Petros Haffenrichter, internationaler Jivamukti-Lehrer, berichtet YOGA JOURNAL GERMANY über seinen persönlichen Weg zum Yoga. Wie hat sich die Praxis verändert, seit Petros als Kind durch seinen Großvater in den Bann von Yoga gezogen wurde? Und welche Tendenzen diagnostiziert Petros Haffenrichter als aktueller Zeitgeist im Yoga und muss man auch kritisch betrachten?
Wenn wir dann den Blick auf den weltweiten Zeitgeist richten, ist es auffällig: Wir tun uns kollektiv schwer tun, uns von ich-bezogenen Wettbewerbern und Verbrauchern zu integren, verantwortlichen Mithelfern zu verändern.
Yoga als Aufforderung, die Welt ein Stückchen besser zu machen
Die einen denken mit Plan an unsere kollektive, verantwortliche Veränderung, und die Möglichkeiten, das Gute, Mitmenschliche und Kreative das da entstehen kann. Die anderen verweisen andererseits, mangels Alternativen die sich Menschen mit dieser konservativen Weltanschauung nicht vorstellen können, auf die Gegenwart, die es zu erhalten gibt, und meinen eigentlich den materiellen Wohlstand eines überschaubaren Teils der Weltbevölkerung. Allerdings kann nur ein Model Zukunft haben und dieses ist nicht der Status Quo. Lasst uns Yoga für eine zukunftsfähige Gesellschaft praktizieren.
Um ehrlich mit der eigenen Verklärung umzugehen, gibt uns der Yoga unendlich Inspiration und Halt. Da gibt es einen ganzen Kosmos an Inhalten, die uns menschlich fordern und uns eben nicht nur physisch auf den Kopf stellen, sondern unser Bewusstsein so verändern, dass Erkenntnis möglich wird. Wenn wir aber die Grundlagen nicht achten, dann verstehen wir auch nicht, was sich da wirklich regt.
Oder: Das grobe Netz erkennt alles nur als ein Teil vom Ganzen. Die Chandogya–Upanishad erklärt, dass der Mensch in Avidya, also mit einem falschen Verständnis von Identität und Zugehörigkeit, die Glut und das Feuer im Holz (die Analogie für die Seele im Körper) nicht wahrnehmen kann. Der sieht nur das was er dinglich sehen kann. Der Yogaweg macht die Seele erfahrbar und somit sichtbar. Das ist aber keine Glaubenssache, sondern eine Konsequenz. Wenn aber die Grundlagen nicht da sind, nehmen wir uns diese Möglichkeit. Die Seele wird nicht erfahren und bleibt somit ein ideelles Konstrukt.
Yoga als Halt in stürmischen Zeiten: aktueller Zeitgeist im Yoga
Der Weg zur Erkenntnis ist herausfordernd und bedarf der richtigen Führung. So wie die Katha–Upanischad beschriebt, ist die Erfahrung der Seele die größte Freude, die einem widerfahren kann (2.20). Doch es gibt Bedingungen für diese Erkenntnis (2.23). Und der Weg ist schwer und braucht entsprechende Führung. (3.14.). Das Ende dieser Upanishad, eine der wichtigsten Quellen des Yoga, ist eine abschließende Interpretation über Yoga:
Das ist es, was man nennt Yoga,
Das Größte was das menschliche Bewusstsein erfahren kann:
Einheit mit Allem, nicht als Idee sondern als Gewissheit der Erfahrung.
Die ersten Schritte auf dem Yogaweg sind die wichtigsten. Dadurch können wir später verstehen, welche metaphysischen Prozesse sich offenbaren können. Hierbei ist die Physis die Voraussetzung für die physio-energetischen Prozesse. Ohne sie haben wir keine Möglichkeit unsere Seele zu spüren. Aber darum geht es dann doch: Atman, das ewige Ich, die Seele. Atman als Wissen und Identität ist ein alternativer Zugang zu den Informationen des Lebens. So ist erst ein anderes Handeln möglich. Und das Licht im anderen zu sehen brauchen wir, offensichtlich. Wir brauchen Schulen, in denen wir lernen, uns in Ruhe, ausdauernd und wahrhaftig, gegenseitig an die sakrale Natur unserer Existenz zu er-innern sowie Lehrende, die das durch Erfahrung weitergeben. Sonst sind wir nur ein Stück Holz.
Ausschnitte aus den Upanishaden – aktueller denn je
Vers 2.20
Des kleinen Kleinstes und des großen Größtes
Wohnt er als selbst hier dem Geschöpf im Herzen;
Frei von Verlangen schaut man, fern von Kummer,
Gestillten Sinnendrangs des Atman Herrlichkeit. [6]
Vers 2.23
Nicht durch Belehrung wird erlangt der Atman,
Nicht durch Verstand und viele Schriftgelehrtheit;
‘Nur den er wählt; von dem wird er begriffen:
Ihm macht der Atman offenbar sein Wesen. [7]
Vers 3.14
Steht auf! Wacht auf! erlangt haben
Treffliche Lehrer, merkt auf sie,
Wie schwer zu gehen auf scharfer Messerschneide ist,
Schwer ist der Weg! Den lehren euch die Weisen. [9]
Verse 6.7-6.11
Höher als Sinne steht Manas,
Höher als Manas Sattvam steht,
Höher als dies das >große Selbst<,
über diesem Avyaktam steht.
Das entscheidende Ende der Katha-Upanishad
Dies überragt der Purusha,
alldurchdringend und merkmallos,
Wer ihn erkannt, erlöst wird er
geht ein zur Unsterblichkeit.
Nicht ist zu schauen die Gestalt derselben,
Nicht sieht ihn irgendwer mit seinem Auge;
Nur wer an Herz und Sinn und Geist bereitet,-
Unsterblich werden, die ihn also kennen.
Erst wenn gelangt zum Stillstande
Mit den fünf Sinnen Manas ist,
Und unbeweglich steht Buddhi,
Das nennen sie den höchsten Gang.
Das ist es, was man nennt Yoga,
Der Sinne starke Fesselung,
Doch ist man nicht dabei lässig:
Yoga ist Schöpfung und Vergang
Der Autor von “Aktueller Zeitgeist im Yoga”: Petros Haffenrichter ist international anerkannter Yogalehrer und Kritan-Künstler. Seine Leidenschaft, das Bhakti- und Jivamukti-Yoga gibt er weltweit auf Festivals und Gastlehrer bei verschiedensten Schulen weiter. In München kannst du ihn in seinem Studio Yoga am Engel live erleben.