Anregungen für (mehr) Yoga im Kinderzimmer

Die Weihnachtsferien stehen vor der Tür – wie wäre es mit ein bisschen Yoga für die Kleinen? Du musst keine ausgebildete Yogalehrerin sein, um dein Kind spielerisch an die wunderbare Welt des Yoga heranzuführen. Alles was du hierfür brauchst, trägst du bereits in dir – und so findet Yoga mit ein paar einfachen Tipps und Tricks Einzug ins Kinderzimmer.

Dass Yoga auch den Kleinsten guttut, ist von Experten gut belegt und für jeden yogabegeisterten Erwachsenen zweifelsfrei intuitiv greifbar. Der Wunsch ist oft groß, die Liebe zum Yoga mit den eigenen Kindern zu teilen. Doch nicht selten stehen Eltern vor der Frage, wie die doch recht durchstrukturierte Yogastunde, wie sie aus dem Studio bekannt ist, ins Kinderzimmer verlagert werden kann. Oftmals fehlen hier konkrete Vorstellungen und zugleich gibt es nicht immer ein passendes Angebot in der Kita oder Schule. In diesem Artikel findest du einfach umzusetzende Anregungen, so dass es direkt losgehen kann.

Vorab gilt: Niemand kennt dein Kind so gut, wie du. Je nach Alter können die Rituale, Übungen und Abläufe komplexer oder einfacher gehalten werden. Aus meiner Erfahrung bietet es sich an mit Kindern ab drei Jahren Yoga zu üben.

Rituale schaffen

Möchtest du eine feste Yogapraxis mit deinem Kind integrieren, lohnt es sich über ein Ritual nachzudenken. Dieser Aspekt ist weniger wichtig, wenn du den Fokus eher auf die physische Praxis legen möchtest und hier immer mal wieder spontan mit deinem Kind übst. In meinen Kinderyogastunden gibt es den “Happy Stone” (die Unterrichtsstunden sind auf Englisch) der zu Beginn der Yogastunde reihum geht. Der Stein heißt “Happy Stone”, weil wir ihm immer nur ganz tolle Dinge erzählen. Beispielsweise, was wir in den vergangenen Tagen/Stunden Schönes erlebt haben oder Dinge, für die wir glücklich sind.

Bei eurem persönlichen Ritual darf das Hauptaugenmerk darauf liegen, deinem Kind aufrichtig zuzuhören. Etwas, das im Alltagsstress verloren gehen kann, vor allem, wenn man mehrere Kinder hat. Somit kann das Ritual eine wunderbare Sache sein, um mehr über die innere Welt deines Kindes zu erfahren und einen Raum für den natürlichen Mitteilungsdrang der Kids zu schaffen. Zugleich wird die richtige Atmosphäre für die Yogapraxis kreiert. Die Kinder können sich sammeln und sind nach einer kurzen Einstimmung eher bereit, sich für einige Minuten auf die Asana-Praxis zu konzentrieren.

Einfach anfangen

Zum Warm-Up empfiehlt es sich zunächst ein paar Mal die Sonne auf- und untergehen zu lassen, so beginnen auch die kleinen Yogis ganz traditionell mit dem Grüßen der Sonne. Hierfür beginnt ihr in der Hocke (Malasana), bringt die Arme über die Seiten nach oben während ihr zum Stehen kommt und lasst oben angekommen die Sonnenstrahlen in alle Richtungen scheinen. Auf demselben Weg geht es in Richtung Sonnenuntergang wieder in die Hocke. In einer fortgeschrittenen Version empfiehlt es sich, das Ganze auf Zehenspitzen zu versuchen. Auch ein Schüttelkonzert bringt Wärme in den Körper und lässt sich zudem wunderbar mit einem kleinen Körper-Check-In verbinden: wir schütteln nur den rechten Fuß, den linken Fuß, das rechte Bein, das linke Bein. Spür hier ganz genau rein. Einfach alle Extremitäten nacheinander durchschütteln – shake it baby!

Ist dann der Bewegungsdrang der Kids erweckt, empfiehlt es sich, mit einfachen Pranayama- Übungen den Fokus wieder “auf die Matte” (auch ein Üben ohne Matte ist selbstverständlich kein Problem) zurückzuholen. Beispielsweise: Zieh die Schultern hoch zu den Ohren und atme hierbei tief in den Bauch ein, lass die Schulter fallen und atme dabei hörbar durch den Mund aus. Wiederhole die Übungen für ein paar Mal, bis du merkst, dass wieder mehr Zentrierung herrscht (eignet sich möglicherweise auch gut vor und/oder zwischen dem Erledigen der Hausaufgaben – “das kennst du doch vom Yoga!”. Kurze Ablenkung und Neuausrichtung tut immer gut).

Her mit den Asanas

Ein großer Vorteil ist, dass viele Asanas Tiernamen besitzen. Die Fantasie sowie der Bewegungsdrang der Kinder lässt sie auf natürliche Art und Weise in die Form einer Kobra, eines herabschauenden Hundes oder eines Schmetterlings schlüpfen. Hier ist es nicht wichtig an strikten Ausrichtungshinweisen festzuhalten, wie wir sie aus unseren Yogastunden kennen. Die Platzierung der hinteren Ferse oder die Blickrichtung ist auch deshalb weniger wichtig, weil die Kinder kaum statisch in den einzelnen Haltungen verweilen (je jünger desto weniger). Die Praxis mit den Kids lebt von Dynamik. Frag dein Kind doch einfach mal, wie eine Katze aussieht, wenn sie verärgert ist (Katze, Bidalasana) – hierbei darfst du ganz neugierig sein, welche Asana dir dein Kind lehrt und mit welchen neuen Erfahrungen du die Haltung erlebst.

Wenn du dir grafische Unterstützung holen magst, dann gibt es ganz zauberhafte Yogakarten für Kinder, auf welchen die Asanas verbildlicht sind. Ich möchte sie in meinen Stunden mit den Kids nicht mehr missen, denn sie bieten großartige Variationsmöglichkeiten und bringen Struktur in die Praxis. Beispielsweise dürfen die Karten einzeln aus einem Säckchen gezogen oder nach und nach von einem Stapel aufgedeckt werden. Der absolute Renner: Du versteckst die Karten vorab im Zimmer und die Kids dürfen suchen. Wer eine Karte findet präsentiert die Asana. Hier sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Kleiner Geheimtipp: Hast du die Karten doppelt zuhause, kann hieraus ein Memory gezaubert werden, Yoga-Spiel-Spaß garantiert!

Bild von Valeria Ushakova von Pexels

Die Asana-Praxis richtet sich nach deinem Kind

Das Schöne beim Üben mit deinem Kind ist, dass du die Praxis ganz individuell abstimmen kannst. Dein Kind kommt gerade vom Toben aus dem Garten? Na, dann darf das Warm-Up einfach übersprungen werden. Ist dein Kind eher schläfrig, empfehlen sich eventuell einige Standhaltungen und Rückbeugen (z.B. Krieger, Dreieck, Kobra). Hast du das Gefühl, es würde deinem Kind guttun, zur Ruhe zu kommen, gibst du der Schlussentspannung und Vorbeugen mehr Gewicht (z.B. Haltung des Kindes, Happy Baby). Schöpfe hier aus deinen eigenen Erfahrungen und gestalte die Praxis anhand der Bedürfnisse deines Kindes.

Gemeinsames Üben

Ein Aspekt, welchen ich am Yoga mit Kindern liebe, ist, dass hier Yoga wirklich gemeinsam praktiziert wird – Stichwort Interaktion. Ist dein Kind in der “Maus-Haltung” (Balasana, Haltung des Kindes) bietet es sich an, ihm eine kleine Nackenmassage zu schenken und ganz bewusst zu fragen: Wie fühlt sich das an? In der Tisch-Haltung (Variation der schiefen Ebene) wird der Happy Stone auf den Bauch gelegt als ultimative Prüfung, ob es sich hier wirklich um einen standfesten Tisch handelt. In der Kerze (Schulterstand, Sarvangasana) wird diese angezündet, indem die Füße leicht Richtung Decke gezogen werden und selbstverständlich wird sie auch nach einigen Atemzügen standesgemäß ausgeblasen (gegen die nackten Fußsohlen pusten).

Die genannten “Kids-Assists” wie ich sie gerne nenne, sind nur Beispiele und du wirst merken, dass dir ganz schnell eigene einfallen, wenn du deiner Kreativität und der magischen Verbindung zu deinem Kind freien Lauf lässt.

Besonders wichtig finde ich es, den Kindern beim gemeinsamen Üben zu vermitteln, dass es im Yoga nicht um Leistung geht. Etwas, dass vor allem für Schulkinder völlig ungewohnt ist. Denn schließlich geht es spätestens dort darum, in jeglichen Disziplinen besonders gute Ergebnisse zu erzielen. Es kann eine schöne Herausforderung darstellen, dich zu fragen, wie hier ein möglichst beurteilungsfreier Raum geschaffen werden kann.

Denke zudem daran, dass du nicht da bist, um deinem Kind Yoga beizubringen. Viel mehr praktiziert ihr gemeinsam. Löse dich von deiner Vorstellung, wie Yoga auszusehen hat, sei offen für Abweichungen in deinem Plan, kreative Einfälle und setze den Spaß an erste Stelle. So wird es zu eurer einzigartigen Familien-Praxis.

Der Zauber der Schlussentspannung

Nicht ohne Grund ist Savasana unter uns Erwachsenen auch bekannt als die schwierigste Asana. Wieso sollte es also gerade den Kleinsten, die stets auf Entdeckungstour und voller Tatendrang sind, leichtfallen, sich zu entspannen. Wichtig an dieser Stelle ist, hier nicht zu viel zu erwarten und trotzdem zu überlegen, wie man den Kids am ehesten etwas Entspannung schenken könnte. Vielleicht reicht es hierbei schon aus, dass im Anschluss an die Asana-Praxis das Lieblingsbuch durchgelesen oder ganz achtsam ein Stück Schokolade genossen wird. Möglicherweise hat dein Kind auch Spaß an Traumreisen, hier lassen sich schöne Beispiele online finden, die du ganz einfach vorlesen kannst.

Ein wunderbares Instrument stellt im Rahmen der Schlussentspannung eine Klangschale dar. Gerne spiele ich mit den Kleinen am Ende einer Yogastunde folgendes Spiel: Die Kids dürfen es sich so bequem wie möglich machen und frei eine Haltung wählen, in der sie entspannen können. Dann werden die Augen verschlossen, die Klangschale wird angeschlagen und die Augen dürfen erst geöffnet werden, wenn kein Ton mehr zu hören ist.

Vertraue in die Praxis

Beim Yoga mit den Kindern geht es in meinen Augen um den Spaß an der Bewegung und der Erkundung all dessen, was Yoga für einen persönlich sein kann. Kinder stellen Neugier über Perfektion und sind somit unsere größten Lehrer.

Durch das Üben mit den Kleinsten, kann ein erster positiver Kontakt zu Yoga entstehen. Bist du begeisterte*r Yogi*ni, besteht bei deinem Kind auf natürliche Art und Weise ein Interesse daran, was Mama und Papa da machen. So wird beim gemeinsamen Üben ein Samen gesät, der das Potential hat, später zu einer schönen Blume heranzureifen. Doch wie immer zählt nur das Hier und Jetzt. Eine schöne gemeinsame Zeit auf der Matte, egal wie diese aussehen mag, ist unbezahlbar und sollte das einzige Ziel sein. Du darfst darin vertrauen, dass du gar nichts falsch machen kannst. Indem wir den Kindern Haltungen, Atemtechniken oder Möglichkeiten der Entspannung nahebringen, werden wir zum Kanal, durch welchen sich die Weisheit des Yoga manifestiert.


Pia Neuburger
Foto: Laura Schleich

Unsere Autorin Pia Neuburger unterrichtet Kinderyoga im Kindergarten und an Grundschulen. Ihr Wissensdurst in den Bereichen persönliche Weiterentwicklung und Spiritualität brachte sie zu einer tiefen Liebe zum Yoga. Ihre Vinyasa Yogalehrerausbildung absolvierte sie bei Gabriela Bozic. Seitdem nimmt das Teilen von Yoga und die Weitergabe von mehr Leichtigkeit einen großen Stellenwert in ihrem Leben ein. Mehr Infos auf Instagram @piayogalove.


Bilder von Valeria Ushakova von Pexels

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