In unserer Mythbuster-Kolumne wagt Yogalehrerin Eva den Blick hinter die perfekte Yoga-Kulisse, wo neue Sichtweisen auch mal auf unbequeme Fragen und eine ordentliche Portion Humor treffen. Thema heute: Kann man die Lehrerqualität anhand des Instagram-Profils erkennen?
Um heutzutage für einige Lehrauftritte überhaupt in Betracht gezogen zu werden, muss man immer häufiger in der Yoga- und Fitnessbranche “beweisen”, dass man eine große Fangemeinde auf Instagram hat, da dies (in den Augen einiger StudiobesitzerInnen) gleichzusetzen ist mit vollen Yogaklassen und großer Reichweite. Aber ist es in der Realität tatsächlich so, dass auf scheinbar magische Art und Weise alle Follower automatisch auch in die Stunden pilgern und somit nicht nur die finanzielle Lage der Studios stabilisieren, sondern auch den Aufwand für Werbekosten reduzieren (Achtung, Spoiler: Nein…!)?
Sieht man seine Follower in den Kursen wieder?
Das Dilemma für Freiberufler wird schnell deutlich: Es scheint einen gewissen (wenn auch teilweise nur selbst auferlegten) Druck zu geben, die eigenen Follower-Zahlen zu erhöhen und zu beschönigen, um genau die Jobs zu bekommen, die man haben möchte. Das kann wundersame Auswirkungen annehmen. Als z.B. eine befreundete Yogalehrerin mir mehrmals im Monat erneut folgen wollte und mir offensichtlich kurz danach wieder erfolgte, sprach ich sie verwundert darauf an. Sie erklärte mir, dass sie gegen Bezahlung Roboter-Programme nutzte, die nach vorher eingestellten Algorhythmen und Hashtags andere Profile und Bilder liken und ihnen folgen würden. So versuche sie ohne zusätzlichen Aufwand eine möglichst große Reichweite zu generieren. Bei Betrachtung ihrer zehntausender Follower wird aber schnell deutlich, dass es sich in einer großen Zahl um Fake-Accounts sowie aus Menschen aller Herren Länder handelt. Diese Schar aus leeren, fremden Gesichtern kommt freilich nicht in die eigenen Kurse und man kann täglich beobachten, dass die Rechnung “Viele Follower” = “viele Kursbesucher” nicht automatisch aufgehen muss.
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Die Instagram-Yoga-Kultur: All for the gram?
Aber gehen wir nun ans Eingemachte. Die Eingangsfrage habe ich bereits mit “Nein” beantwortet. Freilich gälte es zusätzlich auch zu erörtern, was eine/n “gute/n” Lehrer/in und die Unterrichtsqualität überhaupt ausmacht – hier gibt es einerseits individuelle Präferenzen und fast so viele eigene Meinungen, wie man Menschen fragt. Meine Definition kommt nicht ohne die Faktoren Pünktlichkeit, Authentizität (versus Austauschbarkeit) und Inklusion aus. Und: Ein voller Kurs ist nicht unbedingt ein guter Kurs und umgekehrt! Dennoch gibt es gewisse Stellschrauben, die sicher dabei helfen, mehr Traffic in den eigenen Kursen zu generieren – wenn man das möchte. Während uns die Bildsprache einiger Accounts voller Yoga-Asana vielleicht visuell anspricht, weil das menschliche Auge (bzw. Gehirn) gewisse Ästhetiken und Formen als “schön” empfindet, stelle ich eine wichtige Frage, die ich sehr bedenkenswert finde: Was macht das Internet aus unseren sozialen Interaktionen? Wie groß ist Dein Drang, Teil der Instagram-Yoga-Kultur zu sein? Ignorierst Du Signale Deines Körpers für dieses eine Bild, und weil Du auf der Matte „gewinnen“ oder möglichst viele “Likes” bekommen willst? Und in letzter Konsequenz: Machst Du Yoga überhaupt für Dich – oder für andere / für Instagram? Es ist mir persönlich ein Anliegen, dieses oberflächliche, auf Bildsprache ausgelegte Medium mit echten Inhalten zu füllen und von Zeit zu Zeit aus dem Einheitsbrei der Fitness-Selfies, Yoga-Posen und Achtsamkeits-Zitaten (bevorzugt auf Englisch…) herauszustechen.
Sehr schade finde ich es, dass die Hemmschwelle einen Yogakurs zu besuchen, scheinbar konstant höher wird, je länger es das Medium Instagram gibt. Mich erreichen unsichere Fragen vorab (“Aber ich bin nicht flexibel genug!”, “Ich bin aber echt nicht ‘gut’ im Yoga!”, …) und aufgrund der gemachten Erfahrungen und des häufig vermittelten Image westlichen Yogas wundert es mich nicht, dass viele Menschen so denken.
Die Vermarktung von Yoga
Zahlreiche Accounts, die LehrerInnen eigentlich als kostenlose Werbeplattform dienen sollen, tragen nun plötzlich bewusst oder unbewusst dazu bei, dass einige Übende sich durch Mainstream-Yoga ausgegrenzt oder ausgeschlossen fühlen. Asana wird oft für ein schlankes, junges, flexibles und körperlich starkes Publikum mit weißen, unversehrten Körpern definiert. Die wichtigste Frage muss also lauten: Warum vermarkten sich so viele Yogalehrer fast ausschließlich über die Posen, die ihre Körper einnehmen können, anstatt über ihre Lehrfähigkeiten?
Für mein Schlusswort möchte ich festhalten: Nein, freilich kann man die Qualität nicht direkt an einem Instagram-Profil ablesen und einen Yogakurs muss man erlebt haben, anstatt vorschnelle Rückschlüsse ziehen zu wollen. Bei meiner Überschrift handelt es sich bewusst um eine provokative, völlig haltlose und schwachsinnige Aussage meinerseits.
Individuelle Präferenzen: Was ist dir im Yoga wichtig?
Dennoch gibt es zahlreiche Hinweise, so dass man z.B. anhand der gewählten Bildsprache oder an dem, was zwischen den Zeilen steht, für sich ableiten kann, ob der Kurs oder der/die LehrerIn zu einem selbst und den eigenen Bedürfnissen passt. Sind in den Postings und in den verfassten Kommentaren eine gewisse Tiefe und ein echtes Interesse vorhanden? Wenn Dir solche Faktoren wichtig sind, dann ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Du sie nicht bei der Person findest, die nur mit Emojis antwortet. Wenn Du Dich gerne mit schönen Menschen umgibst und die trendigen “In”-Studios suchst, dann wirst Du auf Instagram ebenfalls innerhalb kürzester Zeit fündig. Und auch mein letzter Punkt ist bedenkenswert, denn ja, es gibt sie wirklich noch: Fantastische LehrerInnen, die keinen Instagram-Account haben. In diesem Sinne: Viel Freude beim Testen und Entdecken des vielfältigen Angebots!
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Unsere Mythbuster-Kolumnistin und Yogalehrerin Eva kommt ursprünglich aus dem Leistungssport. Aufgrund einer gesunden Neugier liebt sie es, sich mit anatomischen Fragen auseinanderzusetzen und so den eigenen Körper besser zu verstehen. Zusätzlich nutzt sie ihr Wissen, um die Yogawelt immer inklusiver zu machen. Mehr Infos auf Instagram: @yogacycle_by_eva. Porträtbild: Sonja Netzlaf www.sonjanetzlaf.com
Ich Stimme Dir voll und ganz zu. Aber warum viele Yogalehrende sich immer wieder in Yogaposen posten liegt auf der Hand – weil Instagramm nun einmal ein optisches Medium ist. Zuerst wirkt nun mal das Bild.