Ein Neurobiologe muss kein kopflastiger Menschen sein. Im Fall von Gerald Hüther trifft man auf einen Hirnforscher mit Herz und Lebensweisheit. Und weil Yoga und Wissenschaft gerade viel voneinander lernen, ist Hüther auch in Yogakreisen ein geschätzter Gast.
YOGA JOURNAL führte mit ihm ein Gespräch über Freiheit, Gefühle und die Liebe.
Herr Hüther, wenn man das Wort „Yoga“ aus dem Sanskrit übersetzt, bedeutet es „Verbindung“. Heutzutage wird es gerne mit „Harmonie“ oder sogar „Freiheit“ gleichgesetzt.
Ich glaube, dass wir im Westen ein Problem mit dem Begriff „Freiheit“ haben. Wir müssen uns fragen, was wir eigentlich damit meinen. Es gibt die Freiheit, die aus der Gefangenschaft herausführt – die „Freiheit von“. Etwas völlig anderes ist es, zu sagen: „Ich bin frei für etwas“. Warum haben wir diesen Begriff so zerlegt? Das kann nicht ursprünglich so gewesen sein, sonst hätten wir zwei Worte dafür. Die Antwort könnte in dem Umstand liegen, dass Freiheit ursprünglich nur in Verbundenheit möglich gewesen ist.
Parallel nimmt die Bereitschaft ab, in Ehe oder Partnerschaft langfristig auch durch Schwierigkeiten hindurch verbunden zu bleiben. Haben wir es hier mit einem falschen Verständnis von Freiheit zu tun?
Der Mensch ist kein Einzelwesen. Er ist immer verbunden. Aber die meisten der Beziehungen, die wir in unserer Welt kennen, sind Objektbeziehungen, in denen sich Leute gegenseitig benutzen. In einer solchen Gemeinschaft mit anderen – auch in der Partnerschaft – wo ich für bestimmte Zwecke gebraucht werde, wo ich Objekt von Erwartungen bin, von Bewertungen und am Ende gar von Erziehungsmaßnahmen: Da bin ich unfrei. Deshalb verstehen die meisten Menschen in unserer Gesellschaft unter „Freiheit“ das Herauskommen aus den zu engen und sie bedrängenden Objektbeziehungen.
Die Partnerschaft sollte ja eigentlich ein Schutzraum sein.
Eine wirkliche Liebesbeziehung geht nur auf Augenhöhe, von Subjekt zu Subjekt. In einer Partnerschaft, in der es beide fertigbringen, sich auf solch eine Begegnung einzulassen, muss keiner seine Freiheit suchen, indem er die Partnerschaft verlässt. Dann ist er ja in der Partnerschaft der freieste Mensch, den es gibt.
Lässt sich so etwas durch Yoga lernen? Kann man Liebe lernen?
Die Anfangserfahrung eines Kindes heißt: Solange ich als Subjekt gesehen werde, bin ich in engster Verbundenheit völlig frei. Ich brauche diese Verbundenheit, damit ich mich daraus in meiner Einzigartigkeit entwickeln und meine Potentiale wirklich entfalten kann. Man kann tatsächlich nur in der Subjekt-Subjekt-Beziehung gleichzeitig das Gefühl von Autonomie und Verbundenheit erleben. Das Wort, das wir dafür im Deutschen haben, heißt: Liebe.
Dann wäre Liebe aber kein romantisches Gefühl, sondern eine grundlegende Haltung, eine Entscheidung?
Das ist eine Beziehung, in der sich beide gleichzeitig das Gefühl von Vertrauen geben und das Gefühl, dass man aufgrund und trotz der engen Verschmelzung ständig darauf achtet, dass der andere in seine eigene Kraft kommt.
Wie kann man das meistern?
Um eine Haltung der Liebe zu entwickeln, müsste jeder Partner jemand werden, der in ähnlichen Subjekt-Subjekt-Beziehungen so viel Kraft gefunden hat, dass er das auch weitergeben kann. Wenn man einen Menschen wirklich liebt, ist das kein Gefühl, sondern eine Haltung, die sich dann auch auf die Beziehungen zu anderen Menschen übertragen kann.
Viele Yogis erwarten von sich eine solche Haltung, am besten direkt und sofort. Wenn sie das nicht schaffen, werten sie sich ab. So entsteht ein unglaublicher selbstgemachter Druck, der auch zu einem wenig authentischen Liebesverhalten führen kann. Wie lässt sich dieses eigentlich positive Bestreben also stärken?
Es ist ja Teil des Yoga, dass man über die Übungen mit sich selbst in Beziehung kommt. Jemand, der sich bisher ständig verurteilt hat, kann durch Yoga – sowohl durch die Meditation als auch durch die Asanas – wieder in Kontakt zu sich selbst kommen und sich wieder selbst als Subjekt befreien.
Das gesamte Interview lesen Sie im YOGA JOURNAL #43.
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