Dies.Das.Asanas mit Jelena Lieberberg: Der kleine Weise

Der Weise Vishvamitra, nach dem diese Haltung in ihrer klassischen Form benannt ist, hat sich angeblich für 1000 Jahre zur Meditation auf den höchsten Himalayagipfel zurückgezogen. Unsere Kolumnistin war dagegen am Meer – und zeigt uns eine etwas einfachere Variante der Asana. Kniffelig ist sie aber auch …

Text: Jelena Lieberberg / Foto: Aljosa Petricic

Mein erster Berührungspunkt mit dieser Haltung war eine Instagram-Challenge, auf die ich mit Mitte 20 als Neu-Yogini stieß. Klassisch wird Vishvamitrasana mit beiden Beinen in Streckung praktiziert – und ich war sofort fasziniert: Wie ist es denn möglich, in eine Armbalance zu gelangen, die gleichzeitig ein fliegender Spagat ist? Meine Neugier war geweckt. Ich hüpfte sofort auf meine Matte – und fiel erst mal um. Es hat eine Weile gedauert, bis ich verstanden hatte, wie ich mich am besten dafür aufwärme und wie man die Haltung aufbauen muss.

Vishvamitrasana ist benannt nach dem Weisen Vishvamitra. Diese etwas vereinfachte Variante nenne ich daher den kleinen Weisen. Mit seinem abgesetzten Knie und dem Stützarm vor dem schwebenden Bein ist er ein guter Einstieg in die Welt der fordernden Seitstrecker, aber man sieht es ihm schon an: Anspruchsvoll ist er auch! Falls sein Anblick auch bei dir eine kindliche Neugier weckt, dann springe jetzt bitte nicht gleich auf die Matte, sondern wärme dich unbedingt erst mal gründlich auf (es sei denn du warst in einem früheren Leben mal Tänzer*in). Heute, 20 Jahre nach meiner ersten Begegnung mit Yoga, genieße ich es, mir für jede Haltung Zeit zu lassen, meine Grenzen wahrzunehmen – und mir dennoch weiterhin Yogaträume zu erfüllen.

Macht das Spaß?

Auf jeden Fall! Dieses Körperpuzzle ist knifflig, da wir einerseits Balance finden und halten müssen und gleichzeitig aktiv unsere ROM (Range of Motion) erforschen, das Maß an aktiver Beweglichkeit.

Muss ich das können?

Natürlich nicht. Wie immer gilt: alles kann, nichts muss. Seitdehnungen kommen meiner Meinung nach allerdings in der Praxis oft zu kurz, weshalb es sich lohnt, diese (beziehungsweise ihre Vorstufen) mal etwas häufiger zu erkunden.

Was muss ich dafür tun?

Um geschmeidig in diese Position zu gelangen, ist es sinnvoll, 30-45 Minuten in ein spezifisches Warm-up zu investieren. Dazu sollten zunächst dynamische Dehnungen, Sonnengrüße und Heldenhaltungen gehören und dann länger statisch gehaltene Asanas, die weiter in die Dehnung führen, vor allem Pyramide, Grätsche, halber Spagat und Kompass.

Step by step

  1. Beginne im Vierfüßlerstand auf deiner Matte. Wenn du möchtest, übst du mit deiner rechten Seite neben einer Wand. Das unterstützt dich später in der Balance. Setze deinen rechten Fuß nach vorne, außerhalb der rechten Hand.
  2. Halte das linke Knie an seinem Platz und ziehe nur den linken Unterschenkel und Fuß weiter nach rechts hinter dich. Dabei dreht der Oberkörper nach links. Wende nun den Blick nach unten und greife die Außenkante deines rechten Fußes mit der linken Hand. Dabei schiebst du die rechte Hand fest gegen die Matte und hebst aktiv die rechte Schulter, um dich zu stabilisieren.
  3. Strecke nun langsam das rechte Bein, wobei sich dein Brustkorb gleichzeitig nach links und oben weitet. Richte deinen Blick nach vorn oder in Drehrichtung gen Himmel. Bleibe 5 Atemzüge lang in der Haltung, dann löst du sie behutsam wieder auf und wiederholst das Ganze auf der anderen Seite.
  4. Falls dir diese Variante leicht fällt, kannst du dich an Vishvamitrasana versuchen: Im ersten Schritt setzt du den rechten Fuß statt nach außen, nun innen von der rechten Hand auf. Dadurch kommt der stützende Arm hinter das gehaltene Bein statt wie im kleinen Weisen davor. Sobald du in dieser Variante das Gefühl hast, dass du sie sicher halten kannst, versuchst du das Gleiche mit dem hinteren Bein gestreckt – dabei gibt es jeweils wieder die Variante mit dem stützenden Arm vor oder hinter dem vorderen Bein.

JELENA LIEBERBERG ist Osteopathin und Yogacoach in Berlin. Du findest sie auf kickassyoga.com, Insta @kickassyoga oder YouTube.

Kennst du auch schon diese Variante der Vorwärtsbeuge aus Jelenas letzter Kolumne?

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