Einer der Gründe, warum eine regelmäßige eigene Asana-Praxis so wichtig ist: Hier hast du Raum, dich deiner inneren Führung zu überlassen. Yoga ist nicht gebunden an einen Kanon festgeschriebener Haltungen und Abfolgen. Jede Haltung, jede Bewegung kann Yoga sein, wenn du sie in dieser feinen Achtsamkeit ausführst.
Die Stimme der Verbundenheit
Den Hindus gilt Saraswati “die Fließende” nicht nur als Göttin der Künste und der Gelehrsamkeit, sie wacht auch über unsere Inspiration. Als Inbegriff der Weisheit hilft sie uns, Vertrauen in unsere Intuition zu fassen und zugleich genau zu unterscheiden zwischen der Stimme des höheren Selbst und den Täuschungen des Ego. Das Saraswati geweihte Mantra unterstützt dich auf diesem Weg und verbindet dich mit dieser Kraft:
Om shrim hrim sarasvatyahe namaha
Stelle dir folgende Fragen für intuitives Üben: Wo zieht es dich hin? Welche Bewegung wünscht sich dein Körper jetzt? Wie lange willst du in der Haltung bleiben? Was folgt als nächstes? Welche Empfindungen löst eine bestimmte Haltung aus: im Körper, im Atem, im Geist? Wie wird eine Asana zum Ausdruck deiner Befindlichkeit, deiner Körperlichkeit, deiner Lebendigkeit?
Der intuitive Geist ist ein heiliges Geschenk und der rationale Geist ein treuer Diener. Wir haben eine Gesellschaft erschaffen, die den Diener ehrt und das Geschenk vergessen hat.
Albert Einstein
1. Raum schaffen
Intuition kommt aus dem Inneren – ohne Zeit für dich selbst, ohne einen Raum für Stille und Innerlichkeit in deinem Leben kannst du ihre Botschaften kaum hören. Mit Yoga tust du genau das: Du gibst dir Gelegenheit für tiefe Entspannung, du erhöhst deine Achtsamkeit und schulst deine Wahrnehmung. So kannst du die Vorgänge in deinem Körper und deinem Geist immer feiner und bewusster beobachten und ihre Signale erkennen.
→ Deswegen ist eine regelmäßige Yogapraxis schon per se ein guter Weg, um dich für deine Intuition zu öffnen. Nimm dir genügend Zeit für deine individuelle Praxis, für die Körperwahrnehmung, aber auch für Stille. Besonders die Meditation eröffnet dir Zugang zu einem nach innen gerichteten Gewahrsein. Nicht umsonst gilt sie als die wichtigste Technik zur Förderung der Intuition.
2. Verbindung herstellen
Yoga ist in seiner Essenz ein Weg zu mehr Verbundenheit: In der Asana-Praxis verbinden wir uns mit unserem Körper, unserem Atem. Wir beobachten unsere körperlichen Empfindungen, aber auch unsere emotionalen Reaktionen, unsere Widerstände und Denkmuster. So schaffen wir über den Körper mehr Verbindung nach innen und durchdringen die verschiedenen Schichten (Koshas), die unser wahres Selbst umgeben. Zugleich wird uns auf diesem Weg auch unser Angebundensein an ein größeres Ganzes immer bewusster: Wir sind Teil des unendlichen, alles durchdringenden Geflechtes des Lebens, wir sind im ständigen Austausch und wir schöpfen aus dieser Quelle. Intuition ist zugleich ein Ausdruck dieser Anbindung als auch ein Mittel, sich ihrer bewusst zu werden.
→ Im Yoga kultivieren wir Intuition gezielt mit Techniken wie der Meditation, mit der Konzentration auf das dritte Auge (Ajna Chakra), aber auch mit bestimmten Mantras und Mudras. Dabei ist es wichtig, anzuerkennen, dass die Sprache der Intuition individuell sehr verschieden sein kann: Bei manchen ist sie eher visuell geprägt, bei anderen zeigt sie sich in Körperempfindungen, einige haben einen starken Zugang zu Synchronizität, andere hören die Botschaften ihrer inneren Stimme in Worten. Wie immer im Yoga tun wir auch hier gut daran, diese Individualität zu erkennen und zu würdigen.
3. Vertrauen finden
Yoga hilft dir, dich mit der Zeit immer besser kennenzulernen. Je verbundener du mit dir selbst bist, je feiner du die Hinweise deines Körpers und die Muster deines Geistes wahrnehmen kannst, desto leichter wird es dir fallen, die Sprache deiner Intuition zu erkennen und Vertrauen in ihre Botschaften zu fassen. Dabei ist es wichtig, genau zu unterscheiden: Was kommt wirklich aus dieser überbewussten Quelle und was ist eher Projektion des Ego, Ausdruck deiner Wünsche, Ängste und Muster? Swami Kriyananda nennt drei Merkmale für intuitives Wissen: Ruhe, Klarheit und Freude.
→ Wie generell im Yoga kannst du auch bezogen auf deine Intuition ganz pragmatisch vorgehen: indem du übst, beobachtest, forschst und es immer wieder neu ausprobierst. So wirst du mit der Zeit ganz natürlich ins Vertrauen finden und dich deiner inneren Führung nach und nach besser überlassen können.
Text: Stephanie Schauenburg, Titelbild: via Canva