Der Kopfstand gilt als der “König der Asanas”, doch während er traditionell zu den wichtigsten Yogahaltungen zählt, spielt er in der heutigen Praxis eine deutlich geringere Rolle. Hier erfährst du, worauf es ankommt, um Shirshasana gefahrlos zu üben.
Text: Dr. Ronald Steiner / Fotos: Richard Pilnick
Wirkung von Shirshasana
Laut der traditionellen Energielehre der Hatha-Yogis tropft Lebensenergie (Prana) im Körper von oben nach unten und verbraucht sich dabei. Man nahm an, die körperliche Umkehr könne diesen Prozess stoppen beziehungsweise umkehren und daher verjüngend wirken. Doch damit nicht genug: Die mit Hilfe der Schwerkraft in den Kopf geführte Energie sollte auch zu einer spirituellen Einheitserfahrung führen.
Aus naturwissenschaftlicher Sicht gibt es bisher keine Belege für diese verjüngende oder gar erleuchtende Wirkung. Viel eher steht der Kopfstand wegen seiner Risiken in der Kritik (dazu weiter unten mehr). Dennoch hat die Asana für viele Übende einen besonderen Reiz, fast eine Magie: Sie vermittelt wie wenige andere Selbstvertrauen und Konzentration und wird als gleichermaßen erfrischend und beruhigend empfunden. Voraussetzungen für eine gefahrlose Ausführung sind ein starker Rumpf und Schultergürtel und Stabilität in der umrundenden Halsmuskulatur.
So geht’s:
Step 1: Knie dich auf den Boden und falte deine Hände. Nimm dabei den kleinen Finger der unteren Hand nach innen. Platziere nun deine Unterarme so vor dir, dass zwischen Ellenbogen und den gefalteten Händen ein etwa gleichseitiges Dreieck entsteht, im Zweifelsfall setzt du die Ellenbogen lieber enger, denn sie haben die Tendenz auseinander zu rutschen.
Step 2: Lege nun die Mitte deiner Schädeldecke so auf den Boden, dass dein Nacken gerade ist und du deinen Hinterkopf mit den Händen umschließt und stützt. Schiebe dabei die Unterarme aktiv gegen den Boden, so dass nur wenig Gewicht auf dem Kopf lastet.
Step 3: Strecke Beine und Rumpf und wandere mit den Füßen Richtung Kopf, bis das Becken senkrecht über den Schultern steht.
Step 4: Bewege das Becken noch etwas weiter nach hinten und komme auf die Zehenspitzen. Sobald sie sich vom Boden lösen, ziehst du deine Knie an den Rumpf.
Step 5: Rolle deine gebeugten Beine nun langsam nach oben. Dann streckst du die Beine senkrecht Richtung Himmel.
Alignment Cues
Druck auf die Unterarme: Schiebe die Schultern aktiv in die Länge und drücke die gefalteten Hände fest gegen den Boden. So lastet weniger Druck auf der Schädeldecke und du bringst die Muskel-Faszienzüge rings um die Halswirbelsäule auf Spannung. Das schafft Länge und Stabilität in der Halswirbelsäule.
Balance aus dem Becken: Anstatt sich abzustoßen oder die Beine mit Muskelkraft zu heben, also gegen die Schwerkraft zu arbeiten, verlagerst du mit dem Becken den Körperschwerpunkt so, dass die Füße sich von alleine vom Boden lösen.
Rippen rein, Schulterblätter lang: Wenn du deine Rippen zum Bauchnabel hin ziehst, spürst du wie die Muskulatur, die deine Schulterblätter mit dem Rumpf verbindet, einen besseren Ansatz bekommet. Stemme dich nun von den Schulterblättern beginnend kraftvoll gegen den Boden.
Kreuzbein lang, Sitzbeinhöcker weit: Indem du das Kreuzbein aktiv weg von deinem Hinterkopf in die Länge spannst, entsteht mehr Stabilität durch den gesamten Rumpf. Achte dabei aber darauf, die Sitzbeinhöcker weit zu lassen. Das Becken balanciert in einer neutralen Stellung auf der stabilisierten Wirbelsäule.
Risiken:
Wie bei allen Umkehrhaltungen ist auch hier Vorsicht geboten, insbesondere bei erhöhten Blutdruck, vorheriger Schädigung der Blutgefäße und der Einnahme von Blutverdünnern: Der Augeninnendruck kann sich erhöhen, auch Hirnblutungen sind möglich, weswegen in diesen Fällen grundsätzlich vom Kopfstand abgeraten wird. Hinzu kommt der mögliche Druck auf die empfindliche Halswirbelsäule, vor allem bei mangelnder Kraft und Vorbereitung. Daher empfehle ich, zunächst genügend Kraft und Stabilität im Schultergürtel und im gesamten Rumpf aufzubauen, bevor man von der Basic Form zur klassischen übergeht.
Alternative Form – Basic Form
Stütze hierzu deine Unterarme wie in Step 1 beschrieben auf dem Boden auf. Platziere dann jedoch im zweiten Schritt deinen Kopf nicht auf dem Boden, sondern halte die Schultern senkrecht über den Ellenbogen und lass den Kopf knapp über dem Boden schweben, während du deine Beine wie in Step 3 langsam streckst. Bleibe mehrere Atemzüge lang in dieser Position. Sie aktiviert deine Schulter-Rumpf Verbindung, baut Kraft auf und erzeugt viele der positiven Effekte der Umkehrhaltung.
DR. RONALD STEINER ist Arzt, Wissenschaftler und Sportmediziner sowie einer der bekanntesten Praktiker des Ashtanga Yoga. Mehr zu Ronald und zu Shirshasana findest du auf ashtangayoga.info.
Auch im “YogaWorld Podcast” war Dr. Ronald Steiner bereits mehrmals zu Gast. Wie z.B. in dem spannenden Zweiteiler über Yogatherapie: