Wir haben drei bekannte, männliche Yogis gefragt, was über Männeryoga denken und ob sie sich für ein auf den Mann abgestimmtes Yogakonzept aussprechen oder eher gegen eine geschlechterspezifische Praxis sind. Patrick Broome und Dirk Bennewitz meinen “Ja, Männer benötigen ein spezielles Yogakonzept”, wohingegen Michi Kern anderer Meinung ist: “Männeryoga – muss das sein?” Die Kommentare lesen Sie hier:
Patrick, du hast das vielleicht bekannteste Buch zum Thema „Yoga für den Mann“ geschrieben. Weshalb beschäftigst du dich damit und was spricht aus deiner Sicht für Männeryoga?
Yoga spricht die „wilden Kerle“ unter uns an: eine bunte Mischung von (er)wach(t)en, neugierigen und bewussten, das heißt reflektierenden Männern. Yoga ist eine wunderbare Hilfestellung für all die Männer, die ihre Prioritäten neu definieren wollen, denen es nicht mehr ausschließlich um Status und Karriere geht. Erfolgreich ist heute, wer eine stabile Gesundheit hat, wer zufriedenstellende Beziehungen zu anderen unterhält, wer Kinder zu glücklichen und selbstbewussten Persönlichkeiten erzieht, wer trotz Verantwortung in Beruf und Familie seine eigene Entwicklung nicht vernachlässigt. Es geht für uns Männer immer mehr darum, die selbst auferlegten mentalen Beschränkungen abzulegen und uns zu öffnen für die eigene Größe, den eigenen Mut, die eigene Wahrheit. Die alten Schriften nennen das Erleuchtung. Wir müssen den Männern daher nur vermitteln, dass sie sich im Yoga nicht blamieren, sondern sich etwas Gutes tun. Und dafür brauchen wir starke Rollenvorbilder! Also mehr Männer, die über Yoga und dessen positive Effekte sprechen. Zum Glück hat sich da in den letzten Jahren enorm viel getan!
Dirk, du hast ebenfalls ein Buch zum Thema geschrieben. Worin siehst du den Nutzen von Yoga speziell für den Mann?
Männeryoga ist keine Neuerfindung oder ein neuer Stil. Ich habe die Männeryoga-Übungsfolge so zusammengestellt, dass sie den körperlichen Voraussetzungen der meisten Männer in unserem Kulturkreis besser entspricht. Die Yogapraxis macht einen stark, flexibel, mental ausgeglichen und gesund. Und das tut eben auch Männern gut. Mir ist es ein Anliegen, den Männern nicht nur Sport zu vermitteln, sondern auch die Faktoren, die die Lebensqualität spürbar erhöhen.
Michi, wie stehst du zum Thema Männeryoga?
Wie muss man sich Yoga für Männer eigentlich vorstellen? Ungefähr so wie eine Vatertagsfeier oder einen Junggesellenabschied? Oder eher wie einen gemeinsamen Sauna-besuch unter Männern? Werden da derbe Zoten ausgetauscht, frauenfeindliche Witze erzählt, wird danach getrunken und gegrillt? Jedenfalls wird man das Gefühl nicht los: Männer unter sich, das könnte gruselig werden.
Bisher war es eigentlich schön im Studio: Die Männer im Yoga mussten sich gut benehmen und sich der großen Zahl von Frauen anpassen. Also mal leise sein, nicht den Ton angeben, sich nicht nach vorne drängeln, nicht alles besser können und wissen. Das hat den Männern ganz gut getan, glaube ich. Und vielleicht hatte das Miteinander eine größere therapeutische Wirkung auf das ganze Ding Mann als die Körperübungen an sich.
Bis in die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts war Yoga heiligen Männern vorbehalten. Frauen waren – wie immer – verboten. Dann kamen Sri T. Krishnamacharya und seine Schülerin Indra Devi und Yoga wurde vor allem im Westen eine Frauendomäne. Die Männer zogen nicht mehr so recht. Yoga ist weiblich.
Nun sind Männer trotzdem nicht gerade eine bedrohte Spezies. Das neuerliche Männeryoga will ihnen aber wieder einmal erklären: Ihr seid etwas Besonderes! So ein Mann hat besondere Probleme, spezielle Anforderungen, einen anderen Körper, andere Bedürfnisse. Und vor allem: Der Mann an sich leistet mehr als die andere Hälfte der Menschheit – er braucht dringend ein „Entmüdungsbecken“ für Körper und Geist. Schade eigentlich, denn ganz im Gegenteil könnte man(n) hier im Yoga lernen: Alles ist normal, mach einfach mit. Doch Scham und Eitelkeit stehen dem im Wege – die Frauen sind nämlich längst viel beweglicher.
Wirklich hilft als Promotion-Trick letztlich nur eines – und darauf laufen fast alle modernen Männeryoga-Ansätze hinaus: Yoga ist gut für die Potenz. Vornehmer ausgedrückt: Yoga steigert die Virilität, ist gut für die Beweglichkeit der Spermien, schafft Ausdauer im Bett. „Bei vorzeitigem Orgasmus yogamäßig durch die Nase atmen, mein Freund.“ Na endlich ein Grund für den Mann, den er versteht. Bisher geht der Wert von Extra-Männer-Würsten für den Planeten leider gegen Null. Aber ein wenig Hoffnung bleibt: Vielleicht jubelt Yoga den Neuen doch ein paar Erkenntnisse unter. Weniger Fleisch essen, weniger Alkohol, weniger Lautstärke, weniger Gewalt in alle Richtungen und ein bisschen mehr über andere nachdenken – das bringt’s wirklich. Ach nein, das ist ja Frauensache.
Fotoquelle: Stefanie Kissner