Wir Yogis wissen um die Kraft der Atmung. Sie ist unser Werkzeug, um ins Hier und Jetzt zu kommen. Trotz der täglichen Yogapraxis hat unsere Redakteurin Kerstin das Gefühl, erst nach dem Breathwork das ganze Potential dahinter zu kennen. Hier erzählt sie, wie sie im Rahmen eines Kompass-Kurses bei Susanne Scheuer von dieser Welt abhob.
Ablauf & Methode
Zu Beginn des Kurses wird der Verstand durch theoretischen Input abgeholt. Die Theorie variiert jedes Mal. Sie gehört aber immer zur selben Philosophie. Den “Universal Process” entwickelte die Kulturanthropologin Christina Kessler. Meine erste Erfahrung damit war ein Kompass Kurs, bei dem jede*r jederzeit einsteigen kann. Wir nehmen eine Auszeit vom Materialimus und dem Höher-Schneller-Weiter-Denken. Zurück zur Intuition, unserem Wilden Denken. Die innere Kompassnadel wieder neu justieren. Und das Wissen über unseren Herzensweg endlich im Alltag umsetzen. Aber das Ziel ist dabei nicht, das Außen zu verurteilen. Sondern in die Balance von Außen und Innen zu kommen. Und dafür gehen wir in einer kleinen Gruppe durch diesen Prozess. Als Höhepunkt beinhaltet er eine Stunde verbundenes Energie-Atmen.
Der Nachmittag, an dem ich teilnehme, heißt “Neues Denken – HQ statt IQ”. Das Ziel: von der Verstandesebene in die Intelligenz des Herzens kommen. Nach dem Input teilen wir, was uns beschäftigt. Jede Teilnehmerin ist dort vollkommen richtig, wo sie gerade im Prozess steht. Wir ordnen dann unsere aktuelle Situation in die gelernte Theorie ein und halten ein Gruppencoaching ab. Susanne Scheuer hat eine liebevolle, akzeptierende Art. Sie lässt uns an der von ihr ausgestrahlten Weisheit teilhaben. Aber gleichzeitig prägt sie keine unrealistischen Ideale, wie sofort ein perfektes spirituelles Leben zu führen. Sondern sie lädt die Teilnehmerinnen dazu ein, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen. Und vor allem auch dazu, wahrhaftig zu sein und dem Prozess zu vertrauen.
Körper, Geist & Seele
Das ‘über uns selbst Lachen’ lernen wir zuerst beim gemeinsamen Ausschütteln und Tanzen. Dadurch verbinden wir uns mehr mit unserem Herz. Wir schütteln alle Zweifel und Bedenken ab. Befreien uns von allen Ängsten. Und dann geht es an das, was der Verstand nicht begreift. Ähnlich wie auch Yoga unterliegt die Kessler Breathwork der Prozesshaftigkeit. Sie wird oft mit der holotropen Atmung verglichen. Sie hat aber einen entscheidenden Unterschied. Stanislav Grof nutzte das holotrope Atmen um in unterbewusste dramatische Prozesse zu tauchen. Wir nutzen es nicht einfach so. Sondern mit der individuellen Sehnssucht. Mit dem Ziel, das wir erarbeitet haben. Um über den Körper von außen ins Innere zu kommen. Also uns vom überbetonten Intellekt (IQ) zur intuitiven Herzintelligenz (HQ) zu atmen.
Kesslers Breathwork ist keine einfache Atemübung. Sie wird auch kreisförmige oder verbundene Atmung genannt. Das heißt, man macht keine Pause zwischen Ein- und Ausatmung. Oder wie Susanne sagt: “Man gibt sich dem Fluss der Lebensenergie hin.” Die Yogis nennen die Lebensenergie Prana. Im TCM heißt sie Chi. Der Körper arbeitet. Der Verstand schweigt. Und die Seele wirkt. Mit Yoga gesprochen. Die individuelle Seele verbindet sich wieder mit der Universalseele. Unserer spirituellen Heimat. Interessanterweise heißt die individuelle Seele auf Sanskrit Atman. Angeblich ist davon nämlich das Wort atmen abgeleitet.
Bei Kessler Breathwork kann man besonders gut loslassen. Es gibt beim Atmen kein Festhalten an alten Konzepten. Wir geben die Kontrolle auf. Sondern lassen die an den Atem gebundene Lebensintelligenz heilsam wirken. Währenddessen unterstützt Susanne die einzelnen Teilnehmerinnen abwechselnd durch energetische Arbeit. Auch durch sanftes Handauflegen und beruhigende Worte. Jede*r Atembegleiter*in nutzt seine individuellen Fähigkeiten. Susanne vertraut in die universellen Selbstheilungskräfte der Prozesshaftigkeit. Diese haben wir bereits zuvor im Theorie-Teil bereits besprochen.
Meine persönlichen Erfahrungen
Es fällt mir schwer, in Worte zu fassen, was passiert ist. Zuerst verkrampfte sich mein Körper. Das ist nach Susannes Aussage nicht ungewöhnlich. Dann war ich in einem tranceähnlichen Zustand. An diesen erinnere ich mich nicht genau. Bei einer Sache bin ich mir aber sicher. Ich fühle mich danach wie ein neuer Mensch. Die Atmung hat das Drama aus meinem Problem genommen. Mich aus den Gedankenkreisläufen in meinen Körper gebracht. Auch wenn ich mich nach der Tiefenatmung zuerst etwas benommen fühle. Danach kommt die Lebendigkeit.
Aus diesem Flow tauchen 6 neue Frauen auf. Jede Teilnehmerin erzählt von ihren Erfahrungen. Die Atmung kann bei jedem anders wirken. Manche transformieren emotionale Wunden. Andere gehen auf Fantasiereisen. Wieder andere erhalten inspirierende Bilder. Diese interpretieren wir nicht wortwörtlich. Ähnlich wie in der Traumdeutung sehen wir sie symbolisch. Zum Schluss fassen wir den Vorsatz, die neuen Erkenntnisse umzusetzen. “Jetzt waren wir im Spüren und in der Hingabe. Nun spricht der Verstand gemeinsam mit der neu erweckten Intuition. Um uns zu zeigen, wie wir ins Handeln kommen.”
Für wen ist die Methode geeignet?
Brauchen wir nicht alle manchmal einen Kompass im stressigen Alltag? Es gibt so viele Möglichkeiten zur Ablenkung im Außen. Da unterdrückt man leicht negative Gefühle. Oder nutzt Beziehungen als Ausreden. Um nicht unserem Herzen zu folgen. Oft sind wir uns es selbst nicht wert, unsere Wahrheit zu sprechen. Mir helfen solche sicheren Räume dabei. Vor allem den ganzheitliche Ansatz werde ich weiter vertiefen. Außerdem führt die Wiederholung dazu, dass sich in der Heilung alter Wunden neue Erkenntnisse zeigen. Irgendwann beginnt die vollkommene Freisetzung des Heilstroms durch die Lebensenergie. Mit dem können wir uns selbst und andere heilen.
Kessler Breathwork sollte man zu Beginn in Begleitung durchzuführen. Die gesundheitlichen Voraussetzungen liest du auf Susannes Website. “Für die Teilnahme am Atem Workshop ist normale körperliche und seelische Belastbarkeit Voraussetzung. Er dient als Selbsterfahrung und ersetzt keine psychotherapeutische Behandlung.” Mögliche Kontraindikationen können “akute Entzündungen oder Krankheiten, schwere Herz-Kreislaufprobleme, schwere Knochen- und Gelenkprobleme, akute Psychosen oder psychiatrische Vorgeschichte, Herzschrittmacher, Epilepsie und Glaukom” sein. In einem solchen Fall solltest du eigenverantwortlich handeln. Und hältst mit der Workshop-Leiterin Rücksprache. Hier wird individuell entschieden, ob die Aktivierung des Lebensenergiestroms durch die Atmung passt. Der Einsatz der Methode ist sehr vielfältig. Ob als Paaratmung. Im Liegen oder im Stehen. Oder auch in der Natur. Und sogar bei Geburts- und Sterbeprozessen unterstützt der bewusste Einsatz der Atemintelligenz.
Informationen über Workshops und die zertifizierte Ausbildung zum Kessler Breathwork Trainer findest du hier. Susanne Scheuer ist Dozentin, Mentorin und Heilpraktikerin für Psychotherapie. Deshalb begleitet sie Menschen in verschiedenster Form in ihren Lebensprozessen.
In Einzel- und Paararbeit und Kursen lehrt sie ein neues, kreatives Denken. Ein profundes Lebenswissen. Das mündet in ganzheitlicher Gesundheit. In Autonomie und Handlungskompetenz. Die Atmung dient dabei stets als Grundlage. In ihrem lebens.raum in Starnberg und der Gegend um München kannst auch du mit ihr arbeiten!
Text von Kerstin Thost| Titelfoto von cottonbro von Pexels
Vielen Dank für den spannenden Artikel zum Thema Atemarbeit. Wie so oft, selbst in einer Fachzeitschrift wie der Ihren, entdecke ich fehlerhafte Informationen die Menschen in die Irre fühlen.
Verstärkte Atmung führt nicht wie in dem Erfahrungsbericht zu einer besseren Versorgung mit Sauerstoff. In Ruhe liegt die Sauerstoffsättigung, das bedeutet die Menge an Hämoglobin die mit Sauerstoff beladen ist, bei 95-99%. Durch verstärkte Atmung wird NICHT mehr Sauerstoff aufgenommen, sondern mehr CO2 abgegeben. CO2 hat zwei lebenswichtige Funktionen im Körper. Das Auslösen des Atemreizes mit Hilfe eines biochemischen Sensors im Atemzentrum, sowie die Abgabe von Sauerstoff zur Umwandlung in Energie in der Zelle. Mehr Atmung führt zu weniger Sauerstoff im Körper.
Das Phänomen nennt sich Sauerstoff-Paradoxon, das Prinzip dahinter ist Bohr-Effekt.
Die beschriebenen Symptome wie kribbeln entstehen durch die Abatmung von CO2. CO2 ist eine Säure, daher verschiebt sich der pH-Werz des Blutes in den albanischen Bereich. Man spricht von einer respiratorischen Alkalose, das Phänomen nennt sich Tetany.
Atme tief und flute Deinen Körper mit Sauerstoff, lese und höre ich lieber sehr häufig. Der größte exististierende Atemmythos.