Yoga und Musik: Wie Klänge deine Praxis bereichern können

Die einen lieben es, mit Musik Yoga zu üben, die anderen halten überhaupt nichts davon. Und wieder andere haben es schlicht noch nie probiert. Hier liest du, wie die Welt der Klänge deine Praxis bereichern kann – und worauf du achten solltest.

Text: Stephanie Schauenburg / Fotos: Sonja Netzlaf

Musik im Autoradio, im Café, im Supermarkt – und dann auch noch im Yoga? Will man die permanente Beschallung hier nicht eher mal ganz bewusst abstellen, Stille finden, nach innen lauschen? Für die Tanzkünstlerin und Vinyasa-Yogalehrerin Daniela Mühlbauer ist das kein Widerspruch, im Gegenteil:

Klang und Rhythmus sind für mich kraftvolle Elemente, die meine Bewegungen beleben, Emotionen freisetzen und die Praxis vertiefen. Es ist ein magisches Gefühl, wenn die Energie der Musik durch meinen Körper fließt und jede Bewegung leitet, trägt und inspiriert. Ganz egal ob ich tanze, Asanas übe oder Yoga unterrichte: Die Verbindung zur Musik ermöglicht eine tiefere Verbindung zwischen meiner inneren Welt und der Energie, die im Raum schwingt.

Doch wie hängt das zusammen? Welche Traditionen verbinden Klang und Yoga? Und wie kann Musik zu einem unterstützenden Element für die Praxis werden – sei es nun im Unterricht oder aber beim eigenen Üben?

Die Welt ist Klang

Nada Brahma, die Welt ist Klang: Die Überzeugung, dass das gesamte Universum aus Schwingungen besteht, ist in der indischen Geistesgeschichte tief verwurzelt. Das beginnt schon bei den alten Schöpfungsmythen, es führt über das Körperbild der Hatha-Yogis mit seinen Nadis und Chakras über das traditionelle Rezitieren und Chanten von Mantras bis zum poppigen Kirtan-Konzert. Die moderne Physik hat diese Lehren inzwischen in vielen Punkten bestätigt: Nicht nur Klang ist Schwingung, auch Licht oder Energie, ja selbst die Gedanken lassen sich als Ströme und Frequenzen messen. Sogar die ganze, riesige Erde schwingt offenbar in einer niedrigen Frequenz, man nennt das “Erdbrummen”.

Viele dieser Schwingungen können wir nicht hören, manche dagegen spüren wir sogar körperlich, zum Beispiel wenn in unserer Nähe ein Gong geschlagen wird oder wir beim Singen eine Hand auf die Brust legen. Und egal wie spürbar oder subtil: Wir schwingen mit den Schwingungen, die uns umgeben, mit, sind in Resonanz und können mit ihrer Hilfe unsere eigenen Schwingungen beeinflussen. Deshalb entstanden im Umfeld von Yoga eine Vielzahl von Praktiken mit Klängen. Manche fassen sie unter dem Begriff Nada Yoga, also Klangyoga, zusammen: Mantra, Bhajan und Kirtan gehören dazu, aber ganz besonders natürlich das Chanten von “Om”, das in den Quellentexten als eine Praxis zum Erlangen von Einheit beschrieben wird.

Daniela Mühlbauer nutzt Musik gerne, um ihre Yogapraxis und die ihrer Schüler*innen zu vertiefen. Sie hat uns zu diesem Artikel inspiriert.

Musik ist noch mehr

Aber ein Klang, selbst so ein machtvoller wie ein den ganzen Yogaraum erfüllendes “Ooooomm”, ist noch nicht Musik. Die erklingt erst, wenn aus der Kombination einzelner Töne und Rhythmen Melodien, Harmonien und Stimmungen entstehen, jede mit einer bestimmten Färbung, einem eigenen “Vibe”. Auch hier schwingen wir mit, meist noch sehr viel deutlicher als bei einem einzelnen Klang: Musik berührt uns. Sie kann uns fröhlich oder melancholisch stimmen, energetisieren oder entspannen, aufputschen oder in meditative Versenkung führen.

Diese komplexe Magie der Musik, die direkt zum Herzen vordringt (und von dort auch in die Sphären des Göttlichen führen kann), hat sehr viel mit Yoga und seinem Verständnis der subtilen Energien zu tun – aber erst mal noch nichts mit Asana. Zwar widmen sich viele wunderbare Bands und Festivals der Yogamusik, es gibt richtig tolle Stücke und Alben, aber dennoch findet diese Musik eher selten während des körperlichen Übens statt. Dass in Stilen wie Vinyasa, Power oder Jivamukti Yoga zu ausgefeilten Playlists Asana und Pranayama praktiziert wird oder dass Menschen bei speziellen Events Yoga zu Live-Musik üben, all das sind moderne Weiterentwicklungen der Praxis. Was erst mal toll ist, denn Yoga darf und soll sich ja weiterentwickeln!

Mit Musik in die Verbundenheit

Im Idealfall fließt man in so einer Stunde durch eine ausgefeilte Choreografie aus Klang und Bewegung, man taucht tief ein in eine ganzheitliche Erfahrung von Atem, Bewegung und Rhythmus und wird getragen von einer Energie, die die ganze Gruppe erfasst. Vielleicht fühlt man sich durch die Musik auch in seiner Konzentration gestützt oder man findet einen heilsamen Zugang zu verborgenen Emotionen. Muss aber nicht sein. Musik im Yoga kann auch nervig und störend sein oder schlicht belangloses Hintergrundrauschen. Es kommt darauf an, wie man sie einsetzt – beziehungsweise welchen Vibes man sich aussetzt.

Wenn du alleine übst, kannst du es einfach ausprobieren, experimentieren und dabei nicht nur auf die Musik hören, sondern auch und vor allem auf dich selbst. So findest du heraus, was für dich funktioniert und was eher nicht. Deine Musik – deine Praxis! Der vielleicht naheliegendste Vorzug einer Home Practice mit Playlist: Es wird sehr viel unwahrscheinlicher, dass du nach zehn Minuten lustlos wirst oder mitten im Üben abbrichst, um “ganz schnell” noch eine Nachricht zu tippen.

Die Musik kann dich nicht nur mit ihrem Rhythmus und ihrer Energie durch die Anstrengung tragen, deine Stimmung heben und dein Herz öffnen, sie kann dich auch erden und dir helfen, deine Aufmerksamkeit im Jetzt und in deiner Praxis verankern – und zwar bis zum letzten Track deiner Liste. Auch wenn es in deiner Umgebung Störfaktoren gibt, wenn es zum Beispiel nebenan auf der Baustelle klappert oder dein Partner im Home Office telefoniert, legt die Musik einen schützenden Kokon aus Klang um dich und deine Praxis.

Einklang – oder einsam?

Etwas komplizierter ist das alles, wenn du in einer angeleiteten Stunde bist. Zwar kann es unglaublich beglückend sein, sich gemeinsam und synchron mit der Musik zu bewegen, ganz verbunden nicht nur mit der Gruppe und der Praxis, sondern irgendwie auch mit dem ganzen großen, wilden Leben: Alles atmet miteinander, schwingt miteinander, ist im wahrsten Sinn des Wortes im Einklang. Genauso kann es aber auch passieren, dass zum Beispiel das Tempo für dich nicht passt, die Asanas zu schwierig sind oder die Musik so wenig deinem Geschmack entspricht, dass du genau das Gegenteil von glücklicher Verbundenheit empfindest: Du bist inmitten einer Gruppe allein mit dir und deinem Störgefühl.

Aber selbst wenn du gut mitkommst und die Musik dich vielleicht sogar durch eine Intensität der Praxis trägt, die du ohne kaum halten könntest: Du wirst gerade in so einer dynamischen “Musikstunde” wahrscheinlich nicht ganz so achtsam üben und so fein in dich hineinspüren können, wie das ja eigentlich Sinn der Sache ist. Vor allem wenn die Musik sehr dominant ist, kann sie auch Aufmerksamkeit abziehen, statt dich in der Achtsamkeit der Praxis zu verankern.

Musik sollte sensibel eingesetzt werden

Ein besonders sensibler Punkt sind Emotionen. Wer schon mal in Shavasana liegend in Tränen ausgebrochen ist, weil eine herzzerreißende Melodie alle Schleusen weit aufgemacht hat, weiß “ein Lied davon zu singen”. So eine emotionale Entladung kann wunderbar und befreiend sein, aber eben auch völlig überfordernd. Und nicht selten hat es leider einen schalen Beigeschmack von Manipulation, schließlich weiß die Lehrerin ja, dass sie hier wahrscheinlich ein Stück auswählt, das die Herzen zum Überlaufen bringt.

Wenn Musik die Yogapraxis wirklich bereichern und vertiefen soll, dann muss sie sehr sensibel und bewusst eingesetzt werden. Nicht ein weiterer der Reize von außen, denen wir ja sowieso schon den lieben langen Tag ausgesetzt sind, sondern eine Pforte nach innen, ein Anreiz, feiner zu lauschen und sich den Schwingungen des Lebendigen anzuvertrauen. Es ist wie mit jeder Form von kraftvoller Magie: Sie hat ihre dunklen Seiten, aber in den richtigen Händen kann sie auch verzaubern, transformieren und wahre Wunder bewirken.

Tipps zum Erstellen deiner Yoga-Playlists

von Daniela Mühlbauer

Thema und Intention: Überlege dir, um was es in dieser Praxis geht. Soll die Musik beruhigen, energetisieren oder emotional unterstützen? Wähle zum Beispiel für eine kraftvoll erdende Praxis Musikstücke mit tieferen Tönen, Frequenzen und Bässen.

Dynamik: Beginne mit sanften Klängen, steigere die Intensität während der aktiven Phasen und suche beruhigende Musik für die Entspannungsphase aus. Spanne dabei einen harmonischen Bogen, der in jeder Phase zur Energie der Praxis passt.

Abwechslung: Ein behutsamer Mix, zum Beispiel von Instrumentalstücken und gesungenen Mantras, von schnelleren und langsameren Beats, macht die Playlist lebendiger.

Störfaktoren vermeiden: Achte auf harmonische Übergänge zwischen einzelnen Stücken und wähle nur Musik ohne plötzliche Lautstärkewechsel oder andere Elemente, die die Konzentration stören könnten. Achte dabei auch auf die Songtexte: Passen die Lyrics zur Praxis, können sie vielleicht negative Emotionen wecken?

Feingefühl: Bedenke bei Playlists für eine Gruppe, dass Geschmäcker und Empfindungen verschieden sind. Wähle eher zeitlose Musik und meide Charts und Ohrwürmer.

Pausen: Lasse unbedingt auch Raum für Stille, wo du den Fokus auf den Atem und die inneren Empfindungen lenken kannst. Stille hat ihren eigenen Klang.

Schon gewusst? Auf unserer Webseite findest du eine Vielzahl Yoga-Playlists zu unterschiedlichen Themen, Stilen und Stimmungen.


Stephanie Schauenburg übt in der Gruppe lieber ohne Musik, aber zu Hause findet sie es wunderbar, ihre Bewegungen in Klängen zu baden. Ganz besonders in LaBrassBandas “Yoga Symphony No. 1”.

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