Indem sie die Freude am Backen entdeckt, lernt unsere Autorin, dass Liebe durch den Magen geht: Indem sie ihnen einen Kuchen backt, schenkt sie Freunden ihre Zeit und Genuss.
Als ich ein kleines Mädchen war, öffnete ich manchmal die Tür, wenn eine der Frauen aus der örtlichen Kirche einen selbstgebackenen Kuchen vorbeibrachte. Meine Schwestern und ich bewunderten jedes Mal diese kleinen Kunstwerke, die durch peitschenden Wind und arktische Temperaturen zu unserem abgelegenen Zuhause in South Dakota getragen wurden. Das ganze Jahr über lieferten diese freundlichen Damen zuverlässig ihre selbstgemachten Kuchen, Torten und Brote für alle möglichen Feierlichkeiten – für Geburten, Hochzeiten oder zur Ernte – und als Trost für kranke oder trauernde Menschen. Indem ich beobachtete, wie diese eifrigen Bäckerinnen die Früchte ihrer selbstlosen Küchenarbeit denen schenkten, die eine süße Überraschung gut gebrauchen konnten, lernte ich früh, wie man Herzen durch Essen erwärmt. Mahlzeiten für Freunde und die Familie zuzubereiten, hat eine tiefe Wirkung sowohl auf den Gebenden als auch auf den Empfangenden, sagt Scott Blossom, Yogatherapeut und Ayurveda-Lehrer in Berkeley, Kalifornien. „Man kann das mit dem erfüllenden Gefühl vergleichen, das man hat, wenn man jemanden liebt. Essen, das mit einer liebevollen Absicht zubereitet wurde, ist spirituell.“
Das Jahr des Guglhupfs
Als Erwachsene entdeckte ich diese Praxis wieder: Ich zog nach San Francisco und begann dort für mein Umfeld Kuchen zu backen – und von Herzen zu schenken. Eines Tages beschloss ich sogar, ein ganzes Jahr lang Kuchen als Geschenke zu backen. Jeden Samstag kroch ich frühmorgens verschlafen aus meinem Bett, füllte eine Guglhupfform mit Teig, schob sie in den Ofen und schenkte schließlich den fertigen Kuchen jemandem, der etwas Trost brauchte oder etwas zu feiern hatte. Das wurde zu meinem Ritual: Während ich der Stadt beim Aufwachen zuhörte, maß ich ab, vermischte, siebte und rührte. Ich entdeckte dabei, wie gut mir selbst diese neue Beschäftigung tat: Mein Atem und mein Geist wurden dabei ruhig und mein Körper fühlte sich ausgeglichen und friedvoll an. Was ich erlebte, war mehr als das Vermischen von Zutaten – es war eine Art Meditation und Bhakti Yoga zugleich. Ich lernte, wirklich von Herzen zu geben.
Alles begann, als meine Freunde Heidi und Jeff in einer traurigen Phase ihres Lebens Geburtstag feierten. Die eine hatte Liebeskummer, der andere Heimweh. Beide liebten Mandeln, also suchte ich im Internet nach Rezepten und besorgte im Tante Emma-Laden um die Ecke die Zutaten. In meiner kleinen Küche machte ich mich dann mit einer neuen Kuchenform und dem Rezept für einen einfachen Mandelguglhupf bewaffnet ans Werk. Als ich ein paar mehlbestäubte Stunden später Puderzucker auf den fast fertigen Kuchen siebte, fühlte ich eine Verbindung zu den Frauen meiner Familie und meiner Gemeinde in South Dakota, die mir das Backen beigebracht hatten, als ich ein kleines Mädchen war.
Später lernte ich, Walnüsse zu rösten, Streusel zu machen und Rosenblüten auf Kokosnusscremeglasur zu kleben. Außerdem lernte ich, meine Hoffnung auf ein ansehnliches Ergebnis mit dem Loslassen von Erwartungen zu vereinbaren, denn es gab natürlich auch Misserfolge. Und ich erfuhr, dass diese regelmäßige Praxis in mein Leben zu integrieren auch bedeutete, dass man jedes Werk und jede Tat als Neuanfang betrachten konnte. Es war die Praxis an sich, die wichtig war, nicht das Ergebnis. Der Akt des Schenkens und nicht das Geschenk an sich.
Nach dem Backen von gut 60 Kuchen erkannte ich, dass mir meine „Guglhupf-Samstage“ einen kreativen Ausdruck ermöglichten, der mich unter anderem daran erinnerte, dass Mitgefühl urbane Grenzen überwindet. Fremde auf der Straße werden beim Anblick meines Kuchenwägelchens weich und fragen mich, ob sich eine Katze darin versteckt. Sogar der Busfahrer wartet geduldig auf die „Kuchenlady“ und macht einen Umweg, um mich in der Arbeit abzusetzen. Dort freuen sich meine Kollegen wie kleine Kinder, wenn es einen neuen Kuchen zu probieren gibt. Ich habe schon Kuchen quer durchs Land zu alten College-Freunden oder meiner Patentochter an der Ostküste geschickt oder sie auf dem Rücksitz angeschnallt zu Überraschungs-geburtstagsfeiern in Santa Cruz transportiert. Ich habe einen die steilen Hügel von San Francisco hinaufgeschleppt, um ihn mit einem Freund zu teilen, der sich gerade einer Chemotherapie unterzog. Dadurch haben diese einfachen Kuchen Bindungen auch zwischen Fremden gestärkt und mich an die Wahrheit des yogischen „Alles ist eins“ und die Kraft des Mitgefühls zum Trost einsamer Menschen -erinnert.
Gegenseitiges Beschenken
Als sich die Kunde meiner neuen Praxis verbreitete, wurde ich selbst von Bekannten mit unerwarteten Geschenken überhäuft: Kuchenformen und -mischungen, Backutensilien, Glasuren und sorgfältig aus Zeitungen ausgeschnittene Rezepte. Durch das dankbare Annehmen dieser Geschenke wurde mir bewusst, dass es uns die Menschen in unserer Umgebung gleich tun, wenn wir unsere Arbeit, Zeit, Energie, Liebe und Fähigkeiten – so bescheiden und unvollkommen sie auch sein mögen – schenken, ohne etwas dafür zu erwarten. Die gegenseitige Wertschätzung blüht dadurch auf.
Als ich vor ein paar Wochen gerade einen Kuchen fertig bekommen hatte – einen Schokoladenkuchen, der mit roten Hibiskusblüten dekoriert und für ein gemeinsames Essen mit meiner Yoga-Gruppe gedacht war –, sah ich plötzlich meine Guglhopfform als perfektes Abbild eines yogischen Mandalas: ein sich drehendes Chakra, ein Energiestrudel, welcher im Körper Hoffnung und gute Intentionen verbreitet. Ich dachte mir, wie passend es doch ist, dass mich diese einfache Kuchenform daran erinnert, dass Geben und Nehmen Hand in Hand gehen und dass das, was wir mit Liebe und guten Absichten geben, mit derselben Freude zu uns zurückkommt.
(Fotoquelle: Photocase)