Was ist eigentlich Progressive Muskelentspannung (PME)?

Sicher hast du schon mal von der alternativen Heilmethode Progressive Muskelentspannung gehört. Doch woher kommt sie, wie wirkt sie und für wen sie geeignet? Und vor allem: wo liegen die Grenzen der PME? Wir klären auf…

Text: Dr. Cornelia Löhmer / Titelbild: Natalie Bond via Pexels

Woher kommt die Progressive Muskelentspannung (PME)?

Der amerikanische Arzt und Physiologe Edmund Jacobson (1888-1983) entwickelte die Progressive Muskelentspannung Anfang des 20. Jahrhunderts in den Laboratorien der Harvard-Universität. Nach 20-jähriger Forschungstätigkeit veröffentlichte er die Ergebnisse seiner Arbeit 1929 in einem Buch, das sich an Ärzte und Ärztinnen wandte. Man schlug Jacobson daraufhin vor, seine Ideen auch für Nichtfachleute zu formulieren. So erschien 1934 das Buch “You Must Relax” – die deutsche Ausgabe heißt “Entspannung als Therapie“. Die Progressive Muskelentspannung (PME) nach Edmund Jacobson ist seit 1987 Bestandteil der psychosomatischen Grundversorgung in allen gesetzlichen und privaten Krankenkassen.

Wie wirkt die PME?

Bei der PME handelt es sich um ein Muskelentspannungs-Training. Dabei werden systematisch einzelne Muskelgruppen angespannt und wieder entspannt. Die Aufmerksamkeit ist auf die jeweiligen Muskelgruppen gerichtet. Es gilt, die Unterschiede zwischen dem Körpergefühl der angespannten Muskulatur und dem der entspannten Muskulatur genau wahrzunehmen. Nach einiger Übungszeit können beginnende Verspannungen frühzeitig erkannt und aktiv gelöst werden. Sogar noch bevor es zu Spannungsschmerzen oder Verkrampfungen kommt.

Seelische Anspannung bewirkt muskuläre Verspannung

Doch nicht nur die Körperfunktionen sind beeinflussbar. Jacobson entdeckte in seinen Untersuchungen einen Zusammenhang zwischen seelischen Spannungen und einem körperlich erhöhten Muskeltonus. Wer unter psychischen Unsicherheiten und Angstzuständen leidet, dessen Muskeln sind angespannt. Wird die Spannung auf der körperlichen Seite gelöst, verringert sich auch die psychische Anspannung. Die Gehirnaktivität wird schwächer. Der Mensch kann wieder geistig abschalten und er wird ruhiger und gelassener. Das Ruhegefühl wiederum bewirkt eine zunehmende Muskelentspannung, die ihrerseits ein noch stärkeres Ruhegefühl hervorruft. Auf diese Weise kann eine körperlich-seelische Ausgeglichenheit erreicht werden, die wir mit dem Begriff “Wohlspannung” bezeichnen.

Weniger stressanfällig durch PME

Da Muskeln lernfähig sind, wird der gesamte Prozess durch regelmäßiges Üben beschleunigt. Schon nach etwa vier Wochen erinnern sich die Muskeln daran, wie sie ihre Grundspannung reduzieren können. Menschen, die die Muskelentspannung regelmäßig praktizieren, sind in der Lage, sich innerhalb von Sekunden in den Zustand der Wohlspannung zu versetzen. Sie sind nachweislich weniger stressanfällig, verfügen über stärkere körperliche Abwehrkräfte und sind insgesamt ausgeglichener.

Vielfältig als Therapie einsetzbar

Die Progressive Muskelentspannung ist eine Methode, in der es viele Indikationen und keine absoluten Kontraindikationen gibt. Bereits Jacobson empfiehlt die Progressive Muskelentspannung als Therapie bei hohem Blutdruck, Magen- und Darmgeschwüren, Herz- und Gefäßkrankheiten, Verdauungsstörungen und Colitis, bei nervösen und psychischen Störungen, bei Schlafstörungen, bei Erschöpfung, bei nervlicher und geistiger Überlastung, bei ständiger Unruhe, häufiger Erschöpfung und bei Angst. Die Muskelentspannung hat eine positive Wirkung auf alle Störungen und Erkrankungen, die mit den Muskeln, dem Nervensystem oder dem Kreislauf zu tun haben.

Darüber hinaus wirkt sich die Progressive Muskelentspannung ganz generell positiv auf das Allgemeinbefinden, auf die Immunabwehr und die Regenerationsfähigkeit aus. Und es gibt noch einen weiteren Vorteil: Selbst wenn du die Progressive Muskelentspannung unvollständig oder unsystematisch ausführst, wenn du darüber einschläfst oder über einen längeren Zeitraum nicht übst, führt dies höchstens dazu, dass du keine oder nur wenig Entspannung erreichst – ein “Schaden” kann nicht entstehen.

Für wen ist PME geeignet?

Die Progressive Muskelentspannung ist eine alltagstaugliche Methode zur Stressbewältigung. Prinzipiell kann jeder Mensch die PME erlernen, der in der Lage ist, willentlich seine Muskeln anzuspannen und zu lösen. Einschränkungen in der Anwendung gibt es, wenn Menschen nicht, noch nicht oder nicht mehr in der Lage sind, die Anleitungen zu verstehen und umzusetzen. Dies gilt insbesondere für kleine Kinder und für Menschen mit einer psychischen oder altersbedingten Reduzierung ihrer geistigen Fähigkeiten.

In welchem Zusammenhang steht PME mit der Yogapraxis?

Durch die Progressive Muskelentspannung werden Menschen geschult, die jeweiligen -körperlichen Zustände wahrzunehmen, ohne sie zu bewerten. Damit werden sie in ihrer Achtsamkeit sensibilisiert für das, was “Jetzt” ist – eine ideale Hinführung zur Yoga- und Meditations-Praxis.


Die Autorin dieses Artikels, Dr. Cornelia Löhmer, arbeitete seit 1990 selbstständig als Seminarleiterin, Trainerin, Ausbilderin für achtsamkeitsbasierte Verfahren und Buchautorin von 1990 bis zum kompletten Ausstieg aus der Seminararbeit 2020. Seitdem lebt und arbeitet sie auf dem Biobauernhof  “Weidehüpfer” im Vogelsberg.

In der Praxisreihe unseres YogaWorld Podcast findest du eine angeleitete Progressive Muskelentspannung mit Tina Beitinger. Probiere es gleich aus:

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