mit dabei ist. Es ist häufig ein Zeichen von Qualität, wenn Anfänger und Fortgeschrittene getrennt unterrichtet werden.
3. Fokus: Was möchten Sie erleben?
Morgens um sechs Uhr beginnt der Tag mit einer stillen Meditation, gefolgt von einer zweistündigen Asana-Praxis. Frühstück gibt es nicht vor elf Uhr – und in der Mittagspause verrichten alle einen selbstlosen Dienst an die Gemeinschaft. Oder: Die Yoga Stunde beginnt nach einem ausgiebigen Frühstück um zehn Uhr morgens. Der Nachmittag ist zur freien Verfügung, es gibt einen Shuttle-Service in die Stadt oder zum Strand. Abends treffen sich alle zur Party auf der Terrasse. So unterschiedlich kann der Fokus von einem Retreat sein. Daher sollte man sich vorher fragen: Passt der Tagesablauf zu mir? Was möchte ich erleben? Entspannung, Vertiefung der Praxis, neue Leute kennen lernen oder Party, Sightseeing und Yoga in einem?
4. Hilfsmittel: Gibt es einen Yogaraum?
Manche lieben es, einfach irgendwo auf der Wiese oder im Sand ihre Matte auszurollen. Andere bevorzugen ein schattiges Plätzchen im Inneren. Bei der Lage des Übungsorts sind die Geschmäcker ganz verschieden. Der Boden, auf dem Sie üben, spielt jedoch tatsächlich eine Rolle für Ihre Yogapraxis. Fragen Sie vor Reiseantritt einfach nach, wo die Stunden stattfinden werden und auch ob Übungshilfen (Block, Gurt und Decken) bereits vorhanden sind (Achtung: nicht immer der Fall!).
5. Verpflegung: Was steht auf dem Speiseplan?
In der Yoga-Philosophie gehört Ahimsa (Gewaltlosigkeit) zu den obersten Prinzipien. Eine vegane oder zumindest vegetarische Ernährung sollte daher bei einem echten Yoga-Angebot selbstverständlich sein. Wenn diese Philosophie in Hotels, Pensionen oder anderen Urlaubsorten nicht berücksichtigt wird, sollte Ihnen das zu denken geben.
6. Kosten: Welche Leistungen sind inbegriffen?
Überprüfen Sie bei der Buchung genau, welche Leistungen in dem veranschlagten Preis inklusive sind. Oftmals deckt der Betrag nur den Unterricht und die Übernachtung mit Frühstück ab. Mittag- und Abendessen sowie Ausflüge, Anreise und Transport vom Flughafen oder Bahnhof werden extra berechnet. Dann kostet der gebuchte Urlaub ganz schnell das Doppelte, als auf den ersten Blick gedacht…