Verbindung aufnehmen und sich tragen lassen: Yoga und Reiten können sich perfekt ergänzen.
Also gut, dann bin ich heute also einmal Leitstute. Ich muss authentisch handeln und mir durch klar vermittelte Entschlossenheit das Vertrauen eines Lebewesens verdienen, das etwa 600 Kilo schwerer ist als ich.
Was meinen bisherigen Kontakt mit Pferden betrifft, kann man durchaus von der klassischen Variante sprechen: Von etwa acht bis vierzehn Jahren bildeten sie ein Zentrum meines Lebens, mit allem was dazu gehört – von Hufeisen-Bettwäsche über Pferdeposter und Stall ausmisten gegen Reitstunden bis hin zur einschlägigen Mädchenliteratur („Bille und Zottel“). Zu dieser Schwärmerei gehörte – wie ich heute weiß – auch ein Missverständnis über das Reiten: Zu gern überließ ich damals dem Pferd die Initiative und vor allem die Richtung, in die es mich trug. Zu sehr widerstrebten mir die von konventionellen Reitlehrern geforderten Aktionen wie „Hilfengebung“ durch Peitsche, Sporen und insgesamt eher ruppigem Auftreten.
Einen komplett anderen Ansatz verfolgt die Münchner Yogalehrerin Selina Gullery. Die unter anderem von Shiva Rea und Twee Merrigan ausgebildete gebürtige Irin bietet gemeinsam mit der Reitlehrerin Jeannette Reichert im bayerischen Voralpenland Workshops zum Thema „Yoga und Pferde“ an. Mit romantischer Projektion auf das stärkere Tier oder auch der Auffassung vom Reiten als „Sport“ haben diese Coachings nichts zu tun, eher mit Ausgeglichenheit, Koordination, Konzentration, das Erspüren des eigenen Körpers und die volle Präsenz im Augenblick. Dadurch solle die natürliche Autorität gefördert werden, der das Gegenüber, also das Pferd, freiwillig und gern folgt. Klingt nach Yoga? Nicht zufällig. Also auf zum Workshop auf dem idyllischen Hofgut Schörghof nahe bei Weilheim.
„Das Pferd ist ein Herdentier, genau wie der Mensch“, erklärt Jeannette Reichert, die Zusatzausbildungen zur Rhetorik-Trainerin und zum Schauspiel-Coach vorweisen kann und in Bad Wörishofen ihre eigene Reitschule betreibt. Wie in jedem gruppendynamischen Prozess zähle hier die Rangordnung. Oberste „Führungskraft“ in der Pferdeherde sei die Leitstute, die „graue Eminenz, die sich das Vertrauen der anderen verdient und sich bewährt hat.“ Bevor sich der Mensch einem Pferd annähere, sei es interessant herauszufinden, welchen Platz das Tier in der Gruppe einnehme und sich dementsprechend zu ihm in Position zu bringen.
Um eine funktionierende Verbindung zum Pferd aufzubauen, ist es zusätzlich sinnvoll, auch die eigene Mitte zu finden. Beste Gelegenheit hierzu sei laut Reichert die Bodenarbeit, über die die entscheidende Kontaktaufnahme mit dem Pferd passiere. Deren Kern sei eine nachvollziehbare Autorität, mit der das Pferd geleitet werde. Durch konsequentes Verhalten werde das Tier motiviert, Vertrauen aufzubauen. „Doppeldeutigkeit und Ironie bringen hier nichts, und Unsicherheit verwirrt das Pferd geradezu“, erklärt Jeanette Reichert. Da Pferde Meister im Lesen von Körpersprache seien, müsse das innere Bild des Menschen dem äußeren entsprechen.
Von Christina Raftery
Den ganzen Artikel zu “Yoga und Reiten” können Sie in unserer Mai/Juni-Ausgabe lesen.