Yogalehrer im Mainstream-Film: Eine Geschichte von Hippies, Freaks und einsamen Damen mittleren Alters. Hauptfiguren sind sie sowieso nie – was eine neue US-Serie nun ändert. „Om City“ ist ein unterhaltsam realistischer Blick auf den Existenzkampf einer Yogalehrerin in New York City, wie ihn Hauptdarstellerin Jessie Barr selber kennt.
Jessie, wie viel von dir selbst und deinen Erfahrungen als Yogalehrerin in New York steckt in „Om City“?
Ich kann getrost sagen, dass ich meine ganze Person und viel von meinem Alltag in der Serie verarbeitet habe. Mein Mann Tom O’Brien, Regisseur und Co-Autor der Serie, und ich haben unser eigenes Geld, Mittel aus einer Crowdfunding-Kampagne und unsere letzte Kraft in sie investiert. Wir praktizieren und unterrichten Yoga seit Jahren und schöpften aus einer nie versiegenden Quelle von Themen und Anekdoten, aus der wir uns natürlich hemmungslos bedient haben.
Gibt es eine besonders seltsame Begebenheit, an die du dich erinnerst?
Eine? Zahllose! Mein persönlicher Klassiker ist der Kakerlaken-Moment. Es passierte zu Beginn einer Stunde in einem Fitnessstudio. Alle saßen mit geschlossenen Augen und den Händen vor dem Herzen in meditativer Haltung, als plötzlich ein Schüler aufstand und an mein Knie tippte. Ich öffnete meine Augen und fragte, ob ich ihm helfen könne. Er flüsterte: „Ähm, in der letzten Reihe krabbelt eine Kakerlake.“ Ich war geschockt – erstens ekelte ich mich, zweitens bin ich keine Kammerjägerin – und dachte mir: „Was erwartet er nun von mir?“ Ich ließ alle in die Kindhaltung gehen, griff mir einen großen Korkblock und fühlte mich sehr schlecht, als ich die Kakerlake zerquetschte und den Block auf ihr stehen ließ, um den Beweis meiner Gewalttätigkeit zu verstecken …
„Om City“ erzählt von vielen weiteren Realitäten, mit denen sich moderne Yogalehrer in Großstädten herumschlagen. Worin besteht deiner Meinung nach die größte Herausforderung?
Davon gibt es viele: körperliche, finanzielle, logistische, energetische … Aber ich glaube, dass darin auch eine große Chance liegt. Wir erhalten permanent Gelegenheit, uns des Guten in allem bewusst zu sein – etwas, was regelrecht trainiert werden muss. Als Lehrer, die Menschen bei der Verbindung mit sich selbst unterstützen, sind wir immer auch Schüler, die den gleichen Prozess durchleben. Unsere Arbeit erfordert, dass wir nicht nur Andere auf dem Weg zu mehr Präsenz, Einfühlungskraft und Stärke begleiten, sondern dies selbst praktizieren.
Was ist deiner Erfahrung nach die erste Illusion, die angehende Yogalehrer verlieren?
Ich kann nur aus meiner eigenen Erfahrung sprechen. Als ich mit dem Unterrichten anfing, dachte ich, dass ich pro Woche ohne weiteres 24 bis 30 Stunden geben könnte, um meinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Nachdem ich das ein paar Jahre gemacht hatte, merkte ich, dass ich es weder konnte noch anstreben sollte.
Wie kann es trotz eines vollen Stundenplans gelingen, geerdet zu bleiben?
Es hat seine Tücken. Als ich zu unterrichten begann, verdiente ich wie so viele Yogalehrer sehr wenig Geld. Um meine Miete bezahlen zu können, nahm ich jede Stunde und Vertretung an, die ich bekommen konnte, von 6 Uhr morgens bis 11 Uhr abends, ohne einen freien Tag. Um in dieser Situation gesund und mit mir selbst verbunden zu bleiben, musste ich lernen, öfter Nein zu sagen, mir persönliche Grenzen zu setzen und meine Termine so zu organisieren, dass ich nicht die ganze Stadt abfahren musste. Der Schlüssel lag schließlich darin, meiner eigenen Praxis mehr Raum zu geben.
Wie kamt ihr zur Idee, eine Serie darüber zu produzieren? Wie gelang es euch, diesen leichten Ton mit der Tiefe der yogischen Inhalte zu balancieren?
Tom und ich lernten uns als Yogalehrer in Elena Browers Studio Virayoga kennen. Wir sind ausgebildete Schauspieler und Filmemacher und wollten unbedingt gemeinsam etwas schaffen. Das Thema Yoga war gar nicht erste Wahl, aber da es zu einem immer größeren Teil unseres Lebens wurde und wir so viel Inspiration aus dieser Welt bekamen, blieb es bei der alten Maxime: „Schreib über das, was du weißt.“ Unser Ziel war, sowohl die Schönheit und transformative Kraft des Yoga als auch die komisch-absurden Züge der modernen Yogawelt zu zeigen. Sie ist voller Widersprüche und Ungereimtheiten – und ganz viel Humor und Herz.
Die sieben kurzen Episoden der ersten „Om City“-Staffel kann man sich kostenlos auf www.omcityseries.com ansehen. YJ-Redakteurin Christina Raftery amüsierte sich besonders über den allzu geschäftstüchtigen Studiobesitzer und den Privatschüler, der gerne mit dem Handy in der Hand üben würde.