“Mein Leben ist mein Yoga” – Interview mit Marica Bodrožić über Yoga & Heimat

Geboren 1973 im Hinterland von Split und aufgewachsen in Hessen, lebt die Schriftstellerin Marica Bodrožić inzwischen in Berlin. Wir sprachen mit ihr über Yoga, Heimat und ihren kürzlich erschienenen Roman “Das Herzflorett”.

“Heimat” ist auch das Titelthema unseres neuen YOGAWORLD JOURNALS 06/2024. (Jetzt hier und am Kiosk erhältlich!)

Text: Andrea Goffart / Titelbild: Silke Mondovits

Liebe Marica, als wir dieses Gespräch vereinbart haben, schriebst du mir, dass Yoga dich durch die herausforderndsten Zeiten getragen hat.

Ja, ich sehe Yoga als Möglichkeit, immer wieder zu mir zurückzukehren, still zu sein. Als ich meine Tochter zur Welt brachte, dachte ich, ich müsse wie bisher meine Übungen machen. Irgendwann habe ich verstanden, dass mein Leben mein Yoga ist. Ja, natürlich, die Asanas sind wichtig und erfüllen mich mit tiefer Ruhe und Freude. Und über das Yoga-Üben lerne ich immer wieder ins Üben allgemein zu kommen: Wenn ich im Alltag einer Grenze begegne, dann kann sie zu meiner Übung werden, zu meinem Yoga. 

Eine Haltung, die wir im Yoga annehmen und die auf unser Leben strahlt?

Yoga: Der Baum - Heimat
Foto: Lolostock via Cnava

Ja, eine Haltung, ohne die mein Leben undenkbar wäre, gerade in wackeligen Zeiten. Wenn ich den Baum übe, sehe ich, wie es mir wirklich geht, weil der Körper es zum Ausdruck bringt. Und dadurch lerne ich, auch im Alltag milde mit mir umzugehen. Ich zittere – na und? Auch eine Zitterpappel zittert. Trotzdem bin ich ein Baum, ein Baum, der in seinem Leben steht.

Diese Baumerfahrung findet sich auch in “Herzflorett” …

Während ihre Mutter ihr immer wieder zusetzt, verbindet sich meine Romanfigur, Pepsi, mit einem Baum in ihrer Straße. Wenn sie ihn lange genug anschaut, wird er zu einer Art zweitem Rücken. So nehme ich die Dinge wahr und so schreibe ich auch darüber, es ist ein großes Lebensgespräch. Meine Yoga-Praxis ist eine tiefe Kraftquelle.

“Das Herzflorett”

Maricas autofiktionaler Roman “Das Herzflorett” ist bei Luchterhand erschienen.
Er erzählt von einem Dorf im Taunus. Einer Familie aus Dalmatien.
Einer zerrissenen Kindheit und rebellischen Jugend:
Von einer jungen Frau und ihrem Weg in die Freiheit.

Tipp: Marica Bodrožić ist mit ihrem Roman auf Lesereise,
unter anderem in Berlin, Dornach, Chemnitz, Wien und Oldenburg.

Weil sie dich berührbar macht?

Jeder Mensch, der seine Seele lebt, wird auf eine ganz natürliche Weise berührbar. Wer als Mensch echt ist, geht einen herausfordernden Weg. Es ist sehr fordernd, in einer Welt der Äußerlichkeiten und des Wettbewerbs in die Zärtlichkeit mit sich selbst zu gehen. Das Leben hat mir immer wieder Situationen geschenkt, die schwer zu meistern waren. Dann war es unumgänglich, mich etwas zu trauen, Vertrauen zu üben und diese Situationen zu überwinden. Nicht im Sinne einer Gegnerschaft, eines Kampfes, sondern im Sinne eines Weges.

Das will ich in meinen Büchern zeigen: Es ist wichtig, den Weg zu gehen und nicht den Weg zu bekämpfen. Das ist im Leben so, im Yoga, im Schreiben. Es geht um einen Frieden, der die Stürme des Lebens aufnimmt. Sie sind im Körper empfunden und integriert.

Beheimatet? 

Marica Bodrozic: Heimat

Ja, im Körper beheimatet. Innen. Heimat ist nicht im Außen, dort habe ich sie nie gesucht. Sie ist innerlich und Yoga verbindet uns. Für mich ist Heimat nur zu finden, wenn ich das aufgebe, was mir als Heimat aufgezwungen wurde. Die neue Heimat zu suchen, ist immer mit dem eigenen Menschsein verbunden. Und das ist nur in der Verbindung mit anderen Menschen zu spüren.

Vielleicht ist auch deine Erfahrung, zwischen zwei Orten zu stehen, zwischen Dalmatien und Hessen, eine Einladung für diese Art von neuen Verbindungen?

Ich denke, gerade das Dazwischen schenkt einen Blick auf die verbindenden Momente. Im Roman erlebt Pepsi, wie der Süden und der Norden in ihr in Einklang kommen.

So wie deine Protagonistin hast auch du eine Heimat in der Sprache gefunden.

Ja, in meiner Arbeit bin ich zuhause, ich gehe nirgendwohin arbeiten, immer nur zu mir. Die Sprache ist für mich eine Art Erde.

Und auf dieser Erde gibt es auch Stürme, die wir nicht beiseite schieben dürfen …

Genau, deswegen heißt mein Buch “Das Herzflorett“: Es geht um geistiges Fechten, als innere Kunst, sodass man sich selbst nicht zerstört. Und auch anderen nicht wehtut. Pepsi spricht im Roman davon, dass einen niemand so berühren kann wie ein Mensch. Niemand kann einen so verändern, niemand kann einen so herausfordern. Und das ist das Schöne an der menschlichen Existenz, nicht wahr? Es fällt dann auch jedes Muß weg. Und das Leben wird zum kostbaren Geschenk.


Autorin Andrea Goffart

Andrea Goffart ist Biografin, Ghostwriterin und Schreibcoach. Mehr über die Autorin findest du auf ihrer Website.

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