Wie kommerziell darf Yoga sein?

Was ist uns Yoga eigentlich Wert? Und darf man an Yoga verdienen? Solche Fragen tauchen immer wieder auf in Yogakreisen. Es gibt unterschiedliche Antworten – vorausgesetzt, man traut sich überhaupt, über den „schnöden Mammon“ zu sprechen. Yoga Journal-Autor Michael Zirnstein hat es getan …

„Wenn ich noch einmal ,Energieausgleich’ höre, platzt mir das Kehlkopf-Chakra“, so zürnte neulich eine Freundin über die bei Kursanbietern beliebte Verschleierungsfloskel. Aber über Geld spricht man eben nicht. Könnte ja den yogischen Frieden stören zwischen Lehrer und Schüler. Ich kenne beides: So seltsam ich es finde, meine Schüler, alles freilich meine Freunde, abzukassieren, so sehr meldet sich die Geizzentrale meines Rechenzentrums, wenn ich bezahlen soll. 70 Euro für den 180-minütigen Spezial-Yamas-Workshop? Bringt mich das wirklich sechs Mal der Erleuchtung näher als die halb so lange normale Stunde (10er-Karte für 120 Euro)? „Was wir anbieten, ist sowieso nicht mit Geld aufzuwiegen“, rechtfertigt sich der Lehrer. Und wenn ich mir den Luxus dieses eine teure Mal spare? Kümmert er sich in den Stunden künftig mehr um die anderen Jünger, die natürlich alle ihre Yamas aufpolieren – ohne zu knausern…? Vielleicht sollte man doch einmal über Geld sprechen. Oder zumindest, wie es im Yoga immer so schön heißt: nachspüren.

Manchmal spüre ich Ärger. Wenn ich zum Beispiel während eines Retreats in Portugal herausfinde, dass ich als Deutscher grundsätzlich 200 Euro mehr bezahle als die portugiesischen Schüler, obwohl einige keineswegs Krisenopfer sind. Andererseits: Als Freunde ein Festival für die sich überdurchschnittlich liebhabende deutsche Acro-Yoga-Familie veranstalteten, standen zwei Köche von 6 Uhr bis nachts um 22 Uhr in der Küche, drei Tage lang, für drei kostbare und köstliche ayurvedische Mahlzeiten täglich. Jeder konnte anonym geben, was es ihm wert war. Am Ende fanden sich in der Spendenschale nicht einmal die 50 pro Kopf benötigten Euro, um die Lebensmittel zu bezahlen. Da heult mein kosmischer Gerechtigkeitssinn auf. Geben ist selig, aber richtig Nehmen muss auch gelernt sein. Einige Yoga-Popstars haben ja schon längst kein Studio und die damit verbundenen Unkosten mehr, sondern vergolden sich die Nase mit exklusiven Immersions an den schönsten Urlaubsorten. So ist ein Asana- Jetset entstanden für alle, die es sich leisten können. Yoga-Conferences, gerade in Übersee, vor allem in New York, kosten schon mal 1000 Dollar für vier Tage – so viele Klassen kann man gar nicht besuchen, dass sich das rechnet. Bei uns im kapitalistischen Westen wird Yoga oft abgerechnet wie an der Supermarktkasse.

Carsten Ehrhardt kennt das System, deswegen weiß er auch: „Man darf da nichts verallgemeinern.“ Er veranstaltet die „Yoga-Expos“ in mehreren Städten: Yogis bezahlen bei diesen Messen einen erschwinglichen Eintritt (etwa 15 Euro am Tag) und können rund um die Uhr an Schnupperstunden der Studios (die dabei für sich Werbung machen und dafür bezahlen müssen) teilnehmen. So bleibt Geld übrig, das die Besucher bei den Ausstellern ausgeben können, die mit der Standmiete die Messe tragen – ein geschlossener Kreis. Die an sich günstige Yoga-Expo gilt als „kommerziell“. Aber: Die Leute wollen es gar nicht anders. Ehrhardts Versuch, die Messe mit einer echten Yoga-Conference zu begleiten, bei der alle, die ein bisschen mehr zahlen, intensiv und für sich üben können, scheiterte kolossal: Kaum einer meldete sich an. „In München wollten die Leute lieber kurz üben und denken mehr ans Shoppen danach.“ Losgelöst von der Expo versuchte er es auch mit einer „Bhakti-Yoga-Conference“ in einem alten Gaszählerwerk: Für das schöne Ambiente, die Ruhe und Guru-Größen wie Radhanath Swami und Yogeshwari waren die Gäste bereit, mehr hinzublättern – am Ende zahlte der Veranstalter dennoch beinahe drauf, der hohen Gagen und Hotelkosten wegen.

Wenn Ehrhardt selbst Yoga anbietet – Vorträge über die vedischen Schriften, Puja-Zeremonien und mit seiner Frau im Duo Madhavi & Caitanya Kirtans – nimmt er dafür wiederum gar nichts: „Bhakti muss kostenlos sein. Aber wenn der Körper ins Spiel kommt, dann ist Geld legitim.“ Im Ashram seines spirituellen Lehrers in Indien habe er noch nie eine Rupie bezahlen müssen. In der vedischen Kultur unterstützen alle – wie sie können und mögen – ihre Brahmanen und Sadhus, ihre heiligen Männer, die für das Seelenheil aller beten: ein Grundrecht auf Yoga, eine Grundsicherung für die Priester (so wie in den meisten Religionsgemeinschaften). „So, und jetzt kommt Yoga zu uns in den Westen, wo man versucht, das zu intergrieren.“

Verschiedene Modelle
Das läuft in jeder Stadt und jeder Schicht unterschiedlich: In teuren Städten wie München oder Zürich sind die Mieten für Studios und der Lebensunterhalt extrem teuer, deshalb müssen Lehrer, die vom Yoga leben, mehr verlangen. Außerdem herrscht bei vielen Yogis der (Un-)Geist, findet Carsten Ehrhardt: „Was wenig kostet, ist nicht viel wert.“ Anders auf den Land: Winni und Sophia Ruhs zum Beispiel leben im Höllbachhof, einer Art Kommune tief im Bayerischen Wald. Sie halten bei Seminaren stets günstige oder kostenlose Plätze für Karma-Yogis frei und probieren verschiedene Spendenmodelle aus. Mal kann man für den Unterricht geben, was man will, mal werden in „Play and serve“-Wochen Übernachten und Essen billiger, weil alle Holz sammeln oder Unkraut jäten. In der Kommune werden auch verschiedene Modelle eines solchen Seva-Dienstes diskutiert: Denn ist es fair, wenn die armen Karma-Yogis den halben Tag lang in der Küche schwitzen, während die Vollzahler sich auf der Matte räkeln? Sollten nicht alle gleichermaßen viel Yogapraxis bekommen – und alle die meditative Kraft des Gemüse-Schnippelns erfahren?

Die meisten alternativen Bezahlmodelle gibt es im armen Berlin. Zum Beispiel bei Yellow Yoga in Kreuzberg, das Yoga für alle erschwinglich machen und trotzdem seine Lehrer fair bezahlen möchte. Hier werden günstige Flatrates angeboten und – wie an den Waldorfschulen – sozial gestaffelte Preise für die Drop-in-Klassen: Wer unter 700 Euro verdient, zahlt 4 Euro, der Höchstpreis beträgt 8 Euro pro Stunde. Ein Einkommensnachweis wird nicht verlangt: „Wir glauben dir, also tu das Richtige.“ Jörg Jung von Acro Fest Berlin bietet immer wieder Jams für Akrobaten, Yogis und Tänzer gegen Spenden an – so könne „eine tolle Sache schnell viele Menschen erreichen“. Die Hauptaufgabe als Anbieter sei, die Kräfte zu bündeln, um zu bestehen: „Alle haben Gaben. Viele Geringverdiener haben beeindruckende Fähigkeiten im nichtmonetären Bereich.“ Es setze allerdings eine geistige Klarheit voraus, damit so ein Modell funktioniert.

Und das fehlt im Westen noch. Carsten Ehrhardt, der sich wünscht, dass sich die unterschiedlich starken Yogis wie in der vedischen Kultur stützen, wie miteinander verwurzelte Mammutbäume aller Größen, hat schon „Leute mit wirklich viel Asche erlebt“, die sich beschwerten, weil Ärmere weniger zahlen mussten. „Das Bewusstsein muss hier erst wachsen“, sagt er. Über Geld zu sprechen, könnte helfen.

Michael Zirnstein arbeitet als Kultur- und Reisejournalist in München, wo er wöchentliche „Acro-Yoga-Jams“ mit Yoga, Partnerakrobatik und Thaimassage leitet.

 

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