Corona und jetzt? Was die Redaktion bewegt und was im nächsten Heft anders wird

Ab ins Homeoffice! Die Ansage war klar. Die gesamte Redaktion des Yoga Journals und ihrer Online-Heimat der Yogaworld wurde ins Homeoffice geschickt. Und jetzt? Wie geht es weiter? Welche Themen sind jetzt relevant? Können wir überhaupt so weitermachen wie zuvor? Unsere Redakteure erzählen, wie sie mit Corona, Unsicherheit, Yoga, Job und Familie 24/7 umgehen und verraten, warum die April-Ausgabe anders wird als gedacht.

Stephanie Schauenburg (Print-Redaktion): Einfach weiteratmen

Viel Ruhe bringt der Shutdown für Yoga Journal-Chefredakteurin Stephanie Schauenburg erst mal nicht: In letzter Minute stellt die Redaktion gerade das (fast fertige) Heft nochmal völlig um. Unser Motto jetzt: Zuhause üben! Freut euch auf eine Ausgabe, die prall gefüllt sein wird mit Übungen, Tipps und Anregungen für die Praxis daheim.

Puh, ich gebe es zu: Als die Schlagbäume runtergingen, mein Lieblingscafé die Stühle reinholte, das Yogastudio dicht machte und alle privaten Matten vor die Türe stellte, da hat mich das so sehr beklemmt, dass ich erst Mal trotzig wurde: Hallo, spinnt ihr eigentlich alle? Vor ein paar Tagen haben wir uns doch noch über hysterische Hamsterkäufer und Schutzmasken-Träger lustig gemacht! Und jetzt sperren wir uns willig selber weg? Selten hab ich mich seit Teenager-Tagen so auf Krawall gebürstet erlebt wie in diesem Moment. Es hat mir ja auch seither niemand so sehr vorgeschrieben, was ich tun und lassen soll, darf, muss. Damit umzugehen, ist für mich eine Herausforderung – aber wie jede Herausforderung natürlich auch eine spannende Erfahrung. Definiere ich meine Freiheit wirklich nur dadurch, dass ich jederzeit verreisen oder Kaffee trinken gehen kann? War da nicht noch mehr, was das Leben schön macht? Ja – und das ist auch alles weiterhin da: Danke Frühling, danke hoher, weiter, blauer Himmel, danke Vogelgezwitscher und blühende Weide, danke liebe Menschen ringsum – und danke Yogapraxis! Jetzt sehe ich euch noch ein bisschen deutlicher.

Christina Raftery (Print-Redaktion): Schmetterlings-Variationen und andere Hilfsmittel

Spätestens als ich – ich brauchte wirklich Nachschub!! – eine Packung Toilettenpapier mit rosa Schmetterlings-Deko und einem merkwürdigen Duftstoff an die Kasse des Drogeriemarktes brachte (es war die vorletzte vorhandene Ware ihrer Art), merkte ich, dass etwas fundamental anders wird. Veränderungen zeigen sich oft an persönlichen Kleinigkeiten, an Unterbrechungen der Routine, an neuen Entscheidungsgrundlagen. Nachrichten über die globale Entwicklung zu verfolgen ist das eine, Sorge um das Wohl von Familie und direkter Community die andere. Die Tragik einer Situation erschließt sich auch in traurigen Tochteraugen, weil ihre Geburtstagsfeier verschoben wird, an der Enttäuschung der Großeltern, den geplanten Besuch abzusagen und der ungewohnten 24/7-Nähe zu Partner und Kind.

Unsere Yogapraxis ist jetzt einem Stresstest unterzogen

Was hilft jetzt, äußere und innere Ruhe zu bewahren, bei sich zu bleiben und dabei nicht in Trübsinn zu verfallen? Tatsächlich die Verlagerung von außen nach innen, Eindämmen negativer Reize wie Social Media, vor Bildschirmen Yoga zu üben und zu tanzen, Tierköpfe aus Eierkartons zu basteln, Schränke auszuräumen und ein paar vergessene Gesellschaftsspiele abzustauben. Informiert bleiben ohne auszurasten, Verbindung zu halten, wenn auch fast nur mit Worten, Ruhe bewahren ohne ignorant zu sein: Auch unsere Yogapraxis ist jetzt einem Stresstest unterzogen, unterliegt einer Bewährungsprobe. Wie abhängig sind wir von unseren Lehrer/innen, was haben wir bisher von ihnen lernen können und wie kann sich jetzt zeigen, was uns besonders gut tut? Da können wir uns auf eine spannende Reise begeben. Die Lehrenden unterstützen uns online dabei – Spenden für ihre wichtige Arbeit erwünscht!

Und weil auch uns die gewohnte und geliebte Arbeit hilft: Die nächste Print-Ausgabe des YOGA JOURNAL wird eine noch größere Fülle an Home Practice-Vorschlägen enthalten, dazu Meditationsanleitungen in Zeiten, in denen wir vor allem Zuversicht brauchen. Und auch wenn es im Yoga vor allem um direkten Kontakt, um unmittelbares Spüren und wirkliche Nähe geht – wichtig sind in dieser Praxis vor allem Variationen. Probieren wir sie alle aus – voller Vertrauen, Zuwendung und starker Gesundheit!

Übrigens: Die neue Ausgabe ist ab dem 16. April in unserem Online-Shop erhältlich.

Andrea Huber (online): Geschenkte Zeit ohne Termindruck

Tatsächlich muss ich gestehen, dass ich diese ganze Virus-Bedrohung anfangs eher belächelt habe. Hätte mir vor ein paar Tagen jemand erzählt, dass ich die nächsten fünf Wochen im Homeoffice mit meinen Kindern verbringe, hätte ich nur gelacht. Jetzt, plötzlich ist alles anders. Komisch, unsicher, merkwürdig fühlt es sich an. Die Situation ist so unbekannt wie unwirklich – die meiste Zeit fühle ich mich wie eine Randfigur in einem Hollywood-Blockbuster. Was ich aber ganz großartig finde, ist die viele Zeit, die ich gerade mit meinen Kindern verbringen kann. Klar ist es stressig, klar nerven sie mich. Klar, ist es schwierig einem Erstklässler zu erklären, dass er ein bis zwei Stunden täglich zuhause rechnen, lesen und schreiben muss, wenn doch gerade “Corona-Ferien” sind. Außerdem soll der kleine Bruder bitte leise Lego spielen, Mama muss noch was fertig schreiben. Zum Glück gibt es auch tollen Mediationen für Kinder. So kommen sie zumindest kurz zur Ruhe.

Der Zusammenhalt ist zu spüren

ABER: Ich genieße es gerade so sehr morgens in Ruhe aufzustehen. Nochmal mit den Jungs nachkuscheln – wir nennen das “fertigbacken”. Ohne Hetze, ohne “schnell zieh dich an, ich muss in die Arbeit”. Alles in Ruhe fertig machen und den Kaffee mangels Zeit nicht unter der Dusche zu trinken, sondern am Tisch vor dem Rechner. Und mir gefällt, dieses Gefühl der Solidarität, dass sich auch langsam bei uns breit macht, wenn auch nicht so emotional und aus voller Kehle wie in Italien oder Spanien. Eher zurückhaltend deutsch, ein wenig nörgelnd am Anfang und immer mit dieser kleinen Prise Pessimismus. Zu spüren ist der Zusammenhalt aber allemal. Unter Kollegen, unter Freunden, in der Yoga-Community, auf Instagram und in der Nachbarschaft. Es geht darum anzupacken, an einem Strang zu ziehen und zusammen zu halten. Und siehe da, auf einmal geht es. Wenn wir es schaffen, dieses Gefühl auch über die Krise hinaus zu retten, dann fände ich das einfach sensationell.

Anika Kedzierski (online): Wir leben in einer Zeit, in der eine Quarantäne einfach auszuhalten ist

Ich schicke euch ganz liebe Grüße aus meinem New Yorker Apartment. Hier hänge ich seit 5 Tagen in einer selbst-verordneten Quarantäne fest. Und nein, ich habe leider keinen Garten. Auch keinen Balkon. Und meine Fenster lassen sich nur einen ganz kleinen Spalt öffnen. Dafür habe ich die besten Mitbewohner, mit denen selbst diese Situation gut auszuhalten ist. Sportbegeistert sind wir alle. Daher treffen wir uns jeden Morgen um 9:15 Uhr mit unseren Yogamatten im Wohnzimmer und üben zusammen: Yoga, Cardio, Gewichte oder auch mal laute Musik zum Tanzen – von allem ein bisschen und dazu die Playlists von Yoga Journal Germany. Die Bewegung baut Stresshormone ab, leider aber nicht die Sorgen um meine Familie und Freunde in Deutschland. Ich wäre lieber zuhause und vor Ort. Momentan habe ich entschieden, mich nicht in zu den Massen am Flughafen zu gesellen und zurück zu fliegen – um mich selbst, aber vor allem andere zu schützen.

Ich erlebe wie Menschen sich öffnen

Allerdings sind meine Gedanken am Rasen und überschlagen sich genauso schnell wie die Nachrichten. Daher setze ich mich oft auf meinen Yoga-Block und versuche die wirren Stimmen in meinem Kopf durch Meditation zu beruhigen und in den Moment zu kommen. Jeder von uns hat eigene Ängste, Sorgen, Gedanken und Zweifel. Wir alle sind in einem anderen Umfeld, befinden uns in anderen Umständen und anderen Ländern und doch sind wir in dem Kampf gegen den Virus alle vereint. Der Glaube daran hilft mir. Ich bin generell sehr gut darin, in allem das Positive zu sehen. Und das gelingt mir nach dem ersten Schock auch in dieser Krise: Ich schätze alltägliche Kleinigkeiten, ich erlebe wie Menschen sich öffnen und Verletzlichkeit zeigen, ich sehe sehr viel mehr Menschlichkeit und Mitgefühl auf der Welt, ich habe wahnsinnig ehrliche Gespräche übers Telefon, ich lese Bücher, die seit Monaten in meinem Regal stehen, ich verbringe FaceTime-Zeit mit Freunden, die auf der ganzen Welt verteilt sind und die ich wegen der Zeitverschiebung kaum höre… die Liste ist tatsächlich lang. Wir leben in einer Zeit, in der eine Quarantäne einfach auszuhalten ist: Bilde dich, höre Podcasts und Hörbücher, schaue Klassiker-Filme, sei kreativ, lerne eine neue Sprache über Duolingo, rufe Freunde an, tröste sie und sprecht mal über etwas anderes als den Virus. Übe dich in Achtsamkeit und nutze die Chance, um einen Gang zurück zu schalten und Zeit mit dir selbst du verbringen. Diese Erfahrung wird uns alle verändern – doch inwiefern, entscheidest du. 

Carmen Schnitzer (Print-Redaktion): Ich spüre eine neue Form von Freiheit

Meinen Geburtstag Ende März feiere ich alljährlich mit einer riesigen Motto-Party. Nur langsam sickerte es zu mir durch, dass ich das dieses Jahr vergessen kann, genau wie das kleine Kultur-Festival, das ich mit Familie und Freund*innen im April geplant hatte. Ich traue es mich kaum zu sagen, aber: Der Gedanke fiel mir erstaunlich leicht. Natürlich spüre ich Bedauern, würde mich gerne von meinen Lieben knuddeln und feiern lassen, doch auch ein anderes Gefühl machte sich in mir breit: Freiheit! Klingt angesichts der aktuellen Lage natürlich ziemlich paradox. Und doch: Ich neige dazu, mich sozial zu überfordern, auf vielen Hochzeiten gleichzeitig tanzen und viel zu vielen Menschen gerecht werden zu wollen. Kaum einen Abend verbringe ich normalerweise zu Hause, obwohl ich da eigentlich sehr gerne bin. Theater, Vernissagen, Freund*innen … Irgendwas ist immer. Und jetzt eben nicht mehr. Die Entschleunigung tut mir gut, und ich hoffe, daraus auch etwas für das “Danach” zu lernen.

Das Netz: Neue Form von spiritueller Verbindung

So wie ich überhaupt hoffe, dass wir alle daraus lernen und uns auf die wirklich wichtigen Dinge besinnen. Etwa auf Zusammenhalt, der sich nicht in gemeinsamen Kneipenabenden erschöpft, sondern z.B. durch Nachbarschaftshilfe, Spenden ans Lieblingskino oder auch “nur” einem “Dankeschön” an die schuftenden Supermarktmitarbeiter zeigt. Manchmal denke ich in diesen Tagen auch an meine Gespräche mit Rainer Langhans, der im Internet die Chance zu einer neuen Form von spiritueller Verbindung sieht, einer körperlosen Bruder- und Schwesternschaft. Auch der größte Technikmuffel wird ja derzeit froh sein, dass er den Kontakt zu seinen Lieben trotz allem recht leicht aufrecht erhalten kann.

“Wie gut ich es doch habe!”

Mir ist sehr bewusst, wie privilegiert ich bin – anders als bei vielen ist meine wirtschaftliche Lage und Gesundheit durch die Krise vermutlich nicht bedroht, ich muss mich als Kinderlose nicht um Betreuungsmöglichkeiten kümmern (sondern kann sie anbieten), auch mit häuslicher Gewalt (die durch das Zuhausebleiben traurigerweise zunimmt) muss ich nicht rechnen. Es erfüllt mich mit Dankbarkeit, dass meine größte “Sorge” derzeit tatsächlich ist, ob ich meinen Geburtstag nun mit einer großen Videochat-Party feiern sollte oder ganz alleine oder mit meinem Freund, der als Sportfreak ob der wegfallenden Trainingsmöglichkeiten zwar momentan einen leichten Koller hat, aber alles in allem ja doch ein ganz Lieber ist. Vielleicht kann ich ihm ja jetzt endlich mal ein bisschen Yoga nahebringen …? So oder so: Wie gut ich es doch habe!

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