Das Universum im Darm: Faszination Mikrobiom

Sich das Mikrobiom in unserem Darm vorzustellen, ist gar nicht so leicht. Gerne wird es mit einer Blumenwiese verglichen, auf der es im besten Fall kunterbunt grünt und blüht und parasitäres Unkraut maximal eine Nebenrolle spielt. Doch womit haben wir es überhaupt zu tun und wie halten wir es gesund?

Text: Carmen Schnitzer / Titelbild: MD Max D Graphic Designer via Canva

In jedem von uns steckt eine ganze Welt! Wenn ich mit Freund*innen über diese Feststellung spreche – und das tue ich gerne – dachte ich dabei bislang an die vielen miteinander verwobenen Schichten aus Erinnerungen, Träumen, Wünschen, Ängsten und gesellschaftlichen Rollen, die uns ausmachen und die auch dann präsent sind, wenn Außenstehende sie nicht wahrnehmen. Seit ich mich für diesen Artikel mit dem Thema Mikrobiom auseinandersetze, merke ich: Es braucht gar keinen philosophischen Überbau, die Welt, die da in uns steckt, ist auch im rein physischen Sinn ebenso real wie faszinierend. Und der yogische Grundgedanke, dass alles mit allem zusammenhängt, bestätigt sich auch hier mal wieder.

Ein regelrechtes Ökosystem, gleich einem tropischen Regenwald, tut sich in uns auf, wenn wir genauer hingucken. Eine riesige Solidargemeinschaft, die gefährliche Eindringlinge bekämpft und sich bemüht, den Laden, der sich Organismus nennt, am Laufen zu halten. Okay: Ein starkes Mikroskop ist für dieses genaue Hingucken natürlich von Vorteil, denn diese riesige Gemeinschaft besteht aus unzähligen, winzig kleinen Einzelteilen.

Die Darmflora: Blühende Landschaften

Aber von vorn: Was ist das überhaupt, dieses Mikrobiom, von dem in den letzten Jahren immer häufiger die Rede ist? Kurz gesagt handelt es sich dabei um die Gesamtheit aller Mikroben, die unseren Körper bewohnen. Die Mundhöhle zum Beispiel, die Nase, den Genitalbereich oder auch die Haut. Vor allem aber den Darm – vielen ist darum auch noch der inzwischen als veraltet geltende Begriff “Darmflora” geläufig, der darauf zurückgeht, dass man Bakterien und andere Mikroorganismen einst den Pflanzen zuordnete (lateinisch flor bedeutet Blume). Auch wenn man mittlerweile weiß, dass dem nicht so ist (Bakterienzellen sind weder pflanzlich noch tierisch, weil ihnen im Gegensatz zu diesen der Zellkern fehlt): Das Bild einer blühenden Landschaft, eines Waldes oder einer Wiese veranschaulicht das, was da in uns passiert, schon ziemlich gut.

Geschätzt 100 Billionen Mikroorganismen tummeln sich im Darm, hauptsächlich Bakterien, außerdem Bakteriophagen, Viren und Pilze. Das ist eine 1 mit 14 Nullen dran! Und diese unvorstellbare Vielzahl an Mikroben sorgt im Optimalfall dafür, dass die Verdauung funktioniert, dass unsere Haut Keime abwehrt, dass Nährstoffe verwertet werden, dass Wunden gut verheilen, dass wir gut schlafen, dass sich unser Gewicht nicht in riskante gesundheitsgefährdende Bereiche entwickelt und, und, und. Eine ganze Armee fleißiger Helferlein, die insgesamt rund eineinhalb Kilo auf die Waage bringt, ist also unentwegt darum bemüht, unseren Körper zu unterstützen und gesund zu halten. Und unsere Seele gleich mit!

tanzende Frau im Sonnenlicht auf einer Blumenwiese, Symbolbild, von Oksana Krasiuk via Canva
Bild: Oksana Krasiuk via Canva

Das Bauchgefühl

Denn der Darm beeinflusst auch unsere Psyche immens – das weiß das auch der Volksmund: Zum Beispiel haben wir mal ein “gutes Bauchgefühl” und ein anderes Mal “schlägt uns was auf den Magen”. Das hängt auch mit dem komplexen Geflecht aus 100 bis 200 Millionen Nervenzellen in unserem Verdauungsapparat zusammen. Dieses “Bauchhirn” kommuniziert direkt mit unserem Denkorgan. Die ganzheitlich orientierte US-Ärztin Casey Means spricht in ihrem kürzlich erschienenen Gesundheitsratgeber “Good Energy. Der erstaunliche Zusammenhang zwischen Stoffwechsel und unerschöpflicher Gesundheit” gar vom Darm als “Schnittstelle zwischen dem Kosmos (das heißt allem im Universum), der gesamten Außenwelt und ,uns’.

Wer – wie ich zum Beispiel – jetzt schon überwältigt ist, dem sei gesagt: Das ist längst noch nicht alles! In der Sendung “Planet Wissen: Mikrobiom – Schlüssel zur Gesundheit?” (zu sehen in der ARD- Mediathek oder auf planet-wissen.de) wird die Mikrobiologin Prof. Dr. Lisa Maier gefragt, bei welchem Kilometer auf einer Strecke “von einem Kilometer bis zehn” wir aktuell in der Mikobiom-Forschung stehen. Ihre Antwort: “Auf den allerersten Metern.” Es gebe rund 5000 Spezies, die miteinander und mit der menschlichen Gesundheit interagieren: “Wenn man das hochrechnet, dann sieht man eigentlich: Es gibt noch unendlich viel zu tun!” Das kann also noch spannend werden in den nächsten Jahrzehnten und Jahrhunderten!

Darmbakterien – gut oder böse?

Konzentrieren wir uns aber erst mal auf das, was bereits bekannt ist: Die Zusammensetzung des Mikrobioms etwa ist so individuell wie ein Fingerabdruck und abhängig von den Lebensumständen, dem Lebensstil und vielem mehr. Schon bei der Geburt beginnt seine Entstehung, wobei es sogar einen Unterschied macht, ob ein Säugling per Kaiserschnitt oder vaginal zur Welt kommt. Über Körperkontakt, die Atmung und vor allem die Nahrung gelangen ständig neue Mikroben in den Organismus.

Gemerkt? In diesem Satz steckt bereits eine Botschaft: nämlich die, dass du einen großen Einfluss auf dein Mikrobiom hast. Das Ziel ist hier wie in der Natur das Schaffen und der Schutz von Artenvielfalt: Je mehr unterschiedliche “gute” Mikroben sich in und auf unserem Körper und insbesondere im Darm tummeln, desto besser. Zum Thema “gut” und “böse”:

Guck mal, wer da wohnt:
Unsere riesige Darm-WG

In unserem Körper ist ganz schön was los. Ein kleiner, grob unterteilter Überblick über die unterschiedlichen Mikroben:

“Die Guten”: Diese Bakterien, Viren und Pilze sind sozusagen die Verbündeten unseres Körpers. Ihnen liefern wir zum Beispiel über die Nahrung die nötigen Nährstoffe zum Überleben, und im Gegenzug unterstützen sie unseren Körper bei der Abwehr von Krankheitserregern, der Verdauung, der Bildung von Hormonen, der Stärkung unseres Immunsystems und, und, und. Manche dieser kleinen Helferlein sind allerdings etwas übereifrig und wehren sich auch gegen eigentlich harmlose Fremdstoffe wie Pollen. Das Ergebnis: Allergien!

“Die Schlechten”: Diese Schädlinge können zum Beispiel Infektionen wie eine Magen-Darm-Grippe oder Entzündungen auslösen und werden von den “guten” Bakterien bekämpft.

“Die Neutralen”: Die Faulpelze unserer Wohngemeinschaft. Sie tun uns nix Böses, helfen aber auch nicht im Haushalt mit oder unterstützen uns, wenn’s brenzlig wird. Diese Mikroorganismen sind einfach da.

Modell vom Darm, Symbolbild, von Panuwat Dangsungnoen von Getty Images
Bild: Panuwat Dangsungnoen von Getty Images via Canva

Das richtige Futter für den Darm

Casey Means warnt in ihrem oben genannten Buch eindringlich vor hochverarbeiteten Lebensmitteln und solchen aus konventionellem Anbau. Sie nennt fünf Dinge, die eine ausgewogene Ernährung unbedingt regelmäßig enthalten sollte, nämlich Mikronährstoffe und Antioxidatien (etwa aus Nüssen, Hülsenfrüchten, Spinat, Tempeh), Omega-3-Fettsäuren (zum Beispiel aus Fisch, Walnüssen, Chia- und Leinsamen), Ballaststoffe beziehungsweise Präbiotika (etwa aus Artischocken, Chicorée, Vollkornprodukten), Fermentiertes beziehungsweise Probiotika (wie Kombucha, geringfügig verarbeiteter Joghurt, Sauerkraut) und Eiweiß (aus Eiern, Milchprodukten, Nüssen und Samen). Finger weg heißt es bei Means (und vielen anderen Expert*innen) dagegen von Lebensmitteln mit raffiniertem, zugesetzten Zucker, raffinierten, industriell hergestellten Pflanzen- und Samenölen sowie raffiniertem hochverarbeiteten Getreide wie etwa Weißmehl.

Einer Untersuchung des “American Gut Project” zufolge essen Menschen mit dem gesündesten Mikrobiom mindestens 30 verschiedene pflanzliche Lebensmittel pro Woche! Zeit, mal was Neues auszuprobieren, denke ich mir da. Denn irgendwie greife ich im Laden dann doch meist zu meinen immergleichen Obst- und Gemüselieblingen wie Weintrauben, Tomate, Paprika oder Zucchini. Das darf bunter werden! Auch mit speziellen Nahrungsergänzungsmitteln, die “gute” Bakterien enthalten, kann man einen positiven Einfluss auf das Mikrobiom nehmen und die Darmfunktion unterstützen.

All das ist wichtig zu wissen, denn in hochentwickelten Ländern nimmt unter anderem aufgrund unserer Ernährung die mikrobielle Vielfalt stetig ab, wie neuere wissenschaftliche Studien zeigen. Und es ist sicher kein Zufall, dass gleichzeitig Zivilisations- oder Wohlstandskrankheiten wie Typ-2-Diabetes, Depressionen et cetera gerade dort auf dem Vormarsch sind. Mitverantwortlich dafür ist neben unserer oft allzu ungesunden, wenig natürlichen Ernährung auch der sorglose Umgang mit Antibiotika, die auch den “guten” Darmbakterien zusetzen und darum wirklich nur im Notfall zum Einsatz kommen sollten.

Bewegung für den Darm

Zudem bewegen sich viele Menschen in den Industrienationen zu wenig. Dabei brauchen unsere Organe und insbesondere der Darm Druck und Zug für die Durchblutung, und um reibungslos arbeiten zu können. Zu guter Letzt ist unser Darm auch kein Fan von Stress. Mit Yoga haben wir da natürlich ein wunderbares Tool an der Hand. Asanas wie Kobra, herabschauender Hund, Drehsitz oder Katze-Kuh können helfen, eine träge gewordene Verdauung wieder ankurbeln. Bei Durchfall hilft dagegen eher eine Vorwärtsbeuge. Im Zweifel frag bei Magen-Darm-Problemen aber lieber nochmal genauer deine Yoga-Therapeut*in, Arzt oder Ärztin.

Fazit: Sich für Artenvielfalt einzusetzen lohnt sich im Grunde überall – auf der Erde genauso wie im eigenen Körper! Auf dass diese faszinierenden Welten in und um uns weiter blühen und nicht verkümmern…


Carmen_Schnitzer, Autorin Yoga Journal

Carmen Schnitzer arbeitet als Journalistin und schreibt seit Jahren für das YOGAWORLD JOURNAL. Erfahre mehr über die Autorin und besuche ihre Facebook-Seite.

Hier findest du einen weiteren Beitrag von Carmen Schnitzer:

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Und hier findest du mehr zum Thema Yoga und Ernährung:

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