Klar ist: Dazu braucht man mehr, als man in der Ausbildung lernt: Ein Gespür für die Bedürfnisse seiner Schüler, eine positive Vision und eine klare Antwort auf die Frage, was einen als Lehrer auszeichnet. YOGA JOURNAL sprach mit dem Yogalehrer und Ex-Wirtschaftsjournalisten Tobias Frank.
Keine Frage, Yoga wächst! Für alle an Yoga Interessierten ist das wachsende Angebot ein Geschenk. Alle Yogalehrer und künftigen Yogalehrer unter uns stellt es allerdings vor eine neue Herausforderung: Wie gehe ich mit vermeintlicher „Konkurrenz“ um?
Es ist wichtig, sich diese Frage zu stellen. Insbesondere bevor man für eine Selbstständigkeit als Yogalehrer vielleicht einen sicheren Job aufgibt. Ängste haben einen realen Kern, es geht ja um unsere wirtschaftliche Existenz. Allerdings greift eine Betrachtungsweise, die andere Lehrer und Studios als Konkurrenz und Bedrohung ansieht, zu kurz. Wer sich gedanklich in ein Schneckenhaus verkriecht, blendet wichtige Aspekte der Realität aus, die über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Jeder Mensch und jeder Lehrer ist einzigartig und wird seine ganz eigene Schülerschaft finden. Hinter unserer Angst vor der anonymen Konkurrenz steht die Furcht, austauschbar zu sein. Doch die anonymen Wettbewerber gibt es nicht, es gibt nur konkrete Menschen mit ihren eigenen Stärken und Schwächen. Wir brauchen uns im Vergleich mit Anderen nicht gedanklich klein zu machen. Stattdessen kann uns der Blick über den Tellerrand zu mehr Selbstbewusstsein verhelfen, wenn wir wahrnehmen, was uns positiv von anderen unterscheidet. Als nächsten Schritt können wir unser „Alleinstellungsmerkmal“ dann überzeugend (über Webseite, Flyer etc.) kommunizieren.
Diesen Prozess bezeichnet Marketingexperte Peter Sawtschenko als „Positionierung“. Um uns aus einer Masse von Anbietern herauszuheben, besetzen wir eine Nische, in der wir führend sind. Vielleicht existieren in einer Stadt bereits mehrere Yogastudios, die alle Hatha Yoga auf ihrem Stundenplan haben. In diesem Fall wäre ein Studio, das sich auf dynamisches Vinyasa Yoga spezialisiert, eine erfolgsversprechende Alternative. Andere Möglichkeiten sich abzugrenzen wären die Persönlichkeit des Lehrers, ein besonderes Ambiente oder ein innovatives Geschäftsmodell. Wer sich gut positioniert, hat die besten Chancen, mit dem, was er gerne tut, auch wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Dieser Prozess lohnt sich daher unabhängig davon, ob man schon lange Yogalehrer ist oder gerade erst mit dem Gedanken spielt, sich selbstständig zu machen. Mit fünf einfachen Fragen gewinnt man Klarheit darüber, wer man ist, was man will und wie man es am besten erreichen kann: „Warum möchte ich unterrichten?“, „Was sind meine Stärken als Lehrer?“, „Wen möchte ich unterrichten?“ und „Was ist mein Alleinstellungsmerkmal?“.
Ganz besonders die letzte Frage bestimmt, was wir unserer Zielgruppe bieten können, das sie bei anderen Lehrern nicht findet. Vielleicht ist es ein neuartiger Yogastil, den es bisher noch nicht gab. Oder der Unterricht ist besonders witzig. Oder man schafft es, komplizierte Asanas auf plastische und anschauliche Weise zu erklären. In diesem Zusammenhang sollte man sich von der liebgewonnen Bauchladen-Strategie verabschieden: Viele Freiberufler glauben, erfolgreich sein zu können, indem sie viele unterschiedliche Dienstleistungen anbieten und verschiedene Zielgruppen ansprechen. Was auf den ersten Blick Sicherheit verspricht, ist jedoch Irrglaube. Denn Menschen suchen in der Regel das jeweils beste Angebot und nicht jemanden, der alles ein bisschen macht.